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Montag, 30. Oktober 2023

❤️ Fundraising: Centre for the Deaf ❤️

🇩🇪
Livingstone, 30.10.23 
Beim Verabschieden nach dem Gottesdienst in Livingstone komme ich mit Molly ins Gespräch, die mir unter anderem von einer Schule für die gehörlosen Kinder dieser Gemeinde berichtet. Am Ende des Gesprächs werde ich eingeladen, mir die Schule einmal anzuschauen, wenn ich Lust und Zeit hätte. Ja, da mich Land, Leute und Kultur interessieren, gehe ich neugierig hin.

Ich erfahre, dass die Schule DeSanto Centre for the Deaf in Livingstone, Sambia, die 2015 gegründet wurde, derzeit 27 gehörlose Schüler in einem integralen Modell unterrichtet, was bedeutet, dass sie in Zusammenarbeit mit allgemeinen Schulen in Livingstone unterrichtet werden, von denen seither bereits 3 Schüler die Abschlussprüfung bestanden haben. Das Team besteht aus neun festangestellten Mitarbeitern für die Organisation und den Unterricht in drei Klassen:
1. Klasse (Vorschule) im Alter von 5 bis 9 Jahren.
2. Klasse (Grundschule, Klasse 1 – 7) im Alter von 8 bis 22 Jahren.

Mit diesem Video habe ich meinen Besuch dort dokumentiert. 

Das Zentrum für Gehörlose ist der Deaf Education and Arts for African Families, DEAAF, angeschlossen (klicken Sie hier für weitere Details: https://deaaf.org/) und wurde von Lisa Zahra, einer US-Amerikanerin, gegründet, die es bis heute mit Hingabe leitet.

Leider gibt es in Sambia keine staatliche Unterstützung oder Finanzierung für solche Projekte. Finanziert wird die Schule privat von einem Großspender, Herrn Gary DeSanto, ein Unternehmer und Investor aus Philadelphia/USA, dessen Namen die Schule trägt – oder besser gesagt, sie wurde finanziert, da Herr DeSanto zum Jahresende seine Zahlungen einstellen wird.

Gehörlose Kinder sind in Sambia häufig sozial stark benachteiligt, da sie oft schon in der eigenen Familie wegen der fehlenden Kommunikationsfähigkeit der Eltern und Geschwister ausgegrenzt werden. Nicht selten werden sie sogar als Nicht-Menschen betrachtet und behandelt. 

Hier setzt die Schule, die leider keine staatliche Unterstützung erhält, ein unübersehbares Zeichen der Humanität, indem die Kinder wissensmäßig gleichwertig mit anderen Schülern ausgebildet werden und dadurch mit einem starken Selbstbewusstsein zu einem integrierten Teil der Gesellschaft heranwachsen. 

Der Bedarf zur Deckung der wichtigsten Ausgaben um die Fortführung der Schule zu gewährleisten, liegt bei monatlich 130.000 Kwacha (6.000US$/5.700€) für die nächsten drei Jahre. Innerhalb dieses Zeitraums soll die Zertifizierung durch das Sambische Bildungsministeriums erreicht werden, mit der die Schule als gemeinnützige Organisation anerkannt wird, einschließlich der entsprechenden Unterlagen. Dies ist die Voraussetzung, um die Zusage für eine Finanzierung durch Sponsoren aus England zu erhalten, die eine dauerhafte Unterstützung signalisiert haben.

Molly, mit der ich die gleiche Christliche Glaubensüberzeugung teile und uns die Zugehörigkeit zur Neuapostolischen Kirche verbindet, ist alleinerziehende 
Mutter von sechs gehörlosen Kindern. Dieses Schicksal, das sie selbst gar nicht als Schicksal sieht, berührt mich zutiefst, dass ich nach Wegen suche, ihr Leben, und damit das Leben der Kinder, die ihr am Herzen liegen, zu erleichtern. 

Ich würde mir sehr wünschen, dass ich einen effektiven Beitrag leisten kann, die Welt an dieser Stelle zu einem besseren Ort zu machen, indem diese Schule fortgesetzt werden kann. Darum möchte ich jeden bitten, der hiervon erfährt, mit seiner Spende dabei mitzuhelfen. Ich selbst gehe mit gutem Beispiel voran und überweise 100€ = 2.400 Kwacha (edit 18.11.23) monatlich an die Schule. Wenn nun weitere 119 Menschen meinem Beispiel folgen, dann ist das erste große Problem gelöst. Doch nicht nur Dauerspenden sind gefragt, jeder Kwacha, jeder Dollar, jeder Euro ist willkommen und macht einen Unterschied für die Schule. 

Spendensicherheit:
 1. Eine Paypal-Überweisung ist heutzutage die sicherste Option.
 2. Der Spendenempfänger registriert jedes einzelne Einkommen mit Datum, Betrag, Name des Absenders und Verwendungszweck.
 3. Jedem Spender wird eine Spendenquittung zugesandt.

Lasst es uns nun tun und hier spenden:
Klicke auf diesen Link oder rufe die Website https://deaaf.org/ auf und folge dort dem Spenden-Button, scolle bis zum gelben Spenden-Button wie abgebildet und klicken ihn an. Auf der nächsten Seite bestimmst du den Betrag. Mit einem Haken bei
□ Make this donation monthly 
kannst du eine monatliche Spende in Auftrag zu geben. 


Ich sage herzlich "Dankeschön" für jede Unterstützung 💖✨️

Herzlichst,
Dein Horst 

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🇬🇧
Livingstone, 10/30/2023
As I say goodbye after the Divine service in Livingstone, I start talking to Molly, who tells me, among other things, about a school for the deaf children in this community. At the end of the conversation I am invited to take a look at the school if I have the time and the desire. Yes, because I'm interested in the country, people and culture, I go there with curiosity.

I learned that the school is the 'DeSanto Center for the Deaf' in Livingstone, Zambia was founded in 2015. Currently 27 deaf students are taught in an integral model, which means that they are taught in collaboration with general schools in Livingstone and a total of 3 students have passed theur Exams so far. The team consists of nine permanently employed staff for organizing and teaching three classes: 
1. Class (pre-school) aged 5 to 9 years.
2. Class (primary school, grade 1 - 7) aged 8 to 22 years.

This video shows my visit to that school. 

The Centre for the Deaf is affiliated to the Deaf Education and Arts for African Families, DEAAF (click here for more details https://deaaf.org/) and was founded by Lisa Zahra, an American, who has been led it with dedication ever since.

Unfortunately there is no government support or funding for such projects in Zambia. It is financed privately by a major donor, Mr. Gary DeSanto, entrepreneur and investor from Philadephia/USA, whose name the school bears - or better said, was financed, because Mr. DeSanto will stop making payments by the end of the year.

Currently in the dilemma of not being able to pay the expenses for rent, electricity, school materials, children's transport, breakfast and lunch, as well as the teachers' small salary beyond 2023 and thus the school's operations are on the verge of being shut down.

Deaf children in Zambia are often severely socially disadvantaged because they are often excluded in their own families because of their parents' and siblings' inability to communicate. It is not uncommon for them to be viewed and treated as non-humans.

Here the school, which unfortunately does not receive any state support, sets an unmistakable sign of humanity in that the children are educated on an equal level with other students in terms of knowledge and thus grow into an integrated part of society with strong self-confidence.

The need to cover the most important expenses to ensure the continuation of the school is 130,000 Kwacha (US$6,000/€5,700) per month for the next three years. Within this period the certification acknowledging the school a public benefit organization by the Zambian Ministry of Education shall be obtained and the related paperwork shall be completed. This is the requirement to get the commitment for funding by sponsors from England who have indicated permanent support. 


Molly, with whom I share the same Christian beliefs and membership in the New Apostolic Church, is a single parent Mom of six deaf children. This fate, which she herself does not see as a fate, touches me so deeply that I look for ways to make her life, and thus the lives of the children who are close to her heart, easier.

I would very much like to be able to make an effective contribution to making the world a better place here by continuing this school. That's why I would like to ask everyone who finds out about this to help with their donation. I will set a good example and transfer €50 resp. 1.200 Kwacha a month to the school. If another 119 people follow my example, then the first big problem will be solved. But it's not just long-term donations that are needed, every Kwacha, every dollar, every euro is welcome and makes a difference for the school.

Donation security:
1. Paypal transfer is the safest option nowadays. 
2. The recipient registers every single income by date, amount, senders name and purpose. 
3. Every donator will be sent a donation receipt. 

Donate here:
Go to the website https://deaaf.org/ and follow the donate button there, scroll down and click the donate button as shown to determine your amount. Clicking the check the box
□ Make this donation monthly
allows to initiate a monthly donation.


I would like to say “thank you” for every single support 💖✨️

Sincerely, Horst



Montag, 16. Oktober 2023

TAZARA Zugreise 🚂🚃🚃

Wenn ich darüber nachdenke, wie ich auf meiner Reise von A nach B und am Ende biz Z komme, dann stehen mir ja immer irgendwelche Optionen zur Verfügung:
• Zu Fuß 👨‍🦯
• Fahrrad 🚲
• Dreirad 🛺
• Moped 🛵
• Per Anhalter 👍🏼
• Bus 🚐
• Bahn 🚂
• Boot ⛵️
• Hubschrauber 🚁
• Flugzeug ✈️
Gibt's da sonst noch was?

