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Donnerstag, 30. November 2023

Horst im Delta


Die Rede ist vom Okavango-Delta (Wikipedia; de/en), einem gigantisch großen Gebiet, in dem sich der Fluss des Okavango, der sein Quellgebiet in Angola hat und dessen längste Strecke auch durch Angola fließt, dann den Caprivi-Streifen von Namibia durchfließt und sich nach der Grenze von Botswana in unzählige Arme auffächert, um im Delta allmählich zu versickern und zu verdunsten, anstatt wie jeder andere, anständige Fluss, wie beispielsweise der Mississippi oder der Amazonas durch ihr jeweiliges Flussdelta ins Meer zu fließen. Es braucht eine ganze Tagesreise mit einem Bus beispielsweise, um von den äußersten Ausläufern bis zum noch ungeteilten Flusslauf des Okavango zu gelangen. 

Hahaha - ja.... mit einem Bus! Pssst - bloß gut, dass jetzt kein Botswana-Kenner zuhört, beziehungsweise mitliest. Der würde nämlich sofort sagen, wenn man anständige Straßen hätte und nicht mit kranken Bussen fährt, die auf ihrer Fahrt keine mögliche Reifenpanne auslassen, dann wäre die Entfernung auch in 4 Stunden erledigt. Tja, Recht hat er - da beißt die Maus keinen Faden ab!

Wollen wir mit der Geschichte nicht von vorne anfangen...?


Noch gar nicht lange her, da gab es einen Tag, an dem ich anfing, es für realistisch zu halten, den gesamten afrikanischen Kontinent von Norden nach Süden zu durchqueren. Da unten am südlichen afrikanischen Zipfel sind ja etliche Länder versammelt. Welches sollte ich nach dem Besuch in Sambia wählen, hatte ich mich gefragt. Irgendwo hatte ich von einem Fluß gehört, der ein Delta ausgebildet hat und dann im Landesinneren versiegt und nicht ins Meer fließt. Wooow! So etwas interessiert mich total und ich hatte mich sofort entschieden, diese Gegend zu besuchen.
Okavango-Delta in Botswana

„Also, wie komme ich am besten zum Okavango-Delta?“ wollte ich von Tom, meinem Workaway-Gastgeber in Siavonga und dem erfahrenen Trucker, der die ganzen Länder des südafrikanischen Zipfels wie seine Hosentasche kennt, wissen. Seine Empfehlung lautet: „Du gehst ins 'Elephant Trail Hostel' in Kasane. Kasane ist der erste Ort hinter der Grenze. Dort nimmst du an einer Bootssafari auf dem Chobefluss teil und bekommst da auch schon die meisten Tiere zu sehen. Von dort kannst du einen Überlandbus nach Maun nehmen. In Maun gibt’s verschiedene Anbieter, mit denen du ins Delta kommst.“

31. Oktober 2023. 
Gesagt, getan. Die Grenze von Sambia nach Botswana ist easy going. Mit dem Sammeltaxi geht's von Livingstone zum Grenzposten. Ein gemeinsames Grenzgebäude macht den Prozess schnell und unbürokratisch. Erst den Exit-Stempel von Sambia abholen, dann zu Fuß zum Grenzposten von Botswana um den Einmarsch-Stempel von Botswana zu bekommen. Keine Fragen, keine Gebühren! Herrlich, wo ist das Problem?

Huch, ein Ortsschild???
Portal nach Botswana

Gleich hinter dem Portal mache ich mich auf die Suche nach einem freundlichen LKW-Fahrer, der mich mitnehmen würde. Doch bevor ich einen solchen überhaupt finde, drängt ein Minibus aus der Fahrzeugschlange zu mir und der schwarze Fahrer fragt, wohin ich will. Bevor ich antworten kann, bittet er mich einzusteigen. Alles klar, diese Anwerbungsmethoden kenne ich inzwischen. Ich winke dankend ab und wende meine Augen in Richtung Trucks. Und davon gibt es hier einige. Ich bin jedoch nicht überrascht, als ich merke, dass der Minibusfahrer nicht locker lässt und mehrmals nachhakt. Ich denke, was der kann, das kann ich auch und beginne ihn komplett zu ignorieren. Manchmal kann Schwerhörigkeit ein Segen sein… 

