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Mittwoch, 22. Januar 2025

Horsts Enkel-Baby-Stippvisite

Prinz Samuel und ich

Baby im Anmarsch

Irgendwann im Frühsommer 2024 erreicht mich der Anruf meiner 'Möhre', wie ich liebevoll meine Tochter nenne. Sie vermeldet die Botschaft ihrer Schwangerschaft. Oha, jetzt wird sich bald mein gesellschaftlicher Status ändern, denke ich bei mir. Aber ich soll noch niemand davon erzählen!!! Es dauert nicht lange, bis sich herausstellt, dass dies eine ziemlich herausfordernde Bitte ist.

Noch viel herausfordernder ist allerdings eine Frage, die ich mir von nun an selbst stelle. Mein innerer Dialog geht so: "Fliege ich hin, oder nicht und bleibe auf meiner Reise? Hinfliegen würde meine dritte Reiseunterbrechung bedeuten, und das ist eigentlich nicht die Idee meiner Weltreise. Schon die beiden ersten Unterbrechungen waren von diesem Standpunkt aus gesehen zwei Unterbrechungen zu viel. Andererseits ist da aber auch die enge Beziehung, die ich zu meinen Kindern habe, was mir ein massives schlechtes Gewissen bereitet, wenn ich nur daran denke, meiner Tochter nicht nahe zu sein, wenn sie ihr erstes Baby bekommt."

Als ich meinen inneren Zwiespalt mit meinem Freund Klaus teile, wird mir schnell klar, wie viel mir die Nähe meiner Tochter bedeutet. Und schon steht die Entscheidung. Doch die Ticketbuchung ist eine weitere Herausforderung, denn es sind noch gut zehn Wochen bis zum vorausberechneten Geburtstermin, dem 2. Januar 2025. Und wie treffsicher mag die Vorhersage wohl sein? Also denke ich mir, es wäre klug, wenigstens zwei Wochen nach dem berechneten Termin einzuplanen. Für die Anreise könnte ich Weihnachten in Betracht ziehen, aber wer will mich zum Fest überhaupt haben? Üblicherweise werden in den Tagen um Weihnachten herum ja die Verwandten abgegrast. Also, eigentlich hat niemand Zeit für einen Globetrotter, so meine Gedanken.

Da kommt mir ein Geistesblitz!

Erfolgreich hatte ich meinen älteren Bruder Harald bei meinem letzten Deutschland-Break zu seinem Geburtstag überrascht (siehe hier). Warum sollte ich das nicht auch mit Holger, meinem jüngeren Bruder tun? Sein Geburtstag ist doch der 18. Dezember. Also genau im richtigen Zeitfenster! Wenn ich es schaffe, rechtzeitig dafür in Hamburg zu sein, dann komme ich auf rund vier Wochen Deutschland-Aufenthalt. Diese Idee gefällt mir so gut, dass Weihnachten nicht wirklich mehr relevant ist, selbst wenn ich mich für die Festtage irgendwo in einem Hostel einquartieren sollte.

Also, welches soll nun mein Flughafen sein, von wo aus ich nach Deutschland fliege? Es ist gerade Oktober und ich befinde mich in Punta Diablo, Uruguay. Wie soll ich für so lange zeit vorhersagen können, wo ich sein werde, um einen günstigen Flug nach Deutschland zu nehmen? Ohne lange zu fackeln, buche ich einfach meinen Flug von Santiago de Chile nach Frankfurt de Deutschland. Irgendwie kriege ich das schon hin! Ab sofort freue ich mich wie Bolle auf die bevorstehenden Begegnungen, die ich als Überraschungen plane. Deshalb...

Geheimhaltung!

Mit der untereinander gut vernetzten Bargsten-Verwandtschaft ist nicht zu spaßen, wenn es ums Dichthalten geht. Das funktioniert. Jeder gibt sein Bestes, das ist klar. Dennoch darf man das Feingespür dieser Familienmitglieder nicht unterschätzen, das bei jedem sofort hellwach ist, wenn auch nur eine  minikleine unschuldige Bemerkung fällt.

Ich entscheide mich, selber dicht zu halten. Mit einer einzigen Ausnahme: mein Sohn Alex muss eingeweiht werden. Denn auch meine Tochter mit ihrem Baby soll mein Auftauchen als Überraschung erleben.

Auf nach Deutschland

Iberia, der spanischen Fluglinie, wird mich am 14. Dezember 2024 über Madrid nach Frankfurt und am 15. Januar 2025 wieder zurück bringen. Das Besondere für mich ist, dass für den Transatlantikflug von Santiago nach Madrid der Airbus A350 eingesetzt wird. Für mich das erste Mal mit 'meinem Baby'.

Also finde ich mich rechtzeitig am Arturo Merino Benitez International Airport in Santiago ein. Rechtzeitig heißt in diesem Falle sechs Stunden. Die Wartezeit wird kurzweilig durch das Kennenlernen von Amandine, eine fröhliche junge Französin, die schon etliche Stationen in Südamerika abgereist hat und hier auf die Ankunft ihres Freundes wartet, mit dem sie Patagonien heimsuchen will.

Schreck lass nach

Und dann wird es plötzlich ultra-kurzweilig! Wir unterhalten uns gerade in der großen Halle für den Check-In, als das ganze Gebäude für einige Sekunden wackelt. Von der Decke rieselt Staub und kleines Zeug, wie abgeblätterte weiße Farbe. Da wir keinen Knall oder eine Explosion gehört haben, war mir klar, dass dies ein Erdbeben sein musste. Und noch nie habe ich mein Herz so tief aus der Hose wieder hervorkramen müssen. Da ich gerade stehe, fühlt es sich an, als hätte sich der Fußboden um zehn Zentimeter bewegt. Mir schien es, als hätte nicht viel gefehlt und ich wäre umgefallen. Tatsächlich mag es ein oder zwei Zentimeter gewesen sein, die sich der Boden bewegt hat. Die langen, gewaltigen Stahlstützen scheinen die Erschütterung gut abfedern zu können. denn ich finde nirgends Risse oder Beschädigungen.

Als ich später im Internet nachschaue, war dies durchaus ein Erdbeben mit einer Magnitude von 6,4 mit größerer Stärke. Dennoch gingen sämtliche Angestellte, die Erdbeben gewohnt sind, unmittelbar ihrer Tätigkeit nach, als wäre nichts gewesen. Nur ein paar Reisende sind schnell ins Freie geeilt. Amandine und ich gehören dazu. Doch ein Nachbeben gab es nicht, jedenfalls nicht so, dass wir es hätten gespürt.

Mein Screenshot kurz nach dem Ereignis

Für besonders Interessierte, hier weitere Informationen:
Zeit: 14. Dez. 2024, 20:38 (local), 23:38 (UTC)
Epizentrum: Nähe Molina, Chile, in ca. 114km Tiefe
Website The Watchers

Airbus A350

Zum ersten Mal fliege ich mein Baby – das Flugzeug, für das ich zwölf Jahre gearbeitet habe, den A350 der spanischen Iberia.

Mein Platz: 49L. Holzklasse! Enger geht's mit der Bestuhlung wirklich nicht. Da nehme ich mir doch lieber die Zeit von fünf Wochen und schippere mit einem kleinen Segelboot über den Atlantik. Allein damit hat Iberia bei mir leider alle fünf Sterne versemmelt, die ich zu vergeben habe. Schade um das schöne Flugzeug!