Gehen wir die Optionen mal einzeln durch.

Den Anfang meiner Reise von meinem Zuhause in Ahlerstedt in Norddeutschland bis nach Santiago de Compostela in Galizien, Nordspanien, und weiter bis nach Gibraltar mit über 6.000 Kilometer habe ich zu Fuß bewältigt. Proof-of-Compliance: Das kann ich also. 
Zum Fahrrad muss ich sagen, dass mich ein paar Enthusiasten enorm beeindruckt haben, die ich in der Westsahara und in Mauretanien getroffen hatte. 
Ich frage mich, ob ich das tun und schaffen würde. Schaffen vielleicht, aber antun würde ich es mir nicht. In gemäßigten Zonen auf unserem Globus könnte es sein, dass ich es mir mal zutrauen würde. Vermutlich würde ich dann wohl eher zum Moped greifen, weil es mich wohl etwas mehr Kohle, dafür aber erheblich mehr Spaß macht. 
Ein Dreirad würde mir - genauso wie meinem neuen Nachbarn Klaus-Dieter,  einen Heiden-Spaß machen, scheidet aber bei der Anschaffung grundsätzlich aus Kostengründen aus. 
Als Anhalter habe ich bereits interessante Erfahrungen gesammelt, unter anderem mit dem Glaubensbruder Paulo in Portugal, der mir ein guter Freund wurde.

In Afrika sind Busse und Bahnen meine bevorzugten Transportmittel, die ich wegen ihres unschlagbar günstigen Preises und ihrer Unbequemlichkeit liebe. Wo es möglich ist, ziehe ich die Bahn dem Bus vor. Obwohl der Bus zumeist schneller am Ziel ist, mag ich es, unterwegs aufstehen zu können und umher zu laufen, mich aus dem Fenster hängen, um die Landschaft an mir vorbei ziehen zu lassen. 

Wie kommt man von Kontinent zu Kontinent? Für mich kommt das Flugzeug nicht infrage, sondern entweder ein Containerfrachter, bei dem ich als Deckschrubber oder als die linke Hand des Smutje aushelfe - oder - meine favorisierte Idee: als Mitfahrgelegenheit auf einer Segelyacht mit ungefähr vier Mann Besatzung und ich mittendrin. Da geht es für vier bis fünf Wochen über den Teich. Wooow!!! Ich hoffe, in Kapstadt einen Skipper zu finden, der mich von dort nach Brasilien, Venezuela oder in die Karibik mitnimmt. 
Nun, den Hubschrauber habe ich nur hingeschrieben, weil er mir gerade eingefallen war. Keine ernstzunehmende Option.

Flugzeug? Ja, ich liebe das Fliegen. Idealerweise jedoch am Steuerknüppel und nicht auf einem teuer bezahlten Sitzplatz in der Holzklasse. Aber ein klares 'Nein' für meine Weltreise. Denn in 10.000 Metern Höhe verpasst du alles, was zwischen Abflug und Landung liegt. Dafür ist mir die Reise zu schade. Manchmal lässt sich dieses Transportmittel allerdings nicht vermeiden, wenn man zum Beispiel von Ägypten nach Äthiopien will und in allen Ländern die dazwischen liegen, rumgeballert wird. Dann muss ich halt einmal in den sauren Apfel beißen und fliegen.

Der Zug TAZARA
TAZARA ist das Akronym von 'Tanzania-Zambia Railway Authority', der Behörde, die den Zugverkehr auf der 1.860 km langen Strecke zwischen Sambia und Tansania betreibt.

Es handelt sich hierbei um eine einspurige Bahnlinie zwischen New Kapiri-Mposhi im Kupfergürtel Sambias und der Hafenstadt Dar Es Salaam in Tansania. Die Strecke wurde in den 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts für den Transport des Kupfers von den Minen- und Kupferhütten in Sambia zur Verschiffung von Chinesischen Unternehmen errichtet. Neben dem Güterverkehr gibt es auch Passagiertransport. Seit dem Bau dieser Linie, so scheint es mir, hat man in die Erhaltung der Bahnhöfe, der Waggons und in die Infrastruktur, zum Beispiel die Gleise, nicht mehr viel investiert. Die Bausubstanz der Bahnhöfe ist... nun ja. Intensive Begegnung mit Waggon- und Gleiszustand bekomme ich auf den zwei Fahrten, von Dar Es Salaam nach Mbeya - beide Städte in Tansania und eine Woche später von Mbeya bis zur Endstation New Kapiri-Mposhi in Sambia.

Die Fahrt beginnt mit dem Kauf des Tickets
Die TAZARA Internetseite, auf der ich ziemlich lange suchen musste, bis ich die nötigen Informationen gefunden hatte (meine Empfehlung: nicht aufgeben), empfiehlt mindestens zwei Wochen im Voraus das Ticket zu kaufen, weil nur zwei Züge pro Woche eingesetzt werden (Dienstags und Freitags) uns die Züge daher manchmal so weit im Voraus ausgebucht sind. Darum mache ich mich am ersten Tag nach meiner Ankunft in Dar Es Salaam auf den Weg zum Bahnhof. Denn die Tickets gibt es nur dort zu kaufen. Ich splitte die Reise, weil ich einen Zwischenstopp am Malawisee einlegen will und kaufe heute,  am 28. August 2023 ein Ticket von Dar Es Salaam bis Mbeya.

Dieser Zug bietet drei Klassen: Erste und Zweite Klasse als Schlafwagen für vier, respektive sechs Personen. Diese Tickets werden an einem anderen Schalter, als die der Standard-Klasse verkauft. Am Schalter für die Standard-Klasse steht eine sehr lange Schlange von Fahrgästen. Die Standard-Klasse fährt mit sechs Sitzen pro Sitzreihe. Vor dem Schalter für die Erste und Zweite Klasse stehen sehr wenige Kunden, manchmal gar keine. Diese Leute haben überwiegend helle Hautfarbe und sind erkennbar keine Afrikaner. Also passe ich perfekt ins Schema, auch wenn ich mich lieber in die Reihe der Locals einreihen würde. Angesichts der langen Fahrt, hat das Weichei in mir gesiegt und mich zu einer etwas komfortableren Zugfahrt überredet. Ich habe Glück und bekomme ein Ticket für die Zweite Klasse und damit ein Bett - okay,  es ist eine Liege. Die Erste Klasse ist bereits ausgebucht. Für mich ist die Zweite Klasse völlig okay. Ich bin happy über meine Fahrkarte für nächsten Freitag, den 1. September. Ich bekomme die Fahrkarte mit dem freundlichen und sehr nachdrücklichen Hinweis, spätestens 75 Minuten, besser 90 Minuten vor der Abfahrt am Bahnhof zu sein, überreicht. Alles klar, das kriegen wir schon hin.

Am Freitagmorgen verabschiede ich mich von Jerry, meinem Gastgeber und Freund, der mir sehr ans Herz gewachsen ist,
und zwänge mich in einen der vielen schrottreifen und doch fahrtüchtigen Minibusse in Richtung Bahnhof. Ich habe massenhaft Zeit, um bis zum Nachmittag 14.00 Uhr am Bahnhof zu sein. Gegen 11.00 Uhr bin ich schließlich auch da. Die Zeit verbringe ich mit einem Rundgang über den Bahnhof und die Bahnsteige. Außer ein paar verlassen dastehende Waggons, ist von einem richtigen Zug weit und breit nichts zu sehen. Die übrige Zeit vergeht mit mit Gesprächen mit Leuten, die ebenfalls auf den Zug warten und mit Daddeln am Handy. Gegen 14.30 Uhr verkündet die Bahnhofsvorsteherin, dass der Zug heute ersatzlos gestrichen wurde. Na toll. Um mir wiederholt einen Platz im Zug für nächste Woche zu sichern, mache ich mich eiligst zum Ticketschalter, damit mir nicht womöglich jemand anders den letzten Platz vor der Nase wegschnappt. Puuuh... es hat geklappt und ich habe mein Ticket für eine Woche später. Die Zeit bis dahin verbringe ich kurzerhand auf Sansibar.

Am Freitag, den 8. September 2023 bin ich wieder super-pünktlich am Bahnhof. Zwei Mädels, Medizinstudentinnen aus Deutschland, die in Malawi ein Praktikum absolvieren wollen, warten ebenfalls auf den Zug. Und heute fällt der Zug nicht aus, er steht im Bahnhof.

Mit einer Lautsprecheransage werden die Gittertore zu den Bahnsteigen geöffnet und der große Ansturm auf den Zug bricht los. Ich lasse mir Zeit und schaue mir das Gewusel der Leute an, denn ich habe meinen zugewiesenen Sitzplatz, beziehungsweise Liegeplatz: Bett 4, Abteil 8 in Waggon Nummer 2202.