In diesem Fall ist es jedoch das Gegenteil davon, denn ein weißer Mitfahrer im Bus muss extra aussteigen und mich auf Deutsch ansprechen, damit ich eine Reaktion gebe. Sie seien eine Familie, hätten noch Platz im Bus, und ob sie mir eine kostenlose Mitfahrgelegenheit bis Kasane anbieten dürften. Der Bus fährt nur für sie und der Fahrer würde mich im Ort überall hin bringen, wohin ich wollte - er ist bereits bezahlt. O-haue-haue-ha - so überrascht ich auch bin, spüre ich, wie unhöflich ich mich verhalten habe und fühle ich mich doch einigermaßen schuldig darüber. Schlagartig wird mir bewusst, dass eine klare Ansprache an den Fahrer, auch wenn er  ein anderer hätte sein können, der einfach nur mit zahlenden Fahrgästen seinen Buss füllen möchte, die Situation schon im ersten Moment geklärt gewesen wäre. Das ist auf jeden Fall eine Lernlektion für heute: jedem, auch dem hartnäckigsten Menschen respektvoll, entschlossen und klar anstatt genervt zu begegnen. 

Rucksack im Eimer

Kaum bin ich in Kasane - Problem! Es scheint, als hätte ich heute morgen mit meiner Aktion mit dem Busfahrer negative Energie zu mir gezogen. Die Schnalle des Hüftgurtes, der das ganze Gewicht meines Rucksacks trägt, war in der Tür eingeklemmt und ist dabei gebrochen und unbrauchbar geworden. Wie zu Beginn meiner Reise schon einmal kommuniziert, löse ich Probleme immer erst dann, wenn sie auftreten. So auch hier. Diese Schnalle ist wichtig - megawichtig. Wenn ich damit so weiterreise, werden meine Schultern sehr bald protestieren. Auch wenn ich nicht mehr jeden Tag pilgere, trage ich meinen Ruckisacki stets von A nach B. Und das sind manchmal größere Strecken. Doch was ist jetzt die Lösung? Als Erstes schreibe eine Email an die Serviceabteilung von Tatonka, dem Hersteller des Rucksacks. Allerdings kann ich mir nicht so richtig vorstellen, welche Lösung die Firma mir anbieten würde. Insgeheim hoffe ich, dass sie mir sagen, dass sie einen Servicevertrag mit einer Firma in Südafrika, vielleicht in Kapstadt, haben. Groß ist die Hoffnung nicht wirklich. Oder vielleicht haben sie eine alternative Lösung, einen Spezialknoten oder so etwas *lach*. Richtig dran glauben kann ich aber nicht. Tatsächlich fange ich an, selbst eine technische Lösung zu entwerfen. Ich denke an ein U-förmig gebogenen Stahl, der die Schnalle ersetzt, indem den ich diesen in die Schlaufen der Spanngurte stecken könnte, nachdem die Reste der Kunststoffschnalle entfernt sind. Allerdings muss der Stahl widerstandsfähig gegen Aufbiegen sein, da ich den Gurt stets ordentlich straff ziehe, damit das Gewicht auch richtig gut auf meinen Hüftknochen liegt. Dafür müsste ich nur einen Schmied finden, der das Material - z.B. 8-10 mm Baustahl zu Verfügung hat und es mir zurechtbiegt. Soweit die Überlegungen.

Kasane

Jetzt geht‘s erst einmal mit dem Rucksack ohne Hüftgurtschnalle zum Hostel, die im englischsprachigen Raum überall ‚Backpackers‘ genannt werden. Kasane ist eigentlich ein Dorf, aber es verteilt sich auf einer unglaublich großen Fläche. Vom Zentrum aus, wo ich mich wegen Frischgeld in Pula (Botswana-Währung) und einer neuen SIM-Karte hatte absetzen lassen bis zum Ortsrand, wo mein Elephant Trail Backpackers liegt, sind es sieben Kilometer. Laufen auf Schusters Rappen hatte ich zwar grob in Erwägung gezogen, doch ich sollte es mir aber wegen der 3 km breiten Durchlaufzone der Wildtiere noch einmal genau überlegen. So der Vorschlag meines Busfahrers. Also nutze ich ein Taxi.