Andererseits kann ich feststellen, das das CCRC (Cabin Crew-Rest Compartment) und die U-shape Galley verbaut sind. Gut gefallen haben mir die Toiletten, sowohl Aft, als auch Center. Da gibt's deutlich mehr Platz und Bewegungsfreiheit als in der A320. Ich hätte mehr Fotos machen sollen!

A350 Iberia-Economyausstattung 

Die Verspätung von drei Stunden beim Abflug holen wir auch mit Nachbrenner nicht mehr rein, so dass ich in Madrid ein Hotelzimmer (nichtmal ein Hostel haben sie für mich!!!) und ein neues Ticket nach Deutschland bekomme – auf meinen Wunsch hin sogar nach Hamburg statt nach Frankfurt. Sehr gut! Dafür schiebe ich gerne drei Sterne nach.

Unterkunft in Hamburg

Endlich wieder mal in der schönsten Stadt der Welt angekommen, darf ich erneut bei Klaus, der mir schon letztes Mal Unterschlupf gewährte, einziehen. Allerdings ist er nun nicht mehr allein. Er hat in Rita eine wundervolle Freundin gefunden. Einen "Sechser mit Zusatzzahl", wie er sagt. Nun darf ich nachts nicht mehr schnarchen, wie mir der Schnabel gewachsen ist.

Überraschung Nr. 1

Holger hat Geburtstag

Es geschieht am Mittwoch, dem 18. Dezember 2024 um 7.38 Uhr. Ein Mann mit schwarzem Kopftuch steht mit einer Tüte Brötchen vor Holgers Haustür und spielt "Happy Birthday" auf der Mundharmonika. Die Tür öffnet sich und keiner erkennt mich. Wie auch! Erst als ich die Mundharmonika absetze, wird die Gesichtserkennung möglich.

Natürlich habe ich in Kauf genommen, dass Holger schon zur Arbeit wäre oder aber keine Zeit für mich haben würde. Sowas muss man bei Überraschungen – vor allem an einem Werktag – immer mit einkalkulieren. Holger ist auch bereits arbeitsfertig, entscheidet sich aber spontan zum Home-Office. So haben wir gut Zeit für ein gemeinsames Frühstück und Gedankenaustausch.

Überraschung Nr. 2

Wir schreiben den 20. Dezember 2024. Alex mit Freundin Nadine und Kathi mit dickem Bauch und schlankem Mann Mario sind zusammen bei Mama Sonja nach Salzgitter eingeladen. Und ich habe mir vorgenommen, dort kackfrech aufzutauchen und nehme mir für zwei Tage ein Zimmer in Braunschweig-Broitzem. Risiko pur!

Wiedersehen nach eineinhalb Jahren

Die Überraschung scheint gelungen. Kathi freut sich wie ein Schneekönig, Papa ist wegen ihres Babys gekommen. Selbst Sonja ist so überrascht, dass sie kaum weiß, was sie sagen soll. Und das will was heißen! Da aber Sonja ihre (unsere) Kids sonst kaum sieht und sie sie dieses Wochenende für sich haben möchte, mache ich mich auch bald wieder aus dem Staub. Kathi und Mario möchten mich dafür dann nach diesem Wochenende bei sich in Eichenzell haben.

Dadurch ergibt sich eine gute Gelegenheit für eine weitere Überraschung...

Überraschung Nr. 3

Neuapostoliche Kirche Braunschweig

Am Sonntag, dem 24. Dezember 2024 morgens um 9.15 Uhr sitze ich rechtzeitig für den Gottesdienst, der um zehn Uhr beginnt, auf meinem Platz in der Neuapostolischen Kirche zu Braunschweig. In diesem Augenblick bin ich noch ziemlich allein im Saal. Aber nach und nach füllt sich die Kirche, die in den Achtzigern für zwei Jahre mein geistliches Zuhause war, als ich hier in Braunschweig die Technikerschule absolvierte. Ich schiele in der Kirche umher und schaue, ob da vielleicht ein bekanntes Gesicht dabei ist. Jaaaa! Da links sitzt Gabi... und die Ute spielt im Orchester... und da kommt Herfred den Seitengang entlang und setzt sich in die Bank ganz vorne.

Als der Gottesdienst vorüber ist, schart sich eine kleine Menschentraube um den langhaarigen Globetrotter. "Bist du das wiklich?" Gabi kann es kaum glauben und stubst ihren Mann Dieter immer wieder in die Seite. Anja, Herfred, Michael... um nur einige zu nennen. Mann, da werden alte Zeiten wach!!! Es fühlt sich wirklich so an, als wäre ich nur für kurze Zeit mal weg gewesen.

Da ist es endlich...

Nun heißt es warten. Weihnachten steht an und Marios Eltern, Helmut und Lydia kommen auch. Es ist ein schönes kleines Fest zusammen. Die Zeit bei Kathi und Mario dehne ich aber nicht aus, sondern möchte den beiden Raum und Zeit für die Ankunft des neuen Erdenbürgers zu geben. Klaus und Rita gewähren mir weiter Unterschlupf, bis das Baby da ist.

Und dann ist das Baby da! Am 4. Januar 2025 wird Samuel Becker geboren. Mutter und Kind geht es sehr gut. Das ist schön zu hören. Zwei Tage später bin ich wieder in Eichenzell – das Deutschland-Ticket macht's möglich.

Drei Generationen

Das Gefühl ist schwer zu beschreiben, das Baby der nächsten Generation auf den Arm zu nehmen. Von überall hagelt es Glückwünsche zum "Opa". Obwohl ich das nun schon lange genug weiß, dass diese Bezeichnung über mich kommen würde, ist es mir eher unangenehm, so genannt zu werden. Mal abwarten, wie es sich anfühlt, wenn der Junge mich so nennen wird. 

Frankfurt am Main

Nun, Frankfurt ist etwas ungenau. Richtig wäre Friedrichsdorf-Seulberg. Aber für die Überschrift lasse ich es mal so. 

Es war ursprünglich geplant, dass ich meinen Freund Andreas bei meiner Einreise nach Deutschland am Sonntag in Friedrichsdorf-Seulberg bei Frankfurt besuchen würde. Wir hatten uns beide auf ausgiebige und tiefgründige Gespräche gefreut. Durch die Verspätung wurde die Begegnung am Sonntag obsolet und ich bekam den Flug nach Hamburg.

Nun konnte ich den Besuch nachholen, bevor mein Flug zurück in den Reisealltag nach Chile geht.

Abflug

So einfach wegfliegen, ohne noch irgendwas Verrücktes zu erleben, das gibt es einfach nicht.

Während ich auf meinen Flug nach Madrid warte – hoffentlich ohne Verspätung, setzen sich zwei junge Frauen neben mich. "Wo soll's hingehen?" frage ich, um ein kleines Gespräch in Gange zu bringen. "Tansania" lautet die Antwort. Yeah! Und schon gibt's viel zu erzählen. Lisa und Carolin, wie die beiden heiße, werden dort in einer Pflegeeinrichtung ein Praktikum machen. Dann wollen sie von meinen Erlebnissen hören. Und jetzt kommt der Hammer, als ich nach ihrem Wohnort frage: Agathenburg und Harsefeld! "Hä?" entfährt es mir. Diese beiden Orte liegen in der Nähe von meinem Heimatdorf Ahlerstedt. Die Welt ist ein Dorf!!!

Ohne weitere 'Zwichenfälle' geht es bis nach Santiago de Chile.

Bin wieder zurück!


Selbstverständlich...