Mitreisende

Als ich einsteige, bin ich allein. Erst kommen dann zwei junge Japaner und etwas später steigen zwei schwarze Afrikaner zu, von denen der eine eine riesige Bütt dabei hat, die den Platz einer der beiden oberen Liegen einnimmt. Damit ist das Abteil voll! Noch vor der Abfahrt fängt einer der beiden Afrikaner an zu jammern und will sich schon jetzt auf eine Liege legen. Er ruft den für unseren Waggon zuständigen Zugbegleiter, um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Seine Liege ist eine der beiden Mittleren. Es ist jetzt am Spätnachmittag bullig warm im Abteil. Also will er unten liegen und gibt vor, krank zu sein und Bauchschmerzen zu haben. Dramatisch zeigt er das Foto einer Verletzung, die ich keinem Körperteil eindeutig zuordnen kann, auf seinem Handy in die Runde. Ich kann ihm die Story beim besten Willen nicht abnehmen, wenn ich bedenke, mit welchem Elan er zuvor die Bütt auf die obere Liege gewuppt hat. Schließlich weist der Zugbegleiter jedem im Abteil einen neuen Platz zu, mit dem kranken Menschen zu unterst - und dann ist endlich Ruhe im Karton. Nun liegt er da, wo eigentlich Drei sitzen sollten. Vier Kerle teilen sich den Platz von Dreien, und ich gehe auf Entdeckungsreise durch den Zug. Als ich zurück komme, hat sich unser Simulator etwas zusammengerollt und schläft. Beste Gelegenheit, mich am Fensterplatz heimisch einzurichten.

Der Zug ist pünktlich um 14:50 Uhr abgefahren und ich widme mich der verschwindenden Stadt Dar Es Salaam. Weitläufig verteilt sind einfache Häuschen mit Blechdächern und eckige und runde Hütten zu sehen. Für Kinder scheint der Zug eine Sensation zu sein, da Personenzüge nur viermal pro Woche vorbei fahren, zwei je Richtung. Die Kinder winken wie verrückt, manche versuchen sich mit einem Wettlauf - barfuß natürlich.

Reiseerfahrungen Etappe Eins
Auch während der Fahrt bleibt es super warm im Abteil. Da hilft nur, die Fenster herunter zu ziehen, was problematisch ist, weil es leicht verkantet. Hat man es endlich geschafft, das Fenster herunter zu ziehen, zieht eine Rückholfeder das Ganzewieder hoch.
Die erfinderischen Afrikaner klemmen einfach eine Plastikflasche ins Fenster und schon bleibt es unten. Der Name TAZARA könnte eigentlich auch Programm sein: 🎶 Taza...Rara...Taza...Rara 🎶. Ein Geräusch, nein, ein ohrenbetäubender Lärm begleitet uns die ganze Fahrt. Das Gefühl während der Fahrt erinnert mich stark an eine Achterbahn. Wir werden auf und ab und hin und her geschüttelt. Allerdings gibt es hier keinen Sicherungsbügel, der dich fest einklemmt und am Platz hält. Die Kupplungsstelle von einem Waggon zum anderen kann ich Hübe von mindestens 50 cm und gleichzeitigen seitlichen Versetzungen der gleichen Größenordnung beobachten. Zuweilen hat man wirklich eine große Stufe zu überwinden, wenn man von einem zum anderen Waggon über die Kupplungsstelle geht.


Die Technik aus Chinesischer Produktion der 70er Jahre läuft Woche für Woche scheinbar ohne jede Instandhaltzung oder Modernisierung- weiter und weiter. Die Wagen schaukeln und stampfen unter Ausnutzung der vorhandenen Federwege, die gelegentlich zu 100% voll ausgeschöpft werden, was an harten Aufsetzern klar erkennbar ist. Je schneller der Zug fährt, umso härter die Aufsetzer.Aber was heißt hier 'schnell'? Ich würde sagen, so bei 80 km/h. Überwiegend fahren wir aber so um die 50 km/h, nur auf wenigen Strecken ist der Zug schneller unterwegs, ansonsten oft langsamer. Gerne bleibt mein Zug auch auf freier Strecke einfach mal stehen, wohl um sich für eine halbe oder dreiviertel Stunde zu erholen. 

Normal-aufrechtes Stehen birgt die ständig die Gefahr, sich irgendwo den Kopf zu stoßen. So werde ich hin und her geworfen. Darum muss ich die Stöße mit abgewinkelten Knien abfedern. Dann sehe wohl aus wie ein Tibetischer Mönch in Kampfstellung. Eine Zeitlang frage ich mich, ob die technische Meisterleistung des Zuges unter diesen Bedingungen auch entgleisen kann. Ein Zugbegleiter sieht mich auf dem Gang stehen, wie ich die Hebungen und Senkungen beobachte und scheint meine Gedanken lesen zu können. "This is normal. Don't worry!" bekomme ich zu hören. Es dauert auch gar nicht einmal so lange, und ich habe mich daran gewöhnt. Im Gang stehend, ist das Auf und Ab manchmal so heftig, dass die Füße schon mal den Kontakt zum Boden verlieren. Wer sich nicht festhält, fliegt umher.
Trotzdem verbringe ich die meiste Zeit im Gang. Erstens, weil das Doppelglas-Fenster im Abteil derart dauerbeschlagen ist, dass man definitiv nichts dahinter erkennen kann. Zweitens lässt es sich im Abteil gar nicht gut sitzen, jedenfalls nicht auf Dauer, weil die mittleren Liegen am Tage hochgeklappt sind, aber nicht senkrecht, sondern schräg. Die Scharniere befinden sich bezogen auf meine Körpergröße in Nackenhöhe, so dass mein Kopf stets etwas nach vorn gewinkelt ist, wenn ich mich zurück lehne. Auf die Dauer ist das echt unangenehm. So sitze ich - solange die Liegen nicht herunter geklappt sind, auf der Vorderkante der unteren Bank und ohne die Rückenlehne zu benutzen. 
Oder ich bin im Gang oder im Speisewagen. Apropos Speisewagen. Dieser Zug hat nicht nur einen Speisewagen, in dem richtig leckeres Essen serviert wird, nein es gibt auch noch einen Partywagen! Also einen Waggon, der direkt an den Speisewagen gekoppelt ist, wo laute Musik läuft und man Bier und andere alkoholische Getränke bekommen kann. Als Sitzmöglichkeit hast du hier chillige Sofas, die natürlich wie alles im ganzen Zug, mit Kunststoff bezogen sind. Wegen der Lautstärke, halte ich mich lieber im Speisewagen auf, ziehe das Fenster herunter und stecke meinen Kopf hinaus, wie dieser nette Chinese.

Kommen wir zu einem Thema, bei das bei ganz vielen Reiseberichten geflissentlich übergangen wird, für mich jedoch einen wichtigen Teil menschlichen Daseins betrifft: Toiletten und Hygiene. Über Restaurants wird geschwärmt, dass sich die Balken biegen. Aber irgendwo muss doch auch bleiben, was oben reingeht...! Wir erinnern uns an die Lochplatten im Boden, wie ich sie in Frankreich, Marokko, Mauretanien, Äthiopien und Tansania vorgefunden habe und starken Widerwillen in mir erzeugen. Nun fährt der TAZARA Train ja zwischen Tansania und Sambia und ist somit ein Internationaler Zug. Und ich hoffe, dass man in Sambia keine Lochplatten sondern Sitzklos kennt. Darum bin ich ganz zuversichtlich, dass der Internationale Zug das Sitzklo oder vielleicht auch beide Varianten anbietet. Ich bin neugierig und schaue nach. "Ach du liebe Sch...e". Hier gibt es einen großen, sauber abgespritzten Edelstahlboden mit einer Vertiefung und dem gräuslichen Loch darin. Ich kann bis aufs Gleisbett hinunter sehen.  Uuuuaaahhh....!!! Meine Geschäfte, die sich aufgrund des abendlichen und morgendlichen Restaurantbesuchs, nicht ohne weiteres verschieben lassen, müssen also abgewickelt werden. Ich schließe mich ein und entledige mich vom Gürtel abwärts bis auf die Sandalen komplett. Den Rest überlasse ich des Lesers Fantasie, einschließlich der Treffsicherheit des Loches sowohl im Stehen des Feuerwehrstrahls als auch im Hocken zur Feststoffentsorgung bei unerwartetem Ruckeln und Stampfen des Wagens. Gott sei Dank gibt es einen Wasserschlauch für Spülzwecke.

Um 19 Uhr ist es dunkel draußen und ich lege mich auf meine Pritsche. Was soll ich jetzt tun? Na klar, Blog schreiben. Das mache ich meistens, wenn ich Leerlauf habe und nicht gerade mit Gucken, Staunen und mit anderen Leuten beschäftigt bin. Jetzt jedoch stellt sich als Herausforderung dar. Das ewige Geschüttel macht das Tippen auf der Smartphone-Tastatur zur Sisyphusaufgabe. Irgendwann gebe ich es auf und versuche bei der Hitze zu schlafen. By-the-way, der an der Decke installierte Ventilator funktioniert nicht. Aber das monotone Rattern und Geschüttel lässt mich dennoch schnell einschlafen. Als ich aufwache, denke ich, die Nacht ist rum. Ich fühle mich erholt. Aber es ist noch dunkel draußen und es hst sich erfreulich abgekühlt. Ich freue mich auf die ersten Sonnenstrahlen. Wo ist meine Uhr? Ach dort unter dem Tischchen sehe ich sie, wo die Geräte geschützt sind. Unser 'kranker' Afrikaner hat meine Ladestation für Uhr und Hörgeräte dort stationiert. Sehr aufmerksam. Es ist gerade drei Uhr in der Früh. Eine Stunde Handy daddeln hilft, wieder etwas müde zu werden und ich schlafe wieder ein. Als ich wieder wach werde, ist es hell und eine prächtige Landschaft zieht an uns vorbei. Trocknene Savanne und dichtes, saftiges Grün wechseln sich ab. Nach dem Frühstück im Speisewagen stecke ich stundenlang meinen Kopf hinaus und kann mich kaum satt sehen, wie sich die Bahnlinie sich durch Berge und Täler schlängelt. Hin und wieder gibt es auch abgebrannt Flächen. Termitenhügel ragen wie Türme hoch aus dem Boden.