Das Elephant Trail Backpackers liegt im Busch und der nächste SHOPRITE-Supermarkt ist 3 km entfernt. Die Gäste des Hostels verabreden sich für den Einkauf, um gemeinsam ein Taxi zu benutzen. Hier ist es sehr rustikal und urig. Mir gefällt‘s und ich beschließe, drei Tage zu bleiben.
Bereich zum Chillen
Links mein Bett
Dusche
WC
Da ich frühzeitig angekommen bin, schließe ich mich einer zwei- bis dreistündigen Safari an, die an den Fluss des Chobe heranführt. Für 500 Pula (= 34€) empfinde ich es halbwegs akzeptabel. Mit sechs Personen sitzen wir auf einem Safari-Jeep. Aber wir bekommen nur wenige Tiere zu sehen: Eine Giraffe, einen Geier und eine Löwin. Na, immerhin! 
Als wir am Elephant Trail Backpackers ankommen und vom Jeep herabsteigen, fragt mich einer von den Mitfahrern ob ich mit ihm und seiner Familie nach Maun fahren wolle. Hey, das ist ja cool. Dann brauche ich gar nicht mehr nach einem Überlandbus schauen. Ich sage zu. „Wann wollt ihr denn los?“ frage ich.“Morgen früh um 6.00 Uhr“ lautet die Antwort. Hoppla, da muss ich meine Reservierung zurückschrauben und gehe schnell zur Rezeption. Tshire, die Rezeptionistin wirkt über meine schnelle Abreise etwas bekümmert. Ich sei doch gerade erst angekommen und es gäbe sooo viel zu sehen, und kennengelernt hätten wir uns auch noch nicht.

Überland

Um fünf Uhr bin ich wach, springe unter die Dusche und gönne mir noch ein Frühstück mit Spiegelei, bevor es mit dem gemieteten VW-Bus losgeht. Die Familie ist aus Tschechien und die Kommunikation läuft fast ausschließlich über den Fahrer. Es stellt sich bald heraus, dass Botswana eine enge Verwandte von Ostfriesland sein muss.


Die Gegend ist flach - superflach, so weit das Auge reicht und das den ganzen Tag. Niedriges Buschwerk erstreckt sich rechts und links der ansonsten hervorragend ausgebauten und breiten Asphaltstraße. So fährt der Bus mit seinen sechs Insassen - übrigens dieselben, die den Jeep besetzt hatten, hunderte von Kilometern durch diese  Eintöne. 
Als wir am frühen Nachmittag so gegen 15 Uhr einen Ort namens Gweta erreichen, ist unser Fahrer todmüde und wir quartieren uns in eine Lodge ein.
Am nächsten Morgen haben wir es nicht ganz so eilig, da wir schon gut zwei Drittel der sechshundert Kilometer nach Maun zurückgelegt haben. Einen kurzen Stopp legen wir noch beim nächsten Supermarkt ein, um Getränke und Knabberkram zu kaufen, um dann unsere Weiterreise erfrischt und gestärkt fortzusetzen.

Portal zum Wild-Reservat
Informationstafel über länderübergreifende Wild-Migration

Auf der Suche nach Tieren, versuchen wir an mehreren Stellen, in den Nationalpark zu gelangen, der direkt an den Highway grenzt. Doch unsere Bemühungen scheitern an geschlossenen Portalen.

VW-Cockpit
Dorfmarkt
Baustelle - Die Männer vom Fach
Supermarkt - Alle Waren übersichtlich geordnet

Elefanten & Co.

Irgendwann hast du dich an die unendlich langen geraden Straßen und den Busch rechts und links gewöhnt. "Elefanten" raunt die Frau plötzlich neben mir. Der Fahrer stoppt sofort und alle Augen gehen in den Busch auf der linken Seite. Tatsächlich, das steht in der Ferne ein Elefant. Auf den nächsten zwei bis drei Kilometern werden wir eine große Herde gewahr, die sich verstreut im niedrigen Busch langsam und majestätisch vorwärts bewegen. Eine Seitenstraße, die vom Highway querab in den Busch hinein führt und der wir folgen, bringt uns inmitten der Herde, die viel größer ist, als vom Highway aus zu erkennen. Ich schätze, das fünfzig und mehr Tiere zur Herde gehören. Einem der Elefanten scheint unsere Annäherung irgendwie nicht zu gefallen. Er stellt die Ohren weit ab und stampft auf uns zu. Ich mache mir fast in die Hose, obwohl wir alle im Auto geblieben sind.



