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Samstag, 11. Februar 2023

Gesucht & gefunden: ein Deutschlehrer

Wer hätte das gedacht, dass ich in die Lehrerzunft einsteige...??? Nun, die Plattform www.workaway.info macht's möglich.

Vor einigen Wochen, ja Monaten wurde ich über diese interessante Plattform angefragt, ob ich Lust hätte, Deutschunterricht zu geben. Die Youth Association for Culture and Development (YACD) sucht so jemand am Standort Taroudannt, Nähe Agadir. 
Ich denke mir, das liegt auf meiner Route, perfekt muss es ja vielleicht nicht sein, da kann man das doch mal ausprobieren. Man lernt ja nie aus - selbst ich nicht. Ich meine damit, die eigene Qualifikation als Sprachlehrer anzutesten. Nach mehrmaligen Umplanungen ist es jetzt soweit. Ich bin in Oulad-Teimar angekommen, wo die Association ihren Standort hat, zwei Tage vor dem vereinbarten Termin.
Nach der Aufnahme in der Familie und Wohnung von Mohammed, gehen wir ungefähr fünf Minuten zum Gebäude der Association und Mohammed zeigt mir die Räumlichkeiten. Die drei Schulungsräume sind einfach und praktisch eingerichtet. Kleine Einzeltische stehen in den Räumen, so dass sie nach Bedarf leicht umgestellt werden können. An den Wänden hängt in jedem Raum ein Whiteboard. That's it. Mohammed fragt mich, ob ich gleich heute noch mit dem Unterricht anfangen wolle. Hmmm, irgewie will ich erstmal mental ankommen und mich mit der Umgebung vertraut machen und lege den Unterrichtsbeginn für den nächsten Tag fest. Mohammed erklärt mir die Association. Dort bekommen Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, Sprachen, Spiele und etwas über Kultur zu lernen.

Dann lerne ich Sol kennen, ein Engländer, große gewachsen, einen ganzen Kopf größer als ich und mit Bart, den ich auf Ende zwanzig taxiere. Wir kommen ins Gespräch. Er ist tatsächlich erst neunzehn!!! Und unterrichtet die Kinder in Englisch. Bei ihm sind es 8 oder 10 Schüler. Mir wird erzählt, dass da noch ein Franzose ist, schon länger da ist und Französisch unterrichtet. Er heißt Adrian und spricht, was mich maximal verwundert, ein hervorragendes und akzentfreies Englisch. Am Tag nach meiner Ankunft taucht noch eine weitere Volontärin aus England auf, Felix.

Stadt-Rundgang
Wo bin ich hier eigentlich gelandet? Der Ort heißt Oulad-Teimar und liegt rund 50 Straßenkilometer östlich von Agadir, ins Landesinnere also. Hier ist es wirklich sehr, sehr staubig. Die Straßen sind solide, aber Parkplätze, Gehwege und sonstige Flächen sind in einem leicht maroden Zustand. 
Abgesehen von den Palmen, die an der Hauptstraße entlang gepflanzt sind, ist kaum etwas Grün zu sehen. Die Gebäude zumeist haben vier Geschosse, wobei mir auffällt, dass das Erdgeschoß eine Deckenhöhe von vier oder fünf Metern und die zur Straße hin fast überall Rolltore haben. Darum finden sich dort die verschiedensten Betriebe, wie Autowerkstätten, Metallbau, Tischlereien, zwischendrin Apotheken sowie Lebensmittel- und Gemischtwarenläden. By-the-way, Supermärkte existieren so gut wie gar nicht. 
Nebenbei bemerkt, ich habe weder in Agadir, noch in Casablanca, noch Rabat, noch in den anderen Städten Supermärkte gesehen. Vielleicht war ich aber auch immer nur am falschen Ort - keine Ahnung! Außerdem macht es mir Spaß, in diesen oft wirklich kleinen Tant-Emma-Laden, die eben nicht alles, dafür oft aber anderes haben, als ich kenne. Dann gibt es große Areale, die wie ein riesiges Kreuzworträtsel durch fertige Straßen und Straßenbeleuchtung in Flächen aufgeteilt ist. Sieht nach Bauplätzen aus. Viele unfertige Bauwerke stehen auch mitten in der Stadt. Man sieht es vor allem daran, dass keine Fenster drin sind und der ockergelbe oder rostrote Fassadenanstrich fehlt, mit denen so gut wie jedes Haus gestrichen ist.
Ganz ehrlich, für ist das eher nicht der Ort, wo ich begraben werden möchte, auch wenn es hier weniger regnet, als in Ahlerstedt oder Hamburg.