Um 16.20 Uhr, nach über 25 Stunden Fahrt und vielen Stopps erreicht der Zug Mbeya, eine Millionenstadt in trockenem, gebirgigen Gelände im Westen Tansanias.

Nun gibt es eine Pause am Malawisee (hier nachzulesen) von einer Woche, bis ich die Reise mit dem TAZARA Train nach Sambia fortsetze.

Ich eile zum Fahrkartenschalter um mir mein Ticket für die nächste Woche zu sichern. Schließlich habe ich nicht vor, zwei oder noch mehr Wochen hier festzusitzen, nur weil die Züge ausgebucht sind. Aber der Beamte am Fahrkartenschalter verkauft mir keinen Fahrschein. Ich solle am Tag der Abreise das Ticket kaufen. Na tolle Wurst. Und was, wenn der Zug dann auf den letzten Platz besetzt ist??? Der Typ lässt sich schließlich darauf ein, sich eine Notiz auf einem Zettel für meine Reservierung zu machen...und gibt mir den Zettel, den ich von nun an hüte, wie meinen Augapfel.

Zweite Etappe bis Sambia

Von Mbeya nach New Kapiri-Mposhi
Samstag, 16. September 2023. Für die geplante Abfahrt um 14:00 Uhr wird gegen 13:30 Uhr eine Verspätung von ungefähr zwei Stunden angekündigt. Afrika bedeutet warten können! Immer und überall. Die Bahnhofshalle ist voll mit Reisenden, aber nicht einer, der sich über die Neuigkeit aufregt. Tatsächlich setzt sich der Zug um 16:50 Uhr in Richtung Sambia in Bewegung, allerdings ohne die vielen Reisenden, die ich am Bahnhof gesehen hatte. Der Zug ist fast leer. Mir wird langsam klar, dass viele Locals zwischen Dar Es Salaam und Mbeya oder anderen Orten in Tansania pendeln, dass es aber nur wenige Grenzgänger gibt. Diejenigen, die ich im Zug antreffe, sind Sambianer, die nach Hause fahren, oder Menschen mit Asiatischen oder Europäischen Aussehen.

Grenze und die Formalitäten
Bald wird es wieder dunkel. Irgendwann in der Nacht - ich habe nicht auf die Uhr geschaut, kommt der Zug zum Stillstand. Es ist der Bahnhof von Tunduma, der Grenze auf der Tansanischen Seite der Grenze nach Sambia. Eine Ansage habe ich nicht mitbekommen, falls es überhaupt eine gegeben hat - jedenfalls strömen die Fahrgäste alle in eine Richtung durch die Gänge. Da ich ein Mensch bin, folge ich dem Herdentrieb, der gerade in mir zum Leben erwacht ist. Hier gibt es den Ausreisestempel, erfahre ich.

Alle müssen raus. Doch da ist kein Bahnsteig. Stattdessen steht dem Nachbargleis ein weiterer Zug. Wir klettern bis in den Schotter des Gleisbettes hinunter - auch die dicke Muddi vor mir, die ihr Gewicht nur mit zwei Helferinnen bewältigen kann. Die letzte Sprosse ist ziemlich hoch über dem Gleisbett, was eine Herausforderung für die Dame darstellt. Es dauert. Die beiden Helferinnen haben sich unten aufgestellt, um die Dicke eventuell aufzufangen. Im Geiste habe ich die Drei schon zusammen wie Dominosteine neben den Gleisen liegen sehen. Von dort also wieder rauf in den Nachbarzug kraxeln, um auf der anderen Seite, wo sich der Bahnsteig befindet, wieder raus zur Wartehalle zu gelangen.

Von den Leuten, die hier in der dunklen Wartehalle, die nur von sechs  leuchtenden LED-Lampen spärlich beleuchtet wird, herumstehen, sind nur noch ein Drittel mit dunkler Hautfarbe. Die anderen sind weiß.

Es ist ein unglaublicher Ort für einen Grenzposten, eine Bahnhofshalle ganz dürftig beleuchtet und einem kleinen Tischchen, der völlig überladen ist mit Registerbüchern und anderem Papier und an dem zwei Grenzbeamte sitzen, die den Fahrgäste ihren Ausreisestempel verpassen.

Mit dem Exit-Stempel geht's zurück in den Zug, der nun zwanzig Minuten bis zum nächsten Bahnhof rollt um am Sambianische Grenzposten zu stoppen. Halleluja, hier ist ein Bahnsteig und viel Licht. Der Unterschied ist krass und erinnert mich an Deutschland zwischen Ost und West vor vielen Jahren. Und hier wächst mir Sambia ans Herz: es gibt einen Einreisestempel in den Pass ohne viele Fragen und ohne irgendeine Gebühr ❤️. Das hat es bisher noch in keinem Land in Afrika gegeben.

Dann geht die Reise weiter. Am Tag fällt mir ein großer Unterschied in der Landschaft auf: fast sämtliche Flächen sind verkohlt und schwarz. Zwar haben Bäume auch grüne Triebe, aber alles trockene Gras ist abgefackelt und hat offensichtlich auch machem niedrigen Gehölz den Garaus gemacht. Bäume und Gewächse höher als drei Meter scheinen vom Buschfeuer unversehrt zu bleiben. Wie ich später erfahre, werden alle Buschfeuer mit der Absicht angezündet, um die Vegetation in der Regenzeit zu fördern. Offenbar habt Tansania darüber eine andere Auffassung, da es dort eben nicht diese abgebrannten Flächen gibt. 

Wieder gibt es etliche Stopps unterwegs und wir erreichen New Kapiri-Mposhi nach knapp 34 Stunden mitten in der Nacht um 1:40 Uhr. Das bedeutet warten bis zum Morgen. Obwohl ein halbes Dutzend Busse für die Fahrt nach Lusaka bereit stehen, fahren sie erst gegen 5:30 Uhr ab.

Fazit
Der Erlebnisfaktor dieser Bahnreise ist 100% Mega. Ich würde es jederzeit wieder machen. Die ganze Tour ohne Unterbrechung zu unternehmen, würde für mich wegen der ungünstigen Anordnung der mittleren Liegen nur in der ersten Klasse infrage kommen. Klimaanlagen sucht man im ganzen Zug vergebens. Die Kosten von umgerechnet 49 US Dollar finde ich absolut preisgünstig. Auch wenn es anstrengend sein mag, meiner Meinung nach ist es die Reise wert.

Samstag, 14. Oktober 2023

Tansania


Kenia-Tansania Landesgrenze
26. August 2023. Die Grenzbeamten beider Länder sind in einem Gebäude untergebracht.  Allerdings ist die Einreise nach Tansania von Kenia kommend an eine Bedingung geknüpft: die Gelbfieber-Impfung. Darum muss man am Eingang des Gebäudes an einer Gesundheitspolizei vorbei. Der überaus freundliche Beamte erklärt mir, dass Kenia derzeit nicht frei von Gelbfieber sei und Tansania an der Einschleppung derselben kein Interesse habe. Dr. Parpart, mein Hausarzt in meinem Heimatdorf Ahlerstedt, hatte  mir in weiser Voraussicht dafür den richtigen Schuß gesetzt 💉 und ich krame meinen Impfausweis hervor. Bei der Durchsicht meines Passes und des Impfausweises sagt mir der Beamte "Sie brauchen ja gar keine Impfung mehr, Sie sind ja schon über sechzig!" Mann Alter, das hat aber gesessen... Es wäre kaum schlimmer gewesen, wenn er gesagt hätte 'Haben Sie schon einen Platz im Altenheim beantragt?'.