Dann kommen wir auf eine Szene zu, mit der keiner von uns gerechnet hat. Ein gehäuteter Elefant liegt neben der Straße und wird von einigen Menschen zerlegt. Hier gibt der Fahrer Gas, denn die Leute finden unsere Neugier und Handys höchst ärgerlich.
Die nächsten zwanzig Kilometer ist, als würden wir durch einen Zoo fahren. Zebras, Gnus, Giraffen, Straußen und noch mehr Elefanten befinden sich entweder auf oder direkt neben des Highways und lassen sich vom spärlichen Verkehr nicht im Geringsten beeindrucken.



Kopf im Sand?
Ey, lasst mich mal eben kurz durch, ich bin ein Gnu…
…ist ja schließlich…
…mein Revier hier!
Danke…
…und Tschüss!

Dörfer unterwegs

Maun

Auf dem Wege passieren wir noch das eine und andere Dorf und erreichen schließlich Maun, die Stadt am südlichen Ende des Okavango-Deltas. Maun ist eine pulsierende Stadt. Sie verfügt über einen Internationalen Flughafen und eine starke Infrastruktur mit örtlichen Taxen, die einen festen Preis für die ganze Stadt, außer den Flughafen, hat: 8 Pula. Hier ist man Touristen gewohnt und darauf vorbereitet, mit ihnen Safaris ins Delta machen. Es gibt mehrere Fastfood-Resturants, Modegeschäfte, richtig große Supermärkte, usw. 



Es war eine echt schöne Reise mit den fünf Tschechen und hier trennen sich jetzt unsere Wege. Ich suche mir eine preisgünstige Unterkunft und werde mit Tamunee’s Guesthouse bei Booking.com fündig. Das Haus hat eine beeindruckend geschnitzte Eingangstür.

Wie üblich mache ich in den ersten Tagen eine Ortsbegehung, wenn ich an einem neuen Ort, einer neuen. Stadt ankomme. So auch hier. Flugplätze ziehen mich überall magisch an. Also auf in Richtung Airport. Gut acht Kilometer in zweieinhalb Stunden laufe ich und merke, das Pilgern sind meine Füße nicht mehr gewohnt. Aber ich habe die Stadt etwas kennengelernt. Am Flughafen erkundige ich mich nach Möglichkeiten, das Delta von oben zu sehen. Es gibt Hubschrauberflüge und Flüge mit sechs- bis achtsitzigen Propellermaschinen. Die Preise sind annähernd gleich. Propellermaschinen fliegen einen größeren Bereich ab als ein Hubschrauber. Dafür kann ein Hubi sehr viel langsamer und niedriger als eine Propellermaschine fliegen und es fliegen hier nur bis zu drei Gäste mit. Meine Entscheidung fällt für den Hubschrauber. Es fliegt noch ein netter Mensch aus Südafrika mit und der lässt mir sogar den Vortritt, vorn zu sitzen. Der Preis? 3.581 Pula für 30 Minuten Flugzeit. Umgerechnet sind das 244 Euro. Das ist eine gehörige Stange Geld, aber dafür bekomme ich das Delta, zumindest einen kleinen Teil davon, von oben zu sehen. Davon verspreche ich mir einen besseren Eindruck, als würde ich mit einem Safari-Jeep durch die ausgetrockneten Flussarme gefahren werden.

Flusslauf in Maun
Pause
Ich mach heut nix mehr - bei mir ist die Luft raus!
Rundbauten
LKW für große Distanzen


Sonntag, 5. November 2023
Im krassen Gegensatz zu den Städten in Sambia, wo Google-Maps auf die Suchanfrage „New Apostolic Church“ dutzende Orte ausspuckt, kommt in Maun eine einzige Kirche zum Vorschein. Da ich nicht in zehn Kirchen gleichzeitig gehen kann, ist diese eine genug für mich und ich mache mich zu Fuß auf den 5 km langen Weg. Um halb acht bin ich unterwegs. Rechtzeitiges Erscheinen sichert schließlich die besten Plätze! 

Es geht auf staubigen Wegen, da die Kirche nicht an einer Hauptstraße gebaut wurde. Und dann bin ich da. Doch weit und breit ist niemand zu sehen, der auch zu Kirche will.