Mama

...habe ich in dieser Zeit mehrmals meine Mutter im Pflegeheim besucht. "Oh, du!" ruft sie laut, als sie mich nach eineinhalb Jahren wiedersieht. Es dauert ein paar Minuten, dann wird sie ganz gesprächig. Doch das Sprechen fällt ihr deutlich schwerer, als wie es beim letzten Besuch war. Die Pflegekräften sagen mir, dass meine Mutter viel fröhlicher ist, während ich bei ihr bin. 

Auch meinen Onkel Hans-Jürgen, meinen "OHJ", besuche ich zweimal. Er ist ganz der Alte, hat immer einen im Sinn.

Erledigungen

Die Gelegenheit in Deutschland zu sein, habe ich auch dafür genutzt, ein paar Dinge zu erledigen, die unterwegs schwieriger oder gar nicht möglich sind:

 Rucksackschnalle – Die Kunststoffschnalle meines Hüftgurtes von Rucksack war mir in Botswana in eine Fahrzeugtür geraten und gebrochen. Mit einem Karabiner habe ich mich solange beholfen. Bei Globetrotter in Hamburg gibt es eine Ersatzschnalle.
 Notebook – Das Schreiben des Blog auf dem Handy ist mir leid geworden. So hat mir Alex schon bevor ich angekommen bin, ein kleines Notebook beschafft. 
✅ Brille – Beim Baden im Mittelmeer in Alexandria ist meine schöne blaue Brille baden gegangen. Ein Sprung ins Wasser und weg war sie! Die Ersatzbrille, die ich mir in Ägypten habe anfertigen lassen, hatte zu dicke Bügel, die meinen Hörgeräten ständig den Platz hinter meinen Ohren streitig gemacht haben. Nun habe ich eine neue Brille mit dünnen Bügeln.
 Reisepass – Wie kann man Länder besuchen, die die Einreise nicht erlauben, wenn man den Einreisestempel eines verfeindeten Landes im Reisepass hat? Man braucht dafür eine zweiten Reisepass. Diesen habe ich mir ebenfalls ausstellen lassen (für 130 Euro – grrr!).
 Wasserdichte Hülle – In Uruguay hat es geregnet. Na, das ist etwas ungenau ausgedrückt. Es war ein Wolkenbruch! Und nichts ist trocken geblieben. Reisepass, Internationaler Führerschein, Impfpass – alles nass. Nach dem Trocknen alles wellig! Damit mir das nicht mehr passiert, besorge ich mir waaserdichte Kunststoffhüllen bei Globetrotter. Teuer!
 Auslands-Krankenversicherung – Meine Auslands-KV, mit der ich meine Reise begann, war schon lange abgelaufen. Also habe ich erneut abgeschlossen. Denn man darf nicht vom Ausland her abschließen, man muss es vor Grenzübertritt abgeschlossen haben. So ist das in Deutschland.
 Generalvollmacht – Ich will, dass meine beiden Kinder Vollmacht für alle meine Angelegenheiten haben. Auch erledigt.
 Hörgeräte – Eine kurze Überprüfung kann nicht schaden. Meine Nichte Thesi ist die Expertin und meine persönliche Beraterin in dieser Angelegenheit.

Verlust

Bei der Bahnfahrt von Eichenzell nach Hamburg am 27. Dezember 2024 ist mein Hut versehentlich im Zug liegen geblieben. Weg ist er. Schade! Aber in Südamerika finde ich sicher einen Ersatz.




*  *  *  *  *

Samstag, 16. November 2024

Horst dressiert Falken auf den Inseln

 


Ich muss schon sagen, die Überschriften meiner Blogbeiträge gefallen mir besser und besser...😄. Zumindest in der Deutschen Sprache haben sie gewisse Effekte.

Falken bekomme ich hier allerdings nicht zu Gesicht, stattdessen aber Pinguine. Doch die lassen sich von mir nicht dressieren, sie sind schon gedresst. Ganz schick in schwarz-weiß!

Einladung

Seit über 15 Jahren liegt Cecil, mein Freund, den ich durch seine Studienzeit in Göteborg kennengelernt habe, mir in den Ohren, ich solle ihn doch mal in Worcester, Südafrika, besuchen. Nun, vor fünfzehn Jahren waren meine Kinder noch klein und die Familie intakt, dass eine solche Reise mit allen zusammen zu kostspielig gewesen wäre. So hatte ich meinen Besuch bei Cecil zwar auf die lange Bank geschoben, aber niemals verworfen. 

Als ich von drei Jahren in Ahlerstedt aufbrach, um die Welt zu erobern, stand Südafrika von Anfang an auf der Prioritätenliste der zu bereisenden Länder gaaaanz oben. Aber was muss ich erfahren, als ich dort ankam? Cecil wohnt dort nicht mehr. Er ist um gezogen und lebt jetzt auf den Inseln der Falkländer. In dem Moment passierten zwei Dinge gleichzeitig: 1. Ich wurde traurig, und 2. meine Prioritätenliste hatte »ZACK« ein neues Land als die Nummer Eins: Falklandinseln. Aber es wird noch dauern, bis ich dort bin. 

Nun bin ich hier und in der Rückschau hat es überhaupt nicht lange gedauert. Gefühlt ist Südafrika nur ein paar Tage her. Doch es ist unglaublich, was alles schon dazwischen liegt: fünf Wochen Seereise, viereinhalb Monate Brasilien, Paraguay und Uruguay...

Anreise

Die meisten, die mich kennen, werden wissen, dass ich Flugtransport auf dieser Lebensreise nach Möglichkeit vermeide. Doch ich konnte keinen Weg per Schiff zu den Falklandinseln finden, der in mein Budget gepasst hätte.

Also bleibt nur das Flugzeug. Um die Falklandinseln per Flug zu erreichen, stehen zwei Fluglinien zur Verfügung. Nummer Eins ist der Britische Militärtransport, der auch zivile Sitzplätze anbietet. Das ist eine  Verbindung, die in Oxford, UK, startet und mit einer Zwischenlandung 18 Stunden dauert. Die zweite Flugverbindung startet mit einer A320 (!) von LATAM in Santiago de Chile mit Zwischenstopp in Punta Arena und nur einmal im Monat auch in Río Gallegos (spricht man "Rio Chaschegos") zwischenlandet. Um genau diesen Zwischenstopp in Río Galegos zu erwischen, ohne irgendwo einen Monat in Lauerstellung zu verharren, ließ es sich nicht vermeiden, einen Flug von Buenos Aires nach Río Gallegos zu nehmen. Auf diese Weise habe ich zweieinhalbtausend Kilometer durch die Pampa versäumt. Schade! Aber so ist es einfach manchmal.

Der Flieger landet auf der Britischen Militärbasis "Mount Pleasant". Bis nach Stanley, wo Cecil wohnt, sind es 50 Kilometer. Cecil hat den Shuttle für mich gebucht, der mich an Cecils Haustür absetzt.

Freundschaft

Natürlich hatte ich einige Monate im Voraus bereits Kontakt zu Cecil aufgenommen und den September als möglichen Besuchszeitpunkt anvisiert. Letztendlich ist es November geworden, eine Zeit, in der sich auf der Südhalbkugel des Globus der Frühling entfaltet, während in den WhatsApp Statusmeldungen meiner Familie und Freunde in Deutschland nur noch trübes, nasses und kaltes Wetter gepostet wird.

Bei meiner Ankunft lerne ich erstmals Cecils Familie kennen. Nisha, eine zauberhafte Ehefrau. Jana, die Tochter, ein Mädel von 9 und ihr Bruder Douglas mit 8 Jahren, sind zwei lebhafte Kinder, die mir schnell ans Herz wachsen – vor allem auch, weil Jana mir ihr Zimmer für diese Woche überlässt. Sie würde sich wünschen, das ich im Gegenzug ihr Zimmer in Pink streichen würde. Schade, dass die Zeit dafür nicht reicht.