Innen im Gebäude ist ein Wartesaal wie am Gate eines Flughafens, eine Menge Sitzbänke - aber alle leer. Dann gibt es einen großen Glaskasten mit gläsernen Abteilungen darin. Das sind die Immigrationsbüros, links für Kenia, rechts für Tansania. Ich stelle mich vor das Kenianische Fenster, um meinen Ausreisestempel zu erhalten. Nach zwei Minuten gehe ich mit dem ausgestempelten Reisepass fünf Schritte weiter zum Tansanischen Fenster. Hier gebe ich mein ausgedrucktes eVisum ab und hinter der Glasscheibe entsteht nach und nach eine Versammlung von uniformierten Menschen. Immer noch jemand wird hinzu geholt. Schließlich kommt einer von ihnen heraus zu mir und erklärt mir, dass ich nicht nach Tansania einreisen könne. Nanu, "what's wrong?" will ich wissen. Er fängt an, Fragen zu stellen, wer das Visum beantragt hätte. Selbst gemacht - Marke Eigenbau, von Deutschland aus. Warum ich das Einreisedatum 1. Sep. 2023 gewählt hätte und heute erst der 26. August ist, will er wissen. Ich gebe zur Antwort, dass ich im Vorhinein nur ungefähre Angaben habe machen können. Er erklärt, dass ich nicht vor dem beantragten Datum einreisen dürfe. So ist halt das Gesetz! Tja, Herr Beamter, zurück nach Kenia für fünf Tage kann ich nicht, weil ich bereits ausgestempelt bin. Die Tage hier in der Wartehalle verbringen... hmmm! Was kann ich tun, um den Tansanischen Behörden zu helfen? Der Mann schaut mich eine Minute lang schweigend an und verschwindet dann mit meinem Pass wieder durch die gläserne Tür. Dann sehe ich ihn dort mit einigen Kollegen diskutieren, dann telefoniert er eine Weile und kommt schließlich zurück und überreicht mir wortlos den mit Einreisestempel versehenen Reisepass. Danke und tschüss!!! Wieder was gelernt.

Dann bin ich wieder draußen vor dem dualen Grenzgebäude und befinde mich auf einem großen Parkplatz voller LKW. Vergeblich suchen meine Augen einen Busbahnhof. Ich frage mich, ob wohl einer der LKW-Fahrer bereit ist, mich bis Dar Es Salaam oder wenigstens in eine der nächst gelegenen Städte mitzunehmen? Fast alle LKW sind herrenlos, also ohne Fahrer. Ich schreite voller Enthusiasmus zum Ausfahrtstor des Grenzgeländes. Da müssen ja schließlich alle LKW durch. Da ich der einzige Grenzgänger zu Fuß bin, gibt's leider niemanden, der ein ähnliches Problem hat und den ich fragen kann, wie man von hier weg kommen könnte. Am Tor kommt gerade ein LKW von hinten und das Tor wird geöffnet. Ich drehe mich um und bedeute dem Fahrer anzuhalten. Er bleibt neben mir stehen und ich frage ihn um eine Mitfahgelegenheit. Ich bin derart auf meine Frage konzentriert,  dass ich nicht bemerkt habe, dass da schon drei neben dem Fahrer sitzen. Okay, passt also nicht. Das Gleiche wiederholt sich draußen vor dem Tor noch zwei Mal. Dann habe ich Glück mit Alex, ein Fahrer aus Mombasa, der Baumaterialien aus Tansania nach Kenia importiert. Zwar muss er erstmal den Beifahrersitz von allerlei Spanngurten und anderen Gerätschaften frei räumen, aber dann hievt er mit einem kräftigen Griff meinen 20Kg-Rucksack auf die Schlafpritsche hinter den Sitzen. 
Er sagt, dass er es von Zuhause in Kenia so kennt,  dass man den, der um Hilfe bittet, die Hilfe nach besten Kräften zuteil werden lässt. Deshalb habe er nicht gezögert, mich mitzunehmen. Allerdings fährt er nicht ganz bis Dar Es Salaam, sondern biegt vorher ab. "Aber ich kümmere mich auf jeden Fall darum, dass du eine weitere Mitfahrgelegenheit bekommst und nicht auf der Straße stehen bleiben musst ". Tolle Ansage, finde ich. An der Abzweigung, an der ich aussteigen muss, gibt es einige Minibusse, von denen Alex mir den richtigen Bus nach Tanga zuweist. Zwischen Tanga und Dar Es Salaam gibt es regelmäßigen Busverkehr mit 'richtigen' Bussen, Linienbusse mit Komfort. Alex instruiert den Minibus-Fahrer, much dort abzusetzen, wo die Linienbusse abfahren. Was für eine Hilfsbereitschaft. Ich bin geradezu von den Socken. Kurzer Abschied - und weg ist mein LKW-Alex. Von hier geht's also weiter per Minibus bis Tanga.
By-the-way, Minibusse kennt man in Tansania nicht als Minibusse, sondern als
Daladala. Bitte merken!

Tanga ist eine Stadt und kein Schlüpfer aus drei Schüren
Der Daladala-Bahnhof ist - wie überall - absolutes Chaos. Jedenfalls für mich. Erstens, wo befinde ich mich hier und wo ist der Linienbus-Bahnhof? Linienbusse heißen Basi. Merken! Denn das Suaheli ist hier noch dominanter als in Kenia. Hier stößt man mit der Englischen Sprache schon recht bald an die Grenze der Kommunikationsmöglichkeiten. Zurück zum Daladala-Bahnhof. Busse kommen und gehen, ohne das Hinweisschilder irgendwelche Zielorte nennen. Ohne Google-Maps biste voll aufgeschmissen. Und jetzt bin ich aufgeschmissen, obwohl ich Google-Maps geöffnet habe. Aber ohne Tansanisches Geld gibt es keine SIM-Karte. Internet ist vorerst noch Fehlanzeige. Im Chaos des Busterminals hier sind hier massenhaft Leute, die entweder selbst unterwegs sind oder solche, die einem ihre Hilfe anbieten wollen, aber kaum ein Wort englisch sprechen können: "ey...Dar Es Salaam?" scheint eine vollständige, eindeutige und klare Frage zu sein. Mein Busfahrer erklärt dem Typen, der mir die obige Frage gestellt hat, dass ich zum Linienbus gebracht werden müsste. Und schon bin ich meinen Rucksack los, weil der Typ sich den sofort ohne zu fragen geschnappt und auf seine Schulter genommen hat. Na gut, umsonst wird er das gewiss nicht machen. Soviel ist jetzt schon mal klar. Also mache ich mit ihm wir auch gleich den komplette Rundgang: Geldautomaten, SIM-Karte und Linienbusticket. Ohne Geldautomat gibt's eh keine Kohle. Er ist im Zugzwang, in möglichst kleinem Umkreis die erforderlichen Stationen abzugrasen. Zum Schluss kommt der Ticketschalter. Der Typ will mir helfen und sagt, dass das Ticket 30.000 Tansanische Schilling kostet. Ich gebe sie ihm und am Schalter quatscht er auf Suaheli mit den beiden Damen. Klar, mit seinem Englisch ist es wirklich nicht weit her. Bis zum Bus sind es vom Ticketschalter noch gut 200m zu laufen. Ich bin froh, dass jemand anders meinen Rucksack schleppt, und ich frage, wieviel er nun haben möchte. "Zwanzigtausend" bekomme ich zu hören. "Hör zu", sage ich und bleibe dabei mitten auf einer Kreuzung stehen, "wir gehen jetzt soweit wieder zurück, bis wir bei 5.000 Schilling angekommen sind. Mehr zahle ich nämlich nicht! Von dort schleppe ich meinen Rucksack dann selbst zum Linienbus." Ach du meine Güte... jetzt lerne ich seine ganze Familie mit einem halben Dutzend kleiner Kinder, die alle am Hungertuch nagen, und dass die Frau todkrank sei, und vieles mehr. Holla, die Waldfee - wo hast du so schnell Englisch gelernt? Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, wie seine ganze familiäre Not plötzlich auf Englisch aus ihm heraus sprudelt. Wir einigen uns schließlich auf 10.000 Schilling und ich stecke ihm weitere 5.000 hinzu, weil er sich ohne weiteres Nölen mit den 10.000 zufrieden gibt. Kurz bevor ich den Bus besteige, schaue ich mir erstmals Ticket an, um es dem Busfahrer zu zeigen. Da steht auf dem Ticket ein Preis von 20.000 Schilling. Alter Schwede, zehntausend Tacken auf freundliche Weise in die eigene Tasche gewirtschaftet. Ich schaue ihm tief in die Augen und halte das Ticket vor seine Nase. Solche Helfer sind mir suspekt undwerden nicht meine Freunde! Enttäuscht über meine eigene Unbedachtheit bin ich in den Bus gestiegen. Man lernt nicht aus. Tschau und bye-bye Tanga.

Couchsurfing in Dar Es Salaam
Es ist halb acht am Abend, als der Bus nach Dar Es Salaam einfährt, doch es ist bereits zappenduster. Und ein Verkehr, mammamia... Ich ahne, dass es bis zur Endstation deutlich länger dauert, als Google-Maps es mir ausrechnet. Um 22 Uhr bin ich schließlich bei meinem Couchsurfing-Gastgeber Jeremiah, der sich als Jerry vorstellt, ein gutaussehender, junger dynamischer Mann. Jerry erklärt mir sogleich, dass er Deutsch lernt, auf Duolingo und im Goethe-Institut. Ein paar Floskeln hat er auch schon auf Lager: "Ich heiße Jeremiah. Du sagen Jerry!", oder "Ich hier wohnen". Wir verstehen uns auf Anhieb.