Die Kirche werde ich einmal genauer unter die Lupe nehmen. Als ich näher komme, sehe ich, dass die Tür offen steht. Na also! Da kann ja nichts mehr schief gehen. Ich werfe einen Blick hinein und sehe, warum hier niemand in die Kirche geht. Es wird renoviert. Und da kommt ein Mann im schwarzen Anzug aus einem kleinen Raum und stellt sich als Vorsteher der Gemeinde vor. Die Gemeinde versammelt sich während des Umbaus in einer behelfsmäßigen Kirche, erfahre ich.

Renovierung
Behelfskirche unter den Planen

Die Behelfskirche ist aus Latten zusammengezimmert, über die Planen gespannt sind, um die Gottesdienstbesucher vor der brennenden Sonne zu schützen. Der Altarraum ist mit weißen Laken ausgekleidet. Die Amtsbrüder begrüßen mich herzlich und fragen natürlich nach meinem Woher und Wohin und geben mir einen Platz inmitten der Gemeindeschar. Der Gottesdienst wird in zwei Sprachen durchgeführt. Alles andere ist wie ich es vom Doosthof, meiner Heimatgemeinde her kenne: Eingangsgesang der Gemeinde, Gebet, Bibelwort, Chorgesang, und so weiter. Am Ende des Gottesdienstes werde ich der ganzen gemeinde vorgestellt…
Predigt zweisprachig
Blick in die Gemeinde Maun

Geschwister fahren nach Hause

Flutflächen im Delta in der Regenzeit

Rundflug


Robinson 44
Der echte und…
…der Möchtegern-Pilot

Im Okavango-Delta kennt man ein ähnliches Phänomen wie an der Elbe, das wir Norddeutsche ganz simpel Ebbe und Flut nennen. Hier im Okavango-Delta passiert das aber nicht alle sechs Stunden, sondern nur einmal im Jahr. Es wird auch nicht vom Mond verursacht, sondern von der Regen- und Trockenzeit. Ich bin nun genau mitten in der Trockenzeit hier und vom Hubschrauber sind die überaus breiten, trocken gefallenen Flussarme, sehr gut zu erkennen. 

Die Menschen, die auf den Erhebungen ihre Häuser, ihre ‚Höfe‘ und Tiere haben, sind bei Flut, also in der Regenzeit vom Festland abgeschnitten. Auf einem Foto ist ein Steg zu sehen, der wie unsinnig irgendwo hin gebaut wurde. In der Regenzeit überbrückt er das Wasser. Die Ochsen als Haustiere teilen sich die spärlichen verbliebenen Wasserlöcher mit Elefanten, Zebras und anderen Wildtieren.

So weit das Auge reicht, ist das Land flach und von oben sind Erhebungen kaum zu erkennen. Da kann ich mir schon recht gut vorstellen, dass die Fließgeschwindigkeit immer langsamer wird, wenn es kaum noch Gefälle für das Wasser gibt. Ich bin extrem beeindruckt von dieser Landschaft und dem geologischen Phänomen, wie der große Fluss so endet.


Das Okavango-Delta - eine riesige weite Fläche
Der Flug geht etwa 20 km tief in das Delta hinein und wir bekommen in einer Höhe von bis zu 100 m (300 ft) rund 4-5 km Breite rechts und links zu sehen. Tiere überfliegt der Pilot in respektabler Höhe und sie so wenig wie möglich zu stören. Daher sind sie meist nur klein auf den Fotos. Herangzoomt läßt die Bildqualität zu wünschen übrig.

Wir bekommen Elefanten, eine riesige Horde Wasserbüffel, Zebras, Giraffen, eine Straußenfamilie und zwei Hippos zu sehen, die sich eine kleine Pfütze teilen. In der Nähe von Siedlungen konnten wir sogar Rinder gemeinsam mit Zebras und Elefanten am Wasserloch beobachten. Allerdings sind mir hier am Okavango-Delta die ausgetrockneten Flussläufe und die entsprechende Geologie wichtiger als die Tiere.



Bauchgefühl

Busbahnhof Maun
Am Tag meiner Abreise komme ich schon in meiner Unterkunft nicht so richtig voran und die Zeit läuft mir davon. Für die Fahrt bis an die Grenze nach Namibia im Caprivi-Streifen rechne ich mit fünf bis sechs Stunden Fahrt, und ich wollte dort nicht nach Einbruch der Dunkelheit ankommen. Gegen 9.00 Uhr bin ich am Busbahnhof, von wo etwas größere, als die üblichen Toyota-Minibusse in alle Richtungen starten. Der letzte Bus nach Shakawe, dem letzten Ort vor der Grenze, war gerade weg. Also warte ich bin um 10.00 Uhr. Das sollte aber noch passen, um vor der Dunkelheit in Shakawe und damit in einem Hostel oder Guesthouse einzukehren.