Marokkanisches Familienleben
Mohammed's Familie
Ich kann meine naseweisen Augen und Ohren mitten in eine Marokkanische Familie stecken - ich bin begeistert!

Mohammed selbst habe ich als sehr ruhigen und überlegten Mann erlebt. Hauptberuflich ist er Lehrer an der örtlichen Highschool. Ihn sehe ich daher kaum. Aber er wirkt sehr gepflegt und trägt fast immer einn Anzug. Seine Frau Asma ist ebenfalls sehr ruhig und kocht hervorragende Marokkanische Küche. Im Haus läuft sie ganz leger im Jogginganzug umher und wenn sie vor die Tür geht, nur mit Kopftuch und einem Kaftan. Und dann sind da noch die beiden Jungs, die von morgens bis abends wie aufgezogen oder wie das Duracell-Häschen durch die Wohnung sausen. 
Hier die beiden Jungs mit Sol.

Esskultur
Frühstück gibt es zwischen 9:30 und 19:00 Uhr. Es wird Fladenbrot mit Olivenöl, Marmelade und Streichkäse serviert. Zu Trinken kommt der obligatorische süße Marokkanische Minztee auf den Tisch.

Mittagessen ist dann schon um 14:00 Uhr. Und hier kommt Asma so richtig auf Touren. In der Woche gibt es nicht einmal das Gleiche. Linsensuppe, drei verschiedene Tajines, Couscous, und ich weiß nicht mehr. Alles köstlich. Anders als ich es kenne, steht ein großer Familienteller auf dem Tisch, anstelle dass jeder seinen eigenen Teller hat. Für die Suppen hat jeder seinen Löffel und bedient sich aus der Gemeinschaftsterrine. Ebenso bei der Tajine, nur dass niemand Besteck bekommt. Du nimmst das Brot, reißt es etwas auf und greifst damit das Gemüse und Fleisch - eine ergreifende Mahlzeit. Die Soße wird zum Schluss heraus gewischt. Natürlich auch mit dem Brot. Wenn jemand dabei kleckert, dann schaut keiner betreten hin, sondern das passiert eigentlich jedem.

Kommen wir zum Abendessen. Darauf musst du bis 22:00 Uhr warten. Diese acht Stunden sind ja kaum zu überleben! Wie gut, dass es an jeder Ecke einen dieser kleinen Gemischtwarenläden gibt...

Gerne hätte ich hier in der Familie mehr Fotos gemacht und ich dachte, dazu hätte ich ja den ganzen Monat noch Zeit. Tja - Pustekuchen!

19:30 Uhr - Es geht los!
Eine kleine Kinderschar tummelt sich im Vorraum. Sie verteilen sogleich in zwei Klassenräume, für Französisch und Englisch. Damit sind auch Sol mit Felix, der neuen kleinen und schwarzen Engländerin, sowie Adrian, dem Franzosen, von der Bildfläche verschwunden.

Der dritte Raum bleibt leer. 

Mohammed sitzt am Schreibtisch des Vorraumes und unterhält sich mit zwei anwesenden Männern. Ich Frage, ob die gemeldeten Schüler noch kommen würden. Er weiß es natürlich nicht. Nach einer halben Stunde scheint das Gespräch im Sande zu verlaufen und einer der Männer meint zu mir in Englisch "lass uns anfangen". Huch!!! Hab ich irgendwas falsch verstanden??? Na gut, Pilger sind ja immer flexibel. Der Mann, er heißt Ismail, zeigt mir gleich seine Deutschkenntnisse auf. Er ist fortgeschritten. Ach du meine Güte - nochmals flexibel sein! Denn ich hatte mich auf Null-Kenntnis eingestellt und wollte bei Adam und Eva anfangen.