Die Wohnung... nun ja, sie besteht aus vier Zimmern, in denen sechs Kerle wohnen. Das bedeutet, dass zwei Zimmer von jeweils zwei Männern bewohnt werden. Jerry's Zimmer ist eins davon. Im Zimmer steht ein 140er Bett und eine Zweier-Couch. Dann gibt es einen Kleiderschrank und eine kleine Anrichte. Das ist alles! Oh, halt! Ein großer Ventilator steht auch noch da. Auf dem 140er Bett schlafen Jerry und ich. Der Mitbewohner des Zimmers wird auf der Couch pennen. Ach du grüne Neune. Die Couch ist so klein. Ich frage mich, wie man darauf schlafen soll. Das Badezimmer ist speziell. Die Toilette besteht aus einer Keramik-Lochplatte, wie sie mir erstmals in Südfrankreich begegnete. In Spanien konnte ich wieder sitzen - aaaah! Jetzt bin ich aber in Tansania. Hier kennt man keine Sitzklos.Mit dieser Art Toilette stehe ich total auf Kriegsfuß, weil ich nie gelernt habe, wie man das Loch bescheißt, ohne sich selbst zu bescheißen. Hinzu kommt die - wenn auch moderate, Herausforderung für die Nase. Okay, Nase zu und durch! "Wie macht ihr das mit dem Duschen?" will ich von Jerry wissen. Aus der Duschbrause kommt nämlich kein Wasser. Dafür sind die zwei Bottiche, erfahre ich. Die sollten eigentlich immer gefüllt sein. Alles im selben Raum auf 6 qm. Mich schaudert bei der Vorstellung, mir direkt neben dem anrüchigen Loch das bereitgestellte Wasser über meinen Luxusbody zu waschen.

Der erste Tag nach meiner Ankunft ist ein Sonntag und ich würde gerne die Neuapostolische Kirche in Dar Es Salaam besuchen. Weil für die Gottesdienstzeiten weder auf der Website von NAC East Africa noch in Google irgendwelche Angaben zu finden sind, nehme ich an, dass es dieselbe wie in Addis Abeba und Mombasa ist, nämlich 10.00 Uhr. Weil viele Geschwister schon eine Stunde vor Beginn da sind, um zu singen und zu musizieren, wie ich es in Mombasa gesehen habe, will ich eben auch um 9.00 Uhr dort sein. Das Erlebnis würde ich gern mitnehmen. Also bestellt Jerry bestellt für mich ein vergleichsweise günstiges Moped-Taxi für mich (4.000 Schilling = 1,52 €) zu um 8.30 Uhr, das mich zur heiligen Stätte bringt. Er meint, frühes Aufstehen sei kein Problem für ihn, wenn nur ich rechtzeitig aus den Federn komme (lach). 

Da der Standort der Kirche auf Google Maps etwas unpräzise angezeigt wird, stehen wir am 'Sie haben Ihr Ziel erreicht' vor einer geschlossenen Schweißerwerkstatt. Viele andere Gewerbebuden sind rechts und links angeordnet, nur nichts Religiöses dazwischen. Mein Pikipikifahrer meint, er hätte eine Idee. Ich solle wieder aufsitzen. Er fährt ein Stück weiter und biegt in einen Seitenweg ab. Nach einem halben Kilometer sehe ich unser NAK-Logo. Überglücklich gebe ich ihm sein Fahrgeld und verabrede mit ihm die Rückfahrt. 

Diese Kirche hat einen Anbau, in dem die Verwaltung untergebracht ist. Allerdings hatte sich meine SmartWatch aus welchem Grund auch immer auf die Mitteleuropäische Sommerzeit umgestellt und mich in gutem Glauben zu um 9.00 Uhr zur Kirche geschickt. Tatsächlich ist es erst 8.00 Uhr und bei der Ankunft steht auf dem Schild, dass der Gottesdienst am Sonntag um 10.30 beginnt. Nun habe ich richtig viel Zeit zur persönlichen Vorandacht. 
Tatsächlich kommen etliche Geschwister bereits eine Stunde vor dem Gottesdienst, um Musik zu machen. Es sind schöne altbekannte Melodien, die auch Zuhause auf dem Doosthof gesungen werden, hier aber mit einer Energie und Wucht vorgetragen werden, wie sie scheinbar nur Schwarze hervorbringen können. Auch nach dem Gottesdienst stehen sie noch lange draußen vor der Kirche und singen und singen. Mega! Ich liebe es!!!


Am Nachmittag nehmen Jerry und ich ein Tuk-Tuk, die hier Bajaj heißen, und Jerry zeigt mir den City Beach. Im Gegensatz zu den anderen Ständen der Stadt ist dieser ca. 2 km lange Strand frei zugänglich. Die anderen Strände gehören Hotels oder sind im Privatbesitz. Hier gibt es verschiedene Restaurants in Form von Zelten und Schirmen. Im Angebot stehen verschiedene Fischzubereitungen auf den Menüs. Danach steht mir gerade nicht der Sinn. Ich bestelle zwei Cokes für uns.

Jerry ist ein fleißiger Kerl. Sein Tag beginnt jeden Morgen mit einem gnadenlosen Workout gleich nach dem Aufstehen. Dann duschen, das Outfit bügeln - und los. Zurück kommt er meist erst nach 10 Uhr abends. Da bleibt zum Austausch nur das Wochenende. Also organisiere ich meine Tage selbst.

Dar Es Salaam auf eigene Faust
Die folgenden Tage bin ich auf mich allein gestellt und erkunde Dar Es Salaam auf eigene Faust. Zuerst kümmere ich mich um das Bahnticket, mit dem ich in einer Woche nach Sambia fahren will. Das Ticket gibt es nur am Bahnhof, der sechs Kilometer von Jerry's Wohnung entfernt liegt. 
ÖNPV in Dar Es Salaam
Am ersten Tag, ein Sonntag, fahre ich zur Kirche (wir berichteten, siehe oben) per Motorrad (hier: Pikipiki), also Individualverkehr. Das war dann auch meine letzte individualisierte Fahrt. Wenn doch der Großteil der Bewohner dieser Großstadt gar kein persönliches Fortbewegungsmittel besitzt (so wie ich), dann sollte ich auch ebenso wie diese Leute von A nach B kommen. Busse oder Füße!!! 
Die Pikipiki und Bajaj werden natürlich auch von Locals benutzt, aber die kosten bis zum Zehnfachen der Daladalas (500 Schilling Einheitspreis), zumindest für mich als Flucht-Europäer. Als Gegenleistung bekommst du unvergessliche Erlebnisse mit den kaputtesten und unbequemsten Fahrzeugen, die du dir vorstellen kannst.  Für 700 Schilling gibt kann das Angebot des Schnellbussystems (Blaue Linien) genutzt werden. Diese haben eigene Fahrstreifen, die von der übrigen Straße mit Bordsteinen abgetrennt sind und wo keine anderen Fahrzeuge unterwegs sind.

Diese blauen Busse sind große Gelenkbusse, wie sie in vielen westlichen Städten fahren, aber kompakter gefüllt, als Sardinenbüchsen. Umfallen ist unmöglich, wenn vor und hinter dir 'ne Muddi stehen und ihre umfassende Milchbar sich weich, aber sonst unlösbar bis zum Ausstieg - je nach Größe - um deine Schultern oder Ellenbogen schmiegen. Ähnliche Anschmiegungen muss man sich das mit dem oftmals gewaltigen Gesäß vorstellen...besonders von hinten. Du kannst dich dabei drehen und wenden wie du willst. Aus der Nummer kommst du dann auch nicht wieder raus, bis einer von beiden aussteigt. Nach einer Woche Dschungelcamp in dieser Stadt, habe ich mich dann an diese Art von Verkehr gewöhnt. 

Sehenswertes in Dar Es Salaam
Abgesehen von dem chaotischen Wirrwarr der Innenstadt, finde ich die teilweise sehr moderne Architektur der Büro- und Hotelhochhäuser  bemerkenswert, wie auch die Küstenlinie, einschließlich den Fischmarkt, das Nationalmuseum und monumentale Kirchengebäude 
Damit ist es dann aber auch schon gewesen - aus meiner Sicht. 

Nicht gemacht...
Zu gerne hätte ich mich an den Aufstieg zum Gipfel des fast 5.900 m hohen Kilimandscharo gewagt. Doch die Kosten von rund 1.500 Euro habe ich gescheut und schweren Herzens darauf verzichtet. Ebenfalls teuer sind die Safaris. Ich glaube, ich sollte mir ein Konzept zurecht legen, welche Attraktionen mir mein Geld wert sind. Da ich nicht über meine Verhältnisse leben will und auf Dauer auch nicht kann,  will ich nicht mehr ausgeben, als monatlich aufs Konto kommt. Bis zum 31. Dezember 2023 bin ich noch Gehaltsempfänger in Altersteilzeit (ATZ). Ab dem Tag danach muss ich mit der Hälfte klar kommen. Herzlichen Glückwunsch...!

Nicht gefahren...
Zurück zum Thema. Es ist Freitag, der 1. September. Mein Zug Richtung Sambia wartet auf mich. Abfahrt ist 15.50 Uhr, aber man hat mir beim Ticketkauf vor ein paar Tagen unmissverständlich deutlich gemacht, dass ich zwei Stunden vorher da sein sollte. Es ist jetzt 12.30 Uhr und damit bin ich mehr als drei Stunden vorher am Bahnhof. Nicht, dass ich jetzt alleine wäre. Nein, nein! Es sind schon etliche Fahrgäste da, die vor mir gekommen waren und ihr teilweise monströses Gepäck vor dem Zugangstor fein säuberlich aufgestellt haben.