Nun sitze ich hier in Maun an der Bushalte und es strömt in Gießen… ach quatsch, ich meine es gießt in Strömen. Ein betonierter Unterstand schützt mich vor dem Schlimmsten 💦. Bald ist auch mein Bus da. 
Ich steige ein und mein Rucksack findet ganz hinten zwischen die letzte Bank und die rückwärtige Tür seinen Platz. Es geht los. Wie immer und überall in Afrika, führt die erste Reiseetappe an die nächstgelegene Tankstelle. Doch vollgetankt wird nie, sondern nur für irgendeinen Betrag wird Kraftstoff eingefüllt. Ich hoffe immer, dass es reichen wird. So auch hier. Vom Busbahnhof bis zur Tankstelle ist es kaum einen Kilometer weit, doch ein Geräusch, das vom Fahrwerk herrührt, macht mich stutzig. Aber ich kann es nicht deuten. Auf der Weiterfahrt in Richtung Stadtrand wird das Geräusch mit zunehmender Geschwindigkeit lauter und der Wagen rumpelt auch leicht. Mein ganze (begrenzter) Sachverstand geht gedanklich die Technik durch und ich finde keine Antwort. Stattdessen spüre ich überdeutlich, wie sich mein Magen zusammenzieht und eine Stimme im Kopf ruft „AUSSTEIGEN!!!“. Wie fahren ja schon. Da kann ich unmöglich sagen, dass ich wieder raus will, meint eine andere Stimme in mir. So geht das eine Weile hin und her, bis die erste Stimme leiser wird. Doch das inzwischen schleifende Geräusch und das Rumpeln ist nicht nur geblieben, beides ist stärker geworden. Wir fahren mittlerweile auch auf der Landsstraße mit 120 km/h vor und hin. Die Aussteiger-Stimme meldet sich nochmals und ich unterdrücke sie wieder. Dann ich endlich Ruhe und ich freue mich, wenn ich an der Grenze nach Namibia aussteigen kann. Dann gibt‘s einen Knall und der Wagen fängt an Bocksprünge zu machen. „STOP DRIVER STOP“ schreie ich durch den Bus. Tatsächlich bremst der Fahrer scharf ab und kommt zum Stehen. Von dem hinteren Zwillingsreifen ist eine Felge verschwunden und die verbleibende hat keine Befestigungschraube zur Achse. Halleluja - das hätte auch anders ausgehen können. Und in meinem Kopf fängt die Aussteiger-Stimme an zu schimpfen, warum ich als Chef nicht auf sie gehört habe.
Nachdem ich meine gemacht Fotos habe, schnappe ich meinen Rucksack und stelle mich an die Straße, um zurück nach Maun zu kommen. Mit diesem Bus wird es vorläufig nicht mehr - afrikanische Lieferzeiten für Ersatzteile oder ein Ersatzfahrzeug wird vermutlich nicht dazu beitragen, mein Ziel bei Tageslicht zu erreichen. Besser, ich fahre zurück, auch wenn ich noch nicht weiß, wo ich schlafen soll, denn ich habe nur noch 340 Pula in der Tasche. Für die Busfahrt und meine bisherige Unterkunft bei Tamunee reicht das nicht, ohne eine kleine Reserve zu behalten. Würde ich jetzt aber Geld vom ATM holen, ist der Mindestbetrag, den meine Bank für die Transaktion vorschreibt, fünfzig Euro und umgerechnet 740 Pula. So viel kann ich nicht mehr sinnvoll ausgeben, bevor ich das Land verlasse. Darum will ich nichts mehr abheben. Ich rechne: 140 Pula kostet mein Bus nach Shakawe (zum Glück war im kaputten Bus der Kassierer noch nicht herumgegangen und ich hatte noch nicht bezahlt), für 100 Pula würde ich Wasser, Bananen, Äpfel und ein Päckchen Kekse kaufen, um etwas zu essen zu haben. Dann bleiben mir noch 100 Pula als stille Reserve, um in Shakawe zurecht zu kommen. Das wird knapp! Oh Mann…

So, jetzt stelle ich mich erstmal an die Straße und will nach Maun zurück. Lass die anderen im Bus warten, bis wer-auch-immer sie an ihr Ziel bringt.