Um es kurz zu machen, wir füllen die verbleibende Zeit mit Gespräch über unser Leben und was uns aktuell beschäftigt. Dabei habe ich einfach verschiedene sprachliche Aspekte, wie zusammengesetzte Hauptwörter, die drei Geschlechter mit den bestimmten und unbestimmten Artikeln und die Deklination herausgepickt und besprochen. Ismail scheint es zu gefallen. Und dann ist die Stunde auch schon zu Ende.

Zweiter Unterricht
Als ich am zweiten Tag zehn Minuten vor Beginn zur Einrichtung komme, sehe ich einen Stundenplan auf dem Schreibtisch des Vorraumes liegen. Da steht "GE" für German am Montag, Donnerstag und Freitag. Aha! Das klingt stark nach einer Zweidrittel-Stelle. Ach, sei's drum, das passt schon. Ich brauche schließlich keinen Burnout mehr.

Dann ist es wieder 19:30 Uhr - und alle Kids verschwinden samt freiwillige Lehrer in den zwei Räumen wie gestern. Der dritte Raum bleibt wieder leer. Hmmm... fühlt sich schon ziemlich gediegen an. 

Plötzlich erscheint eine junge Frau mit Kopftuch und gibt mir zu verstehen, dass sie Deutsch lernen möchte. Ohne Vorkenntnisse. Gut. Darauf bin ich vorbereitet und wir fangen an, uns einander vorzustellen: "ich heiße Horst und komme aus Portugal, Spanien, Frankreich, Schweiz und Deutschland. Das ist mein Weg. Und duuuu?" Mit meiner Unterstützung kommt so nach und nach: "ich heiße Basma und komme aus Marokko". Während wir so dabei sind, steht Mohammed plötzlich in der Tür und erklärt, es seien noch vier jugendliche Burschen gekommen, ob er sie hereinlassen könne. Ja, na klar! Ruck zuck ist Stimmung in der Bude. Aber Mohammed bleibt in der Türe stehen. Ja? Die Jungs wollen nicht Deutsch sondern Englisch lernen. Moment, ist das hier gerade ein demokratischer Mehrheitsbeschluss??? Und welches Gewicht könnte meine Stimme dabei haben? Bevor ich meine Gedanken zu einer vernünftigen Frage sortiert habe, erklärt Mohammed, dass auch diese junge Frau eigentlich nicht Deutsch, sondern ebenfalls zum Englisch lernen gekommen ist. Schrill, die maximale Verwirrung in meinem Kopf ist erreicht. Mit deutlich gedimmter Energie setze ich eine Unterhaltung auf Englisch in Gang, die sich letztlich auf den Rudelhirsch und mir reduziert.

Leicht anfrustriert verlasse ich heute die Einrichtung.

Aller guten Dinge sind drei
Ich gehe schon mit der Frage zur Einrichtung, wie wohl der dritte Tag verlaufen wird. 

Ich mach's kurz. Um 19:30 Uhr warte ich wieder vergeblich auf Schüler, bis sich gegen 20 Uhr wieder einer von der Association, aber nicht Ismail sondern ein anderer, bereit erklärt, mit mir was zu machen.

Ich suche nach einer Möglichkeit zum Entfrusten. Die finde ich in einem Ausflug nach Taghazout, einem Surfspot, etwas nördlich von Agadir.

Hoch die Hände, Wochenende!
Das ist eine gute Entscheidung. Raus aus dem Staub und rein in die gute Stimmung des Hostels in Taghazout und den Sonnenuntergang mit einem leckeren Cocktail Berber-Whisky (= sehr süßer schwarzer Tee mit Minze 😋) beobachten.
Hier meine neuen Freunde Raphael und Martin. Später gesellen sich noch zwölf andere hinzu.
Jähes Ende
Oder doch nicht so unerwartet?

Nun ja, nach den ersten drei Anläufen scheint auch Mohammed und seinem Team die Frage zu beschäftigen, wie soll das weiter gehen. Wir setzen uns zusammen und beschließen, diesen Einsatz zu beenden. 

Es ist der 8. Februar und nun habe ich mit einem Mal drei Wochen frei. Super! Ich fahre wieder nach Taghazout und nutze die Zeit um Surfen zu lernen. Die Temperaturen hier sind mit plus minus 20°C genau richtig.

*****

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