Nach rund einer Stunde, also noch gut zwei Stunden vor der Abfahrt, kommt eine Ansage durch die Lautsprecher, aber ich verstehe nix wegen meiner Schwerhörigkeit, der schlechten Lautsprecher und des Widerhalls in der großen Wartehalle. Zehn Minuten später marschiert eine als Muslimin gekleidete Dame stattlicher Größe von einer zur anderen Sitzreihe, stellt sich als Bahnhofsvorsteherin vor und erklärt uns, dass der Zug heute wegen irgendwelcher Störung ausfällt. Wann der Zug denn dann abfahren würde, will ich wissen. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, Dinge auch mal einen Tag später zu tun. Nein, der Zug fällt komplett aus. Wie selbstverständlich bekomme ich zur Antwort,  dass der nächste Express-Zug am nächsten Freitag wieder fährt. Das Ticket kann ich zurückgeben oder umtauschen, wenn ich noch einen Platz bekommen sollte. Wie ein geölter Blitz schieße ich hinunter zum Ticketschalter, wo sich natürlich schon andere angestellt haben. Wenn mir die Langsamkeit der Bearbeitung neuer Tickets bislang nichts ausgemacht hatte, bin ich jetzt doch schon etwas nervös. Will ich doch nicht, dass jemand vor mir den letzten Platz ergattert und ich leer ausgehe. Aijajaiiii.... jetzt wird's spannend. Nur drei Leute vor mir und ich warte über eine Stunde, bis ich dran bin. Ja, beim Ticketverkauf registriert der Schalterbeamte zunächst die persönlichen Daten. Dann hat er ein Buch, das wie ein Bilanzbuch aus alten Zeiten aussieht. DIN A4 Querformat, mit Kohlepapier für den Durchschlag. Das ist für die Belegung der Waggons. Ich bekomme die Liege 3 in Abteilung 6 in Waggon 1204 zugewiesen. Das wird fein säuberlich im Bilanzbuch festgehalten - mit Durchschlag. Der Durchschlag wird während der Dokumentation mehrfach überprüft. Als alles aufgeschrieben ist, greift sich Herr Schalterbeamte, der überaus freundlich mit mir spricht und dem es nicht zuviel wird, seine Fragen und Erklärungen mehrfach zu wiederholen, weil ich kaum etwas durch das kleine kreisrunde Loch in der großen Glasscheibe verstehen kann. Manchmal klingelt sein Handy. Das scheint wichtig zu sein, denn dann geht er ran und das Ticket muss warten. Ist ja auch noch eine Woche Zeit, bis der Zug fährt. Mittlerweile weiß ich, dass ich ein Ticket in der zweiten Klasse bekomme. Die erste Klasse ist bereits ausgebucht. Endlich halte ich mein Ticket in den Händen. Ich habe den halben Weg nach Sambia bis Mbeya, das noch in Tansania liegt, gebucht. Der Reiseblog 'Hier-Da-Dort' von Gabriele und Michael über ihre Erfahrungen mit dem TAZARA Train hat mich dazu inspiriert, ebenfalls einen Abstecher zum Malawisee zu machen.

Alternative!
Schnell habe ich mich entschieden, die zusätzliche Woche auf Sansibar zu verbringen.

Sansibar ohne die berühmten zwei Säbel
Die einfache Fahrt mit der Schnellfähre von Dar Es Salaam nach Sansibar kostet 35,- US$.
Zurück dito. Da gibt es auch keinen Verhandlungsspielraum, wie ich es sonst oft habe. Binnen zwei Stunden ist man da. Bemerkenswert finde ich, dass Sansibar ein Immigrationsbüro am Hafen betreibt und alle Ausländer ihre Pässe vorlegen müssen sowie einen Registrierungszettel ausfüllen müssen. Wie bei einem Grenzübergang. Dann aber bin ich wirklich auf der berühmten Insel. Wenige Meter neben dem Ankunftsgebäude kommt auch schon eine Bar. Es ist die berühmte Freddy Mercury's Bar, die mit vielen Bildern und Accessoires an die Herkunft des Leadsängers der Popgruppe Queen erinnert.


Meine erste Übernachtung habe ich im kleinen, aber gemütlichen Shoki-Shoki Hostel, mitten in Stone Town, gebucht. Mein Rundgang durch die chillige Altstadt, mit hübschen und gut erhaltenen Kolonialbauten und ihren engen Gassen, lässt meine Erinnerungen an Marokko aufleben. Dieser Ort ist sehr stark Muslimisch geprägt, die Leute, die Märkte, die Moscheen mit ihren regelmäßigen Gebetsaufrufen, und die Bauweise - speziell die Haustüren. Eher unangenehm empfinde ich den sehr gegenwärtigen Tourismus: überall Leute mit "guck mal daaa", und geführte Gruppen, in auffallender Markenkleidung, die im eklatanten Kontrast zu den verschlissenen Klamotten der Locals stehen. 

Am Morgen des 5. September stecke ich nach vielen Monaten wieder meine Wanderstöcke zusammen und will sehen, ob ich die Insel zu Fuß schaffe. Natürlich ist mir klar, dass das eine Illusion ist: seit neun Monaten nicht mehr gepilgert, völlig andere klimatische Bedingungen und die Entfernung zum Backpackers Hostel in Jambiani beträgt 53 km. Aber mich juckt es in meinen Pilgerfüßen!!! Den Menschen auf Sansibar ist ein Wanderer mit Stöckern scheinbar super-suspekt. So wie hier bin ich noch nie angegafft worden. Mit etlichen Pausen im Schatten, um den Schweiß etwas trocknen zu lassen, ist nach 17 km Schluss. Ich halte ein Daladala (vergessen? Ist ein Minibus) an und mehr geschüttelt als gerührt komme ich am Jambiani Backpackers Hostel an. Dies Hostel ist ein kuscheliges Nest - exakt von der Sorte, über die mein Sohn Alex schwärmte, nachdem er aus Australien zurück war - bei dem Standardcontainer in U-Form aufgestellt wurden und in dessen Mitte sich die Bar mit einem Pool befindet. Auf dem Dach der Container ist eine Chill-Zone mit Kuschelecke undvielen großenKissen, Hängematten und Tische mit Steckdosen für digitale Nomaden. Hier beschließe ich, zu bleiben und nicht von Ort zu Ort über die Insel zu ziehen. Denn hier habe ich genau die Umgebung, die ich brauche, um meine noch ungeschriebenen Blog-Artikel zu schreiben. Fünf Minuten von hier liegt der feine weiße Strand zum Indischen Ozean.

Am 8.9.23 in der Früh nehme ich die erste Fähre zurück nach Dar Es Salaam, um beim 2. Versuch, nicht zu spät am Bahnhof zu sein. So bin ich um 9.30 Uhr am Bahnhof, Abfahrt 15.50 Uhr. Heute fährt er tatsächlich.

Diese Zugreise beschreibe ich in diesem Artikel separat.

Mbeya - 26 Stunden von Dar Es Salaam 
Durchgerüttelt steige ich am Samstag, den 9. September um 16.20 Uhr am Bahnhof in Mbeya aus. Im Zug hatte ich meine Optionen überschlagen und erkannt, dass die späte Ankunftszeit in Mbeya für eine Weiterreise zum Malawisee nicht mehr sinnvoll ist, denn ein Taxi dorthin kommen will. Außerdem steht der Sonntag bevor und auf Google-Maps finde ich zwei Neuapostolische Gemeinden in dieser Stadt. Das einzige, was mich wundert, ist die Tatsache, dass hier in der gebirgigen  Savannenlandschaft eine so riesige Stadt zu finden ist. Wovon leben all die Leute hier??? Für zwei Tage buche ich La-Domek Travellers Home in Mbeya. Das ist am Stadtrand und ein paar Kilometer vom Zentrum entfernt. Auf dem Weg dorthin - diesmal mit einem Taxi,  komme ich direkt an der Neuapostolische Hauptkirche der vorbei.
Ein Blick bei Google zeigt mir, dass diese Kirche dort noch gar nicht vermerkt ist. Von nun an bin ich der Neuapostolische Botschafter für Google. In der Folge entdecke ich zahlreiche Neuapostolische Kirchen, die ich bei Google registriere. La-Domek ist zwischen anderen Neubauten das auffälligste, da es hübsch gestrichen und einen grünen Rasen vor dem Haus hat. Das Zimmer ist zwar klein, aber süß und kuschelig. Aber in der Nacht brauche die Bettdecke, denn die Temperatur fällt von 28°C am Tag auf 12°C in der Nacht. Cecilia betreut mich während meines Aufenthaltes. 