Nicht einmal zehn Minuten dauert es, bis Btwiza, ein freundlicher und hilfsbereiter Botswanier stoppt und mich mitnimmt. Seine Familie sitzt auch im Auto, aber für mich wird Platz gemacht. Sie wohnen Außerhalb (Wohnort habe ich vergessen) und fahren einmal pro Woche die 80 km nach Maun zum Einkaufen.


Und dann bin ich wieder in Maun. Jetzt brauche ich eine Unterkunft…

Hilfe in der Not

Zum Guesthouse von Tamunee, meiner Unterkunft der letzten Tage kann ich also nicht wieder zurück, da der Preis zu groß ist und Kartenzahlung dort nicht möglich ist. Ich muss eine andere Lösung finden. Wie es der Zufall will, komme ich mit Gau, einer jungen Frau ins Gespräch. Sie nimmt mein Problem zur Kenntnis und meint, sie würde sich später wieder bei mir melden. Alles klar denke ich mir, von der wirst du nichts mehr hören. Ich mache mich weiter auf die Suche. Ich scrolle mich durchs Internet und finde nur Unterkünfte zu Fantasiepreisen. Ich denke darüber nach, meine Leichtgewicht-Hängematte zwischen zwei Bäume zu hängen. Aber das Wetter ist unbeständig geworden. Da müsste ich auch den Tarp aufspannen. Und das alles, um morgen früh alles zusammenpacken um zeitig zum Bus zu kommen? Da ich in dieser Hinsicht etwas bequem bin, wäre mir jetzt ein festes Dach tausendmal lieber. 

Verflixt und zugenäht, es muss doch eine Möglichkeit geben! Hallo Bauch, hast du nicht eine Idee? Ich bin auch zu angespannt, um einfach jemand anzusprechen, der mir weiter hilft. Es vergehen Stunden. Ein Hotel, in dem ich mit der VISA-Karte zahlen könnte, will ich mir nicht leisten, ich bin ja mit dem Hubschrauberflug weit über mein Budget gegangen und ab Januar muss ich mit den beklemmenden Zuwendungen der deutschen Rentenkasse über die Runden kommen.

‚Doenng‘ klingt es in meinem Samsung-Handy, wenn eine WhatsApp-Nachricht eintrudelt. Das feine ‚Pinnng‘ bei Apple gefällt mir Tausendmal besser. Uiiii - eine Nachricht von Gau, die ihr Wort gehalten hat und mir schreibt, dass ihre Mutter ein Zimmer für mich frei macht. Ich schreibe zurück, dass ich kein Geld dafür zur Verfügung habe. Das sei okay, kommt als Antwort. Woohoo… ich darf bei einer afrikanischen Familie wohnen. Wie cool ist das denn!!!!!!

Das Haus steht abseits der Hauptstraße. Ich werde beim nächstliegenden Supermarkt, wo ich mich mit der nötigsten Verpflegung eingedeckt habe, abgeholt und über unbefestigte Wege geht es zu einer kleinen Siedlung von einfachen Häuschen. Die Räume sind multifunktional. Schlafen und kochen im selben Zimmer. Gau‘s Mutter kocht. Es gibt Pap mit Hühnchenfleisch. Pap kenne ich schon aus Kenia. Dort heißt es Ugali. Es sieht aus wie Kartoffelpüree, besteht aber aus Maisbrei und ist nicht oder kaum gesalzen. Außer Gau und ihrer Mutter sind noch der kleine Bruder und eine Tante zugegen. Beim Kochen wird gesungen und getanzt. Und zwischendurch werde ich über meine Reise und meine Lebensgeschichte ausgefragt. Für meine Kinder scheinen sie alle das größte Interesse zu haben. Ich muss ihnen alle meine Fotos zeigen, die ich gespeichert habe. Schade, dass ich am Morgen wieder abreise. Gerne hätte ich das Familienleben dieser Familie, ihre Vorstellungen und Werte näher kennengelernt. Zum Abschied gebe ich der Mutter meiner kleinen Retterin die 100 Pula aus der Reserve als Dankeschön. Sie freut sich riesig. Wenn ich den Bus bezahlt habe, werde ich blank sein! Und dann findet sich wieder ein neuer Weg, da bin ich mir sicher. Probleme werden gelöst, wenn sie da sind - nicht vorher, das wäre Energieverschwendung 😅.
Gau, meine Retterin

Richtung Namibia

7. November 2023. der zweite Versuch, die Namibische Grenze zu erreichen. Diesmal schaue ich mir den Bus genauer an, prüfe die Reifen auf Profil und fest angezogene Radmuttern. Sieht gut aus und ich steige ein. Diesmal bekommt mein Rucksack einen Ehrenplatz neben dem Fahrer. Und ich habe ihn besser im Blick. Das kann ja nicht schaden. 

Mein Platz hinterm Fahrer, links in gelb mein Rucksack
Busticket Maun nach Shakawe (380 km)
Ein Weißer zwischen lauter Farbigen
Auf Strecke
Differenzierte…
…Ausbaustufen der Straße
Serienmodell

Zwischenstopp für Muddi
Dörfer
Die Schule ist aus

Ohne weitere Zwischenfälle komme ich in Shakawe an. Hier höre ich mich bei Taxifahrern nach den günstigsten Guesthouses um (und sind allesamt sauteuer da) und finde schließlich eins, wo ich mit Karte zahlen kann. 
Eine Nacht in Shakawe. Ich will weiter. Am Morgen ein kleines Frühstück und ab an die Straße. Ich hatte gehört, es gibt hier keine Minibusse, die zur Grenze fahren. Zur Grenze sind es doch noch 16 km. Also könnte ich eigentlich auch laufen. Mal wieder ein bisschen Pilgerfeeling, das wäre doch mal was. Es ist 9.00 Uhr und die Sonne brennt schon ganz mächtig. Da gehe ich nun ein paar dutzend Meter in der prallen Sonne und denke mir, „das wird mir eine Nummer zu heiß. Ich switche auf Anhalter um“ ich habe ja schließlich gute Erfahrungen gerade zwei Tage zuvor gemacht. Botswana-Leute sind alle mega-hilfsbereit, da lass ich nix drauf kommen! Eigentlich gäbe es gar keinen Grund, von hier auszureisen, wenn ich nicht ein begrenztes Visa hätte und nicht um die Welt reisen wollte.

Nun fahren hier an meiner Straße nicht viele Autos in Richtung Namibia, doch nach zwanzig Minuten hält ein junger Mann an, und bietet mir an, mitzufahren. Er fährt bis zu Stadtgrenze. Diejenigen, die dort vorbei kommen, fahren auch bis zu Grenze. Prima! Aber hat der eben wirklich Stadt-grenze gesagt? Das ist ein Nest, ein etwas größeres Dorf…

Sodele, Stadtgrenze. Ich warte. Bin ja ein geduldiger Mensch. Ich kann warten… denn ich sehe weit und breit keine Fahrzeuge, weder PKW noch LKW. Hallo! Was ist hier denn los, oder besser gesagt, warum ist hier nichts los? Komplett tote Hose! Ich glaube, ich muss nun doch noch laufen. Wie lange stehe ich hier eigentlich schon, frage ich mich. Ein interessanter bunter Vogel, den ich mit meiner 30-fach-Zoom-Kamera einfangen will, flattert immer gerade dann aufgeregt zu einem anderen Zweig, das mir nicht eine einzige Aufnahme gelingt. Würde ich hier als meine Warte-Überbrückung im Blog einsetzen. Und dann geschieht das Wunder. Ein kleiner Lieferwagen kommt und hält auch bei mir an. „Ich möchte zur Grenze“ lasse ich den Fahrer wissen. „Hm, da fahre ich nicht ganz hin. Du kannst aber ein Stück mitfahren…“, antwortet er. Und zack - sitze ich in seinem Wagen. Er fährt und wir unterhalten uns. Wie alle, will auch er alles über meine Reise wissen. Was mir aber auch alles einfällt, das ich ihm erzähle. Er fährt und fährt… und bleibt schließlich an einem großen Zaus stehen. „Du bis jetzt an der Grenze“ sagt er. Donnerwetter, das ging aber schnell. Ich bedanke mich und dann hat er es eilig, zurückzufahren. Bye, bye!
Letztes Foto in Botswana mit Grenzzaun










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