Was macht man auf den Falklandinseln eigentlich so???

Nun, die Hauptstadt des Inselreiches ist Stanley mit rund 3.000 Einwohnern. Davon sind die Hälfte befristete Arbeiter und Angestellte aus Chile und anderen Ländern. Cecil lebt mit seiner Familie inzwischen acht Jahre hier und gehört zu den dauerhaften Einwohnern. Er ist staatlich angestellter Projektmanager im Bauwesen, während Nisha sich um die Kinder kümmert. Die beiden kennen so gut wie jeden im Ort. Außerdem ist Cecil bei etlichen sportlichen Aktivitäten in Führender Rolle. Ob Cricket oder Tischtennis – überall ist er dabei. Es gibt Wettbewerbe zwischen einigen Inselstaaten und kleineren Ländern. Dort repräsentiert Cecil die Nationalspieler der Falklandinseln und organisiert die nächsten Länderspiele.

Diese Inseln sind ein eigens kleines Universum für sich. Was nicht in einem der beiden Supermärkte erhältlich ist, muss vom Festland bestellt werden und darauf wartet man dann ein paar Wochen. Ich frage mich, wie lange ich es hier wohl aushalten könnte. Cecil mit seiner Familie lebt nun schon acht Jahre hier. Ich wäre neugierig, ein Jahr hier zu verbringen um den Lebensrhythmus kennenzulernen. Aber acht Jahre...? So richtig vorstellen kann ich mir das nicht.

Ausflüge

Und was macht Horsti hier so, wenn Cecil bei der Arbeit ist???

Ich muss sagen, dass mir Landschaft und Klima durchaus bekannt vorkommen. Beides hat viel Ähnlichkeit mit den Verhältnissen in Nordnorwegen, wo ich mich vor vielen Jahren einige Male aufgehalten habe. Hier in Stanley liegen die Temperaturen bei 12° C und es gibt zeitweise starken Wind. Und Regen kommt fast aus heiterem Himmel. Gerade noch scheint die Sonne, und plötzlich wird's nass. Darauf sollte man vorbereitet sein.

Es gibt nur eine asphaltierte Überlandstraße zwischen der Militärbasis Mount Pleasant, wo eben auch die Verkehrsflugzeuge landen, und der Stadt. Natürlich sind auch die Straßen der Stadt asphaltiert. Alle anderen Wege sind geschottert. So unternehme ich Ausflüge mit einem Radius, die ich zu Fuß bewältigen kann. 

Die Stadt hat ein geschichtliches Museum, das allerlei Exponate der ersten Siedler zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, sowie der Erforschung der Antarktis zeigt. Einen besonderen Teil des Museums nimmt der Falklandkrieg mit Argentinien von 1982 ein.







Dann verlasse ich die Stadt und laufe auf der Schotterstraße Richtung Westen bis zum Ende der Lagune, an der Stanley liegt. Unterwegs komme ich an einigen Schiffswracks vorbei. Am Ende der Lagune steht ein verrosteter Turm, dessen Kopf heruntergefallen ist. Es könnte mal ein Kriegsgerät gewesen sein. Später finde ich heraus, dass es eine Station zur Weltraumbeobachtung der ESRO (European Space Research Organisation) war.

Es gibt hier ja fast keinen Baumbestand und ich vermute, das die wenigen Bäume, zumeist Lebensbäume und ein paar Eschen, dermaleinst importiert und angepflanzt wurden, weil sie über Land nur bei Häusern in der Stadt zu finden sind. Cecil sagt, wenn er Feuer machen will, muss er sich das Holz von Transportkisten und Paletten besorgen. Es gäbe keine Bäume zum Fällen.

Den nächsten Ausflug mache ich nach Gypsy Cove, einem kleinen Militärstützpunkt des zweiten Weltkriegs, der zehn bis Zwanzig Meter auf den Klippen über dem Meer liegt und dafür errichtet wurde, den Hafen on Stanley zu schützen. Von den Einrichtungen ist lediglich eine kleine Kanone übrig geblieben.


Der Blick über den Sund ist von hier grandios. Bei meiner Wanderung entlang der Klippen sehe ich zahllose Pinguinnester. Das sind fußballgroße Löcher unter dem niedrigen Gebüsch sind. Dann liegt da etwas weiter unterhalb der Klippen die langgestreckte Bucht mit feinem weißen Sand, die zur Pinguinkolonie führt. Herrlich!



Straßenrobbe
Wrack der 1936 gestrandeten "Lady Elizabeth"

Horst macht den Abflug

In dieser Woche lerne ich etliche Freunde von Cecil und Nisha, sowie Cecils Bruder Jaco, der ebenfalls mit seiner Familie hier lebt, kennen. Cecil fährt mit mir zum alten Leuchtturm, nimmt mich zum Tischtennisspielen mit, zeigt mir, wie hier Hallen-Cricket gespielt wird. Auch bei den Salutschüssen zum Geburtstag von König Charles sind wir dabei. Und wir nehmen uns Zeit für Gespräche und Erinnerungen. Doch viel zu schnell ist die Woche vorbei!


Der Abschied fällt mir wirklich schwer. Doch mein Flug wartet nicht. So werde ich um 8:00 Uhr vom Flughafen-Shuttle direkt von Cecils Haustür abgeholt – genau wie bei der Ankunft. Wäre schön, wenn ich noch einmal wieder hierher kommen kann. Ich bin unendlich dankbar, dass diese Begegnung hier am Ende der Welt möglich geworden ist!

Überraschung am Flughafen

Die Abfertigung am Check-in des Flughafens verzögert sich, weil das Internet streikt. Die gesamte Buslieferung von Fluggästen steht zur Hälfte im Gang der Eingangshalle, während die andere Hälfte draußen vor der Tür im kalten Wind steht und friert. Ich gehöre zur ersten Hälfte. So stehen wir vor uns hin und warten, und warten, und warten. Auf meine Frage, wohin die Reise für die junge, neben mir stehende Frau geht, kommt eine Gegenfrage zu den Aufnähern der Deutschen Flagge auf meinem Rucksack auf deutsch. Aber die Hörgeräte, die in meinen Ohren stecken, sind auf ENGLISH eingestellt, so dass ich die Gegenfrage nicht verstanden habe. Die Dame wird deutlicher lauter. Jetzt leisten meine Hörgeräte keinen Widerstand mehr und lassen die deutschen Wörter durch. 

"Ach, du kannst deutsch???"

"Ich bin aus Deutschland!"

"...und von wo?"

"Horneburg"

"Wie Bitte, aus wooo...???" Hake ich nach.

"Guderhandviertel, um genau zu sein. Aber das kenn ja kaum jemand."

"Kennst du Ahlerstedt?" frage ich vorsichtig und schaue in leuchtende Augen.

Hinweis für Outsider: Ahlerstedt ist mein Heimatort, wo ich aufgewachsen bin und mein Leben lang gelebt hatte, bevor ich auf Weltreise gegangen bin. Und Horneburg ist nicht weiter als eine halbe Stunde davon entfernt und eine mir wohlbekannte Stadt. 

Wie klein ist doch das Dorf, das wir 'Die Welt' nennen. Schnell finden wir eine Menge Gesprächsthemen und das stundenlange Warten auf den Check-in ist einen plötzlichen Tod gestorben.


*  *  *  *  *

Mittwoch, 6. November 2024

Horst auf den Spuren der Mennoniten

Die Farben Paraguays: Rot-Weiß-Blau

Auswanderungswelle

Deutschland ist in den letzten Jahren ein beliebtes Einwanderungsland geworden, insbesondere für Menschen, die als Flüchtlinge aus repressiven und gefährlichen Ländern oder als Kriegsdienstverweigerer ins gelobte Deutschland kommen. Wer sollte das nicht verstehen, können sie in Deutschland doch tun und lassen, was und wie sie es wollen und erhalten obendrein Unterstützungsleistungen und Bürgergeld, die sie in ihren Heimatländern nicht gibt. Wen stört es schon, dass diese Bezüge weit über die bescheidenen Bezüge deutscher Rentner, die ein Berufsleben lang in die Rentenkassen eingezahlt haben, hinaus gehen. 

Immer mehr Deutsche stört es! Uns zwar in dem Maße, dass immer mehr das Weite suchen – wenn man den so genannten Verschwörungstheoretikern glauben schenkt, die sich abseits der Mainstream-Medien tummeln. Demnach zieht es mehr und mehr Deutsche ins Ausland, die sich angesichts solcher Verhältnisse in ihrem Heimatland nicht mehr wohl fühlen. Wenn man nach beliebten Auswanderungsländern googelt, taucht unter anderem auch Paraguay als ein Land mit niedrigen Steuern auf und das mit etlichen Vergünstigungen lockt, weshalb es offenbar an Beliebtheit gewinnt.

Auf dieses "Schlaraffenland" für Auswanderer bin ich nun sehr neugierig.

Paraguay 

22. August 2024. Ich wandere über jene Brücke, die sich hoch über den Rio Paraná spannt und die Städte Iguaçu auf brasilianischer Seite mit Ciudad del Este auf paraguayischer Seite verbindet. Folgerichtig bin ich ein Einwanderer und befinde mich nach der Grenzkontrolle in der Paraguayischen Stadt Ciudad del Este.

Ciudad del Este ist eine einzige Konsummetropole, in der ich mich keinen Augenblick wohlfühle.

Ciudad del Este: alles voller Werbetafeln und ein verrückter Verkehr

Der Weg zum Hostel führt entlang der Hauptstraße, die rechts und links mit großen Shopping-Tempel und übergroßen Werbetafeln gesäumt ist. Und ein irrsinniger Verkehr, der von Dutzenden lustiger Polizei-Trillerpfeifen am natürlichen Fluss eher gehindert als gelenkt wird. Man erklärt mir, dass diese grenznahen Städte überall große Eingaufszentren haben, die hauptsächlich von Brasilianern und Argentiniern wegen der niedrigen Steuern und günstigen Ausfuhrbedingungen genutzt werden. Im  Hostel Hummingbird (Booking.com) verbringe ich also nur eine Nacht und nehme gleich morgens einen Bus nach Asunción.

Hauptstadt: Asunción

Paraguay ist nicht so riesig wie Brasilien, wo du tagelang unterwegs bist und auf der Karte kaum siehst, wie weit du vorwärts kommst. Die 320 km nach Asuncion sind in fünf Stunden abgeritten. Dort finde ich im Circo-Hostel (Booking.com) das preiswerteste Bett. Obendrein ist die Lage unübertroffen, es liegt direkt gegenüber des Präsidentenpalastes, dem Palacio de López aus dem Jahre 1867 (Wikipedia). Hier gefällt es mir und ich buche mich zunächst für zwei Tage ein. Danach verlängere ich um weitere drei Tage. 

Palacio de López (Blick aus dem Hostelfenster)

Mein Aktionsradius in Asunción bleibt recht bescheiden. Einerseits, weil ich viel Ruhe habe und mir Zeit und Energie fürs Blogschreiben nehme und zum andern, weil mich das Stadtleben im Moment nicht so recht interessiert. Selbst die Museen haben gerade keine anziehenden Wirkung auf mich. So mache ich meine Ausgehrunden ans Flussufer hinunter und im angrenzenden Stadtviertel des Palastes. Hier gibt es alles einzukaufen, was man fürs tägliche Leben braucht. Auch Ministerien haben hier ihren Sitz, so zum Beispiel die Immigrationsbehörde, auf die ich etwas weiter unten noch zu sprechen komme.

In wenigen Minuten Entfernung vom Hostel findet sich die Kathedrale. Und wenn man noch etwas weiter geht, kommt man zum Mausoleum, in dem einige Helden des Landes ihre Bleibe gefunden haben und von Soldaten stets bewacht werden. Auch der ehemalige Bahnhof, der jetzt als Eisenbahnmuseum dient, ist in diesem Viertel.

Kathedrale
Eisenbahnmuseum

Zwischen dem Palast und dem Paraguayfluss befindet sich ein Park, der für verschiedene Veranstaltungen genutzt wird, zum Beispiel fürs Oktoberfest.

Oktoberfest in Asunción

Wasserorgel zur Selbstbedienung

Wie gesagt, die Tage nutze ich im Wesentlichen, um endlich wieder Blog zu schreiben. Seit Wochen habe ich keine Erlebnisse mehr festgehalten. Ich bin immer wieder erstaunt, wie manche Leute einen Text herunterschreiben können – und fertig ist er. Bei mir dauert es erstmal eine gefühlte Ewigkeit, bis ich meine Gedanken in eine mehr oder weniger sinnvollen Reihenfolge hingeschrieben habe. Dann kommt die Phase der Formulierungen, die bei mir mindestens drei Durchgänge haben, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden bin. Puuuuh... Alter, bei mir ist das riiichtich Arbeit. Deshalb scheue ich mich manchmal auch, anzufangen.

Aber das Circo Hostel eignet sich sehr gut für meine Schreiberei, da ich einen fantastischen Ausblick auf den Präsidentenpalast habe, Spaziergänge bis an den Paraguayfluss machen kann und zur Abwechslung am Wochenende jede Menge Mädels vors Haus gekarrt werden, die sich für Junggesellinnenabschiede, Geburtstagsfeiern und ähnliches auf Partybussen durch die Stadt schaukeln lassen und hier direkt vorm Hostel eine Verschnaufpause einlegen.

Bei meiner Planung, was in Paraguay für mich wohl interessant sein würde, stellt sich heraus, dass – ähnlich wie in Ägypten, der Größte Teil der Bevölkerung verdichtet in wenigen kleinen Regionen lebt und ich lasse mir sagen, dass es besondere Orte gibt, wie Hohenau und San Bernardino, wo ich vermehrt deutsche Kultur finden würde. Diese verdichteten Regionen sind um die Hauptstadt Asunción herum und in der Grenzregion zu Argentinien im Süden um Encarnación herum zu finden. Darüber hinaus gibt es nur noch eine Handvoll Städtchen, die sich nördlich von Asunción, aber in der südlichen Hälfte des Landes zu finden sind. Die nördliche Hälfte sei so gut wie unbewohnt, von der indigenen Bevölkerung einmal abgesehen. Auf Google-Maps sehe ich tatsächlich auch nur eine Straße, die den Norden bis Bolivien durchquert.

Beim hineinzoomen dort im Norden von Paraguay entdecke ich auf Google-Maps plötzlich etliche deutsch klingende Ortsnamen, die meine Neugier wecken. Diego, ein Mitarbeiter im Hostel gibt mir noch den Tipp, auf jeden Fall genug Bargeld mitzunehmen. Dort gäbe es viel Wildnis, aber keine Geldautomaten. Besser auch die Online-Karten bei Google-Maps downloaden. Wahrscheinlich wird es – wenn  überhaupt, auch nur wenige Stellen geben, wo Internet-Empfang herrscht. Loma Plata sei die zentrale Ortschaft, die er empfehlen würde, als Ziel zu nehmen. Mit diesen Informationen im Gepäck geht's zum Busterminal in Asunción für die Fahrt in den Chaco nach Loma Plata. 

Ich lerne, dass der Chaco eine geografische Region ist, die den Norden Paraguays umfasst, und sich in den Süden von Bolivien und in den Norden von Argentinien hinein ausdehnt. 

Ich habe noch zwei Tage, die ich hier in Asunción bleibe. Jetzt will ich mich mal mit der Auswanderungsfrage beschäftigen. Gewissermaßen bin ich ja schon ausgewandert – wortwörtlich. Als Pilger zu Fuß aus Deutschland raus.... Hallo, Horst, jetzt aber mal nicht abschweifen!!! 

Alles, was mir bisher über das Auswandern nach Paraguay zu Ohren kam, hörte sich märchenhaft simpel an. Dem will ich jetzt mal auf den Grund gehen. Ich erkundige mich mich, wo die Immigrationsbehörde sei. Auch hierbei ist mir Diego vom Hostel eine Hilfe. Er beschreibt mir den Weg und zu meiner Überraschung befindet sie sich kaum zehn Gehminuten vom Hostel entfernt. So hab ich's gern!

Gleich am nächsten Morgen ziehe ich eine Nummer im Wartebereich der Behörde. Zwanzig Minuten später bin ich an der Reihe. Du kommst mit deiner Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, bzw. Scheidungsnachweis und einem polizeilichen Führungszeugnis zur Behörde. Alle Unterlagen müssen beglaubigt sein, das ist wichtig. Dann bekommst du nach drei Monaten Bearbeitungszeit eine auf zwei Jahre befristete Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Wenn du danach wiederkommst, gibt es zur Belohnung die Genehmigungen unbefristet. (Stand Sep. 2024). Wer da will, der komme – heute!

Immigrationsbehörde und die Anforderungen

Ausflug um Asunción

Für einen Tag miete ich mir ein Auto, um meinen Aktionsradius zu vergrößern und gezielt einige umliegende Orte von Asunción zu sehen. 



Es gibt interessante Dinge zu entdecken: alte und neue Ziegelbrennereien, Leute, die sich Flugzeuge in ihren Garten stellen, ein kleines neues Kolumbien und vieles mehr. Schnell wird klar, dass ich an einem Tag umherfahren nicht die wirkliche Vielfalt des Landes kennen lernen kann. Hierher muss ich auf jeden Fall nochmal zurück kommen...





Besonders fallen mir unterwegs immer wieder die riesigen Tafeln an den Straßen in wilder Landschaft auf, die über geplante Urbanisierung informieren. Zum Teil auch mit Kaufangeboten von Landflächen und Grundstücken.

Landschaftlich stelle ich fest, dass das Gebiet um Asunción unserem Mitteldeutschland sehr ähnlich ist. Es gibt viel bewaldete Hügel und Berge und der Bestand an Bäumen sieht beim ersten Blick wirklich aus, wie in Deutschland. Doch bei näherem Hinsehen, wird klar, das dies ein anderer Kontinent ist, denn Eichen, Buchen und Kastanien suchst du hier vergeblich. Stattdessen gibt es Eukalyptsbäume ohne Ende und viele andere Arten, die mir unbekannt sind.

Loma Plata

Verschlossenes Hotel ohne Nachtglocke

2. September 2024. Die Ankunft in Loma Plata nach fünf Stunden Fahrt mit dem Bus ist um kurz nach 4:00 Uhr morgens in der Früh. Es ist noch stockfinster und auch ein bisschen kühl. Ein Hostel habe ich weder bei Booking.com, noch in Google-Maps gefunden. Auch Hotels sind nur zwei oder drei bei Booking.com zu finden. Mit der Idee, dass ich Leute fragen werde, wo ich günstig unterkommen kann, habe ich nichts im Vorfeld gebucht. Da der Bus über Nacht fährt, würde ich mir mit der Suche Zeit lassen können. 

Die Straßenlaternen machen zwar etwas Licht, aber sie stehen weit auseinander. Angesichts dieser frühen Stunde, schaue ich auf Google-Maps nach Hotels, denn hier sind etliche verzeichnet im Gegensatz zu Booking.com, um vielleicht ein Bett zu bekommen. Denn auf der Fahrt habe ich kaum ein Auge zu bekommen und bin jetzt entsprechend müde. Das gewählte Hotel liegt etwa zweieinhalb Kilometer von der Busstation entfernt. Ich schultere meinen Rucksack und stehe 20 Minuten später vor der verschlossenen Glastür des Hotels "Olimar", die mit einen Blick auf die unbesetzte Rezeption erlaubt. Und eine Nachtklingel gibt es auch nicht. Bäh!!! Halb Fünf. Also lasse ich mich vor der Tür des Hotels draußen auf einem Stuhl sinken. Na sowas. "So willkommen bin ich hier also" denke ich , nehme mein Handy und schalte mir ein Hörbuch auf meine per Bluetooth verbundenen Hörgeräte, um den Tag abzuwarten.

Bei Tag entpuppt sich Loma Plata einerseits recht trocken und staubig – meine erste, noch unbewusste Berührung mit dem Chaco – andererseits aber mit einer Infrastruktur, wie ich sie weder in Brasilien noch bisher in Paraguay gesehen habe. Sämtliche Straßen und Fußwege sind hier in bemerkenswert gutem Zustand und bei einigen Straßen wird gerade der Belag mit Pflastersteinen neu gelegt. Ebenfalls sehe ich, wie ein paar Gehwege neu betoniert werden. Das ist ein so auffallend besseres Erscheinungsbild als das, was ich sonst so gesehen habe.

Bald habe ich herausgefunden, dass hier in Loma Plata viele Mennoniten leben - nein, sie machen den wesentlichen Teil der Bevölkerung aus. Dass Paraguay auch eines der Länder mit einer großen Zahl von Mennoniten ist, war mir schon seit einiger Zeit bekannt. Doch jetzt mitten drin zu sein, das war mir nicht klar. Loma Plata wurde in den Zwanziger Jahren von Mennoniten gegründet, die aus Kanada auswanderten.

Meine erste Begegnung mit dieser Glaubensrichtung hatte ich 1990 in Kitchener, Kanada. Die dort lebenden Mennoniten leben nach Traditionen von vor über 100 Jahren, sie lehnen moderne Kleidung ab und tragen Kleidung, als wären sie Protagonisten eines alten Western-Spielfilms, und fahren mit Pferdekutschen durch die Stadt. Hier jedoch ist keine einzige Pferdekutsche zu sehen und sie tragen Kleider wie du und ich, praktisch und modern. Sie halten die Deutsche Sprache und Lebensweise aufrecht. 

Das Museum der Mennoniten liegt etwas verstreut verteilt im Ortszentrum von Loma Plata und ist nicht direkt in einem Gebäude oder Gelände untergebracht.




Kirchen. Etwas das wahrhaftig gläubige Christen brauchen, ist ein Versammlungsort, an dem der Glaube durch Predigt des Wortes Gottes immer wieder neue Nahrung bekommt: eine Kirche. Neugierig wie ich nunmal bin, schaue ich mich auch diesbezüglich etwas genauer um. Und siehe da, es gibt Kirchen. Aber nicht nur eine oder zwei. Ich habe sie nicht gezählt, aber deren Dimension übertrifft alle meine Vorstellungen. Durch die Fenster sehe ich Riesesäle, mit Fassungsvermögen von geschätzt zwischen 500 und 1.000 Sitzplätzen. Vielleicht auch mehr. Ich bin fasziniert und begeistert. Sonntags sehe ich ein Gewimmel von Menschen vor den Kirchen und Leere in den Straßen. So stelle ich mir lebendiges Christentum vor.



Der Ort breite sich flächenmäßig über einige Quadratkilometer aus, was unter anderem an den riesigen Grundstücken liegt. Um möglichst viel hier entdecken zu können, will ich eins von diesen unglaublich vielen Mopeds oder Motorroller für ein paar Tage haben. Mieten, meine ich natürlich. Da werde ich mit einem erschreckenden Ereignis konfrontiert: Google versagt bei dieser Frage vollständig und leitet mir Autovermietungsangebote aus Brasilien zu. Was für'n Quatsch! Also frage ich die Leute vom Hotel. "Nee, keine Ahnung" kommt als Antwort. Aber man bietet mir ein etwas in die Jahre gekommenen Fahrrad an. Na, besser als zu Fuß, denke ich bei mir. Damit fahre ich los, um andere Leute zu fragen. So mache ich Halt bei Hibert, einem Verkaufsgeschäft von Motrrädern, mit angegliederten Mopedwerkstatt, und komme mit Ricky ins Gespräch, einem fröhlichen jungen Mennoniten, wie sich im Gespräch herausstellt.

Ricky Hiebert

Aber auch Hiebert vermietet nicht und weiß von keinem anderen Vermieter von Motorrädern. "Okay, wie wär's, wenn ich ein gebrauchtes Moped kaufe und in einer Woche zum reduzierten Preis wieder na dich zurück verkaufe. Die Preisdifferenz wäre dann der Mietpreis", schlage ich vor. Er sei nicht der Chef, erklärt mir Ricky. Meine Bitte "...dann frag den Chef oder sag mir, wann und wo ich ihn treffen kann", bringt mich auch nicht weiter. Kurzum, nirgends finde ich jemand, der mir für einen Obolus seinen fahrbaren Untersatz für einen oder zwei Tage überlässt, obwohl es davon Tausende hier gibt.

Also geht es weiter mit dem Drahtesel mit dem ultraharten Sattel, der mir vom Hotel zur Verfügung gestellt wird – jede Menge Mopeds fahren hier herum, aber irgendwo mieten? Fehlanzeige! – jetzt gehe ich auf Entdeckungstour. Es wird spannend.


🎼 Jooo, ik bin mi'm Radl do...🎶 singe ich in Gedanken und drehe meine Runden durch den Flecken. Ich komme am Flugplatz vorbei, der direkt gegenüber der Tankstelle am Ortseingang von Norden her liegt. Ob man hier einen Pilotenschein machen kann...?


Im Ort haben sich Industrien entwickelt, die hauptsächlich Milch, Fleisch und Baumwolle verarbeiten. Es gibt zahlreiche Händler, die sich auf Landmaschinen spezialisiert haben. Die Grundstücke für Wohnhäuser sind teilweise echt großzügig bemessen und haben tolle Häuser darauf. Und beim Einkaufen gibt es Ladenöffnungszeiten wie in Deutschland von vor fünfzig Jahren. Mittags ist von 12:00 - 14:00 Uhr dicht. Rien ne va plus. Ebenso ist Samstags ab 14:00 Wochenende.

Landmaschinenhandel

Wohnhäuser

Post

Zahllose Mopeds

Deutschland lässt grüßen (Fensterbanderole)

Geschichtsunterricht über Mennoniten

Ich will mehr über die Herkunft, Glauben, Lebensweise und Geschichte der Mennoniten erfahren. Warum sprechen sie alle Deutsch und dabei ein so gutes, akzentfreies Deutsch?

Hier nun die lange Geschichte in kurzen Sätzen das, was ich herausgefunden habe:

Der Ursprung geht weit zurück ins 16. Jahrhundert, als die Täuferfrage zu blutigen Auseinandersetzung führte. Menno Simons, der Namensstifter, lebte und wirkte als Pfarrer in Witmarsum (Google Maps), einem Ort, der zu jener Zeit zu Friesland gehörte und der in den heutigen Niederlanden liegt. Es ging dabei wohl hauptsächlich darum, ob der Täufling über seine Taufe selbst entscheiden soll, oder ob es die Eltern bei einer Kindstaufe tun können.


Menno Simons vertrat die Auffassung, dass nur Erwachsene selbst für sich entscheiden sollen und hatte damit einen Konflikt mit der Katholischen Kirche, die ihn dafür tot sehen wollte. Die meisten seiner Anhänger verstreuten sich nach und nach in Richtung Osten, zuerst in eine Sumpfregion um Danzig, Deutsches Reich, später von dort in die heutige Ukraine, wo sie vom Zaren Land 'auf Ewigkeit' zugewiesen bekamen, sowie das Recht zur freien Religionsausübung. Dort errichteten sie prosperierende Kolonien. Diese Ewigkeit endete 1874 mit der Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht, sowie der verpflichtenden Russischen Sprache, an der sich Mennoniten nicht beteiligen wollten. Damit setzte die erste Ausreisewelle aus Russland nach Nordamerika ein, insbesondere nach Kanada. Denn dort gab man ihnen Glaubensfreiheit und eigenen Schulunterricht. Dennoch hatten sich die Mennoniten durch geschickte Verhandlungen mit der Russischen Regierung eine Reihe von Privilegien in Bezug auf Religionsausübung, Schulwesen und Sozialeinrichtungen sichern können. 1914 endete diese Zeit dramatisch. Mit dem Landenteigungsgesetz und des Sturzes des Zaren 1917 setzten Verfolgungen, Plünderung und Morde ein. Von den 21.000 (!) flüchtenden Mennoniten gelang nur einem Drittel die Flucht aus Russland. Das Schicksal dieser Menschen entzieht sich jeder Beschreibung. Die, denen die Flucht gelang, fanden neue Heimat in Kanada, Brasilien und Paraguay.

Als in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auch Kanadas Gesetze dahingehend geändert wurden, dass der Schulunterricht nur noch staatlich durchgeführt werde durfte, schlossen sich über 300 Mennoniten zusammen und organisierten ihren Umzug nach Paraguay. Im Dezember 1926 zogen sie von Manitoba ging es mit Pferd und Wagen nach New York, von dort per Dampfer nach Buenos Aires und über Land bis nach Paraguay wiederum mit Pferd und Wagen. 


Jede Gruppe, die in Paraguay ankam, errichtete eine separate Kolonie. Das Land, das sie vorfanden, war schiere Wildnis. Mit Fleiß, Gemeinschaftssinn und Durchhaltevermögen ist daraus bis heute ein wichtiger, starker und unverzichtbarer Wirtschaftszweig des Landes geworden, der viele Paraguayer und Indigene anzieht.



Die Siedlung Loma Plata nannte man ursprünglich 'Menno' und wird auch bei Mennoniten immer noch so genannt, d.h. wenn jemand von Menno spricht, dann meint er den Ort Loma Plata. Hier sind die 1926 aus Kanada eingewanderten Mennoniten zuhause.

Die Deutsche Sprache ist für Mennoniten ein Identifikationsmerkmal, ebenso Fleiß und lebendiger Glaube an Gott. Darum wurde bei jeder neuen Kolonie in Vergangenheit wie in der Gegenwart ein Schulsystem etabliert, das die Deutsche Sprache als ein Kernfach beinhaltet. Für die Bildung des Glaubens gibt es Bibelschulen. Von Fleiß, Gründlichkeit und Organisationsvermögen, welches den Deutschen nachgesagt wird,  kann man sich hier binnen zwei Tagen bestens überzeugen.

Diese Beschreibung der Geschichte ist sehr komprimiert und auch dadurch ungenau. Aber es gibt in Etwa wider, was ich in Erfahrung bringen konnte.

Filadelfia

Mittlerweile habe ich Loma Plata verlassen und bin nach Filadelfia umgezogen. Hier gibt es ebenfalls kein Hostel, so dass ich wieder in ein Hotel ziehen muss, wo ich allerdings tolles Personal antreffe, Ana und Valerie. Sie geben mir Tipps, wo ich Interessantes entdecken kann. Ana vermietet mir ihren eigenen Motorroller, mit dem ich jetzt einen guten Aktionsradius habe. Jetzt komme ich besser herum...!

Der Ort Filadelfia wurde ursprünglich 'Fernheim' (d.h. fern der Heimat) genannt und ist ebenfalls, wie alle Orte in dieser Gegend, durch Kolonisation von Mennoniten entstanden. Im Gegensatz zu Loma Plata haben sich hier die Mennoniten aus Russland niedergelassen. Der Name 'Fernheim' ist heute der Name der dortigen Kooperation. 


Filadelfia hat auch einen Flugplatz, den ich mir ansehe. Wenn ich es richtig verstanden habe, befindet sich der Flugplatz in Privatbesitz und wird nicht regelmäßig bedient. Und dann gibt es hier eine eigene Radiostation. 

Radio ZP-30, La Voz Del Chaco Paraguayo

Beim Besuch eines Mennonitischen Gottesdienstes und auch beim studieren von Büchern im Fernheim-Museum, nehme ich wahr, dass Glaube und Lehre sehr eng mit der Evangelischen Kirche verbunden ist. Ich kann keine ungewöhnlichen Handlungen beobachten, die sektenartig auf mich wirken würden. Es fühlt sich sehr vertraut an, hier zu sein. Dennoch gibt es etwas, das auffällt: Das Bekenntnis ist frei und offen, die Kirchen sind sehr groß, gemessen an der Größe der Orte, und – sie sind voll!

Dass die Mennoniten diese trockene und aus meiner Sicht unwirtliche Region urbar gemacht und in so produktive Felder umgewandelt haben, nötigt mir maßlosen Respekt ab, wie man das hinbekommt. Um meine Neugier darüber zu befriedigen, suche ich bei workaway.info, ob hier nicht vielleicht jemand meine Hände gebrauchen kann und ich dadurch für ein paar Wochen hier bleiben könnte.

Workaway bei Marylin

Tatsächlich finde ich einen Eintrag in Filadelfia von einer Marylin über die Arbeit in ihrem Hotel und ökologischen Hof auf der Internet-Plattform workaway.info, auf den ich sofort eine Anfrage absetze. Das passiert noch in Loma Plata. Zwei Tage, drei Tage vergehen, ohne Rückmeldung und ich fürchte schon, das wird nichts werden.

Dann aber bekomme ich von Ana, dem Mädel, das mir ihren Motorroller vermietet hat, den Tipp, zur Estancia Iparoma (Homepage auf Facebook) zu düsen. Soll ein toller Ort sein. Okay, ich schmeiß den Motor an und fahre, und fahre, und fahre... 

ESTANCIA IPAROMA

Marylin mit Enkelsohn

Es sind ganze 20 km bis ich am Ökohof, der auch ein Hotel ist, ankomme. Im Gespräch mit den Leuten, sticht immer wieder der Name heraus "Marylin", der mir von Workaway her bekannt vorkommt, und ich frage nach. Nach wenigen Minuten haben wir einen Deal: Ich darf hier bei Marylin Workaway machen.

Für die Zeit vom 9. bis 27. September 2024 sind meine Aufgaben im Wesentlichen:

  • Täglich morgens um 6:30 Uhr Hühner, Enten, ein Reh und Schildkröten füttern, nachmittags auch. Und Abends alle wieder einfangen und in den Stall lotsen.
  • Kuhstall ausmisten
  • Sand und Staub nach je nach Bedarf auskehren und Pflanze gießen.
  • Bereitstellung von Mate bei von Hotelgästen gebuchten Safaris.
  • Große und kleine Projekte wie Reparaturen in oder am Haus, an elektrischen Geräten und Möbeln.

Workaway-Tätigkeiten...

...und Flora und Fauna kennenlernen

Meine Workaway-Zeit vergeht wie im Fluge, denn es gibt neben den eigentlichen Aufgaben immer auch interessante Dinge zu erleben oder einfach bei einer Runde Mate etwas zu erzählen. Da sind tolle Leute, wie Vilma, die Köchin, Damian, ein Kerl für alles … ich meine damit, es gibt nichts, was er nicht kann, dann ist da noch die Familie von Joel, Marylins Sohn, die einen kleinen und lustigen Bub haben. Ach, und noch so viele andere tolle Leute, die ich hier kennenlerne! Da ist immer irgendwas los.

Die Luft ist an manchen Tagen schwer, weil in Olivier die Wälder brennen und der Rauch übers Land getrieben wird. Dann ist die Sonne den ganzen Tag Orange-Rot. Regen erlebe ich in dieser Zeit nur an zwei Tagen. Die Temperaturen steigen bis zu 42°C an und in manchen Nächten fällt das Thermometer bis 12°C.

10-fach Zoom, unbearbeitet

Richtig großartig finde ich Marylins Einfallsreichtum. Ständig hat sie neue Ideen, was gemacht und geändert werden könnte. Am coolsten ist ihre Idee, ihr bei Safaris zu helfen, die die Gäste bei ihr buchen. Das sind Ausflüge in den Chaco, um Pumas, Tapire, Gürtelrosen... oh sorry, hab mich versprochen, ich meine natürlich Gürteltiere in freier Wildbahn zu beobachten. Meine wichtige Aufgabe dabei ist, ihren Mate festzuhalten, damit er nicht umkippt und das Auto versaut, sowie ihn gelegentlich aufzufüllen. Echt Schwerarbeit 😎. 

Pumas und Tapire habe ich zwar nicht gesehen, aber mein Sternzeichen, ein Gürteltier und Spezialwildschweine sind dabei.



Mate

Was in Deutschland als Mate-Tee bekannt ist, kennt man hier als belebendes Getränk und nennt ihn nur 'Mate'. Man kauft den Mate in unterschiedlich großen Packungen, in einer kleinen Tüte mit 80g bis hin zu Paketen von 1kg und vielleicht auch noch größer – aber niemals in Teebeutelchen, die man ins Wasser hängt. Statt dessen füllt man das grobe Pulver der Matepflanze in einen Holz- oder Hornbecher fast randvoll. Dann wird heißes (morgens) oder kaltes (mittags bis Abends) Wasser hinzugefügt. Mit einem Röhrchen, das am unteren Ende aussieht wie ein Löffel, der kleine Filterlöcher hat, wird da Gebräu getrunken. Man sieht Leute stets mit einem Becher, in dem das Saugrohr steckt, und einer Thermoskanne bei der Arbeit, in geselliger Runde und sogar im Fernsehen bei den Nachrichten. 

Materunde

Die gesellige Runde hier bei Marylin war für mich die Mate-Taufe, als ich ihn neugierig probiert habe. Es hat einen rauchigen