Am Sonntag, man ahnt es schon, zieht es mich zur Kirche. Dort werde ich herzlich willkommen geheißen und eine Kinderschar auf der sich noch im Rohbau befindlichen Empore versammelt sich um mich. Nach dem Gottesdienst werde ich auch hier - wie schon in Mombasa - nach vorn gerufen, bekomme ein Mikro in die Hand und darf mich vorstellen, was mit Applaus quittiert wird. Ganz zum Schluss wird für eine Spende geworben, um die noch nicht fertiggestellten Gewerke, speziell elektrische Installation für Beleuchtung, Geländer an den Obergeschossen, sowie Estrich und Ausstattung der Nebenräume abschließen zu können. Vieles befindet sich noch im Rohbau. Dennoch werden dort Kindergottesdienste abgehalten.Ich habe gerne meinen Anteil dafür gegeben. Hier ein Link zum Fundraising für alle, die sich aufgrund dieses Berichtes auch beteiligen möchten.

Nach herzlichen Abschied und Abschiesfoto, helfen mir zwei Diakone, per Bajaj (Tuk-Tuk) zum Busbahnhof zu kommen. Warum sich der Busbahnhof genau auf der entgegengesetzten Seite vom Tazara Zugbahnhof der Stadt befindet,  habe ich nicht so recht verstande. Afrikanische Logik eben. Da ich erst meinen Zug nach Sambia in einer Woche reservieren will,  geht es zunächst Richtung Bahnhof und dann quer durch die Stadt zu den Bussen. Endlich bin ich in der Sardinenbüchse (Afrikanischer Minibus) auf vier Rädern, die mich für 10. 000 Schilling nach Matema am Malawisee bringt. Dreimal umsteigen, um nach Matema zu kommen. Einmal sogar mitten auf der Strecke auf freier Straße. Sonst sind die Umstiege an Stellen, wo mehrere Busse in verschiedene Richtungen abfahren. Jedesmal bange ich um meinen Rucksack. Denn ich kann es nicht immer beobachten, ob mein Rucksack auch wirklich umgeladen wird. Aber es geht gut! Für die 150 km von Mbeya nach Matema bin ich satte fünf Stunden unterwegs. Wir reden hier nicht von löcherigen Schotterpisten, sondern alles durchgehend gute asphaltierte Straßen. Aber häufig wird wegen ein- oder aussteigenden Fahrgästen gestoppt und an größeren Orten wird ein Stopp auch gerne mal 10 bis 15 Minuten ausgedehnt. Atemberaubend schön ist die vulkanische Bergwelt, durch die wir fahren. Ich klebe förmlich am Fenster. Ausgehend von der staubigen und trockenen Stadt, wo auch in der Umgebung wenig Grün zu sehen ist, wird es zunehmend grüner. Ich sehe Kartoffelfelder, die gerade abgeerntet werden, große Bananen- und Teeplantagen in herrlich saftigem Grün. Und die Afrikaner um mich herum machen irgendwelche Späße auf Suaheli über mich und die Fahrt ist super kurzweilig.

Matema am Malawisee
Nach Matema fahre ich auf blauen Dunst, denn ich kann keine Unterkunft auf Booking.com oder anderen Webseiten finden. Als ich mit Bus Nummer drei Matema erreiche, ist es bereits 19.00 Uhr und dunkel. Irgendein Motorradfahrer will mich unbedingt irgendwo hinfahren. Mit einem klaren 'Nein' bin ich ihn dann auch wieder los. Zum Glück sind in Google-Maps zwei oder drei Hotels verzeichnet. Das erste davon steuere ich zu Fuß an. Es heißt 'Matema LakeShoreResort' und wurde im oben genannten Blog erwähnt. Google-Maps Entfernung: 150 Meter.
Dafür braucht es für mich nun wirklich keinen Fahrer. Ich laufe und laufe und laufe durch die Dunkelheit...und nach gefühlten 200 Meter, sind es bei Google-Maps immer noch 150 Meter - ach halt, jetzt steht da sogar 350 Meter. Was hat Google denn für einen Algorithmus, frage ich mich. Mittlerweile bin ich weg von der asphaltierten Straße auf einem staubigen und holprigen Weg unterwegs, den ich mit meiner Handyleuchte sichtbar mache. Schemenhaft erkenne ich, dass überall große Bäume stehen. Bei fast jedem Schritt, knacken und brechen unter meinen Füßen kleinere Zweige. Dann höre ich mit einem Mal im Dunkel eine tiefe Männerstimme. Ohne Scheu gehe ich direkt auf die Stimme zu und sehe im Schein meiner kleinen Leuchte, wie ein älteres Paar vor dem Eingang ihres kleinen Häuschens sitzen,  die schwarzen Gesichter verlieren sich förmlich in der Dunkelheit. Ich frage, wo das Matema Lake Shore Hotel sei. Es ist gleich hinter seinem Haus und er führt mich durch die Dunkelheit zwischen den Bäumen hindurch bis zum Empfang. Dort angekommen, frage ich, ob man vielleicht ein Zimmer oder ein Dormitorio mit einem freien Bett für mich habe. So bekomme ich ein eigenes Zimmer mit Frühstück und einen großzügigen Rabatt von 80.000 auf 50.000 Schilling für fünf Nächte, weil es gerade außerhalb der Saison ist.


Außerhalb der Saison zeigt sich denn auch in den fünf Tagen, die ich hier verbringe. Ein Schweizer Paar, ein Tansanisches Paar und drei junge Kerle, die offenbar zwei entspannte Tage genießen wollen, sind alle Gäste, die mir hier über den Weg laufen. Dabei sind es mindestens zwanzig Ünterkünfte verschiedener Größen und Formate, sonst alle leer stehen.

Der Ort Matema ist ein kleines Fischerdorf, wo die Männer allabendlich gegen 17.00 Uhr mit ihren Einbäumen hinaus fahren und helle Lampen einschalten, mit denen die Fische an die Oberfläche gelockt werden, um sie dann zu fangen. Morgens bei 7.00 Uhr herum sehe ich die Boote wieder zurück an Land fahren. Die fingerlangen silbrigen Fische werden tagsüber auf ausgebreiteten Netzen in der Sonne getrocknet.

Die kleinen schwarzen Kinder baden fast den ganzen Tag im kristallklaren Wasser des Malawisees und spielen mit Luftballons und aus Plastikmüll gefertigten Fußbällen. Die Frauen waschen am See ihre Wäsche. Ich übrigens auch.

Nervig sind die Stromausfälle, die hier fast täglich und nächtlich vorkommen. Da sind mein Handy und die Hörgeräte zweimal morgens nicht aufgeladen. Selbst am Tage fehlt der Strom für Stunden. So kann es mit Blog schreiben nichts werden und auch nicht mit der Außenwelt zu kommunizieren. Ich mache diverse Rundgänge durchs Dorf. Doch es wird nicht besser mit der Verfügbarkeit mit dem elektrischen Strom und das veranlasst mich schließlich, einen Tag früher als geplant nach Mbeya wieder abzureisen um von dort den TAZARA nach Sambia zu nehmen. 

Zurück in Mbeya habe ich diesmal keine Unterkunft im Vorhinein gebucht. Ich will nicht so weit am Stadtrand sein. So schaue ich mich um und finde die 'Kwale Lodge' direkt neben unserem Kirchengebäude, aber auch direkt an der Hauptverkehrsader der Stadt. Es ist eine Absteige, aber mit durchgehend Strom und Internet, außerdem ein Schnäppchen, wo ich drei Nächte für 30.000 Schilling mitten in der Stadt bekomme. Hier kann ich wieder einen Blog-Artikel fertigstellen.

Dann, am 16. September geht es weiter mit dem Zug nach Sambia. Auf dem Weg zum Bahnhof kehre noch kurz ich im Livy Cocoa Shop ein. Das ist eine Handmanufaktur, die exzellente frische Schokolade mit Kakaobohnen aus Tansania herstellen mit dem Motto 'vom Baum in die Tafel'. Meine Fünf-Sterne-Empfehlung!

Am Bahnhof erlebe ich fast ein Déja-vue. Knapp zwei Stunden vor der geplanten Abfahrt kommt ein Bahnhofsmensch und erklärt den Reisenden, dass der Zug heute Verspätung von drei Stunden hat. Alle nehmen die Information zur Kenntnis und niemand regt sich auf. Gefällt mir!

Meine Kosten in Tansania 
Gesamt: 1.235.192,66 Tansanische Schilling (TZS) = 458,26 €
Verteilt auf 23 Tage: 53.704,03 TZS/Tag = 19,92 €/Tag

Meine teuersten Ausgaben:
Matema Lake Shore Resort (4 Nächte) 200.000,00 TZS = 76,00 €
2x Fährticket Dar Es Salaam - Zanzibar 175.342,66 TZS = 66,65 €
TAZARA Tickets 109.300,00 TZS = 41,50 €

Etwas Suaheli, das weiterhilft 
Sprache = Lugha
Sprechen = Kuongea
Motorrad = Pikipiki
Tuk-Tuk = Bajaj
Minibus = Daladala (Matatu Kenya)
Bus = Basi
Ich = Mimi
Du = Wewe (sg), Ninyi (pl)
Wir = Sisi
ist = Ni
bin = Nina
aus = Kutoka
Deutschland = Ujerumani
Alles gut, keine Probleme = Hakuna matata
Sehr gut = Vizuri
Glücklich, wooow = Furaha
Schwarzer Affe = Punju korwa
Affe = Punju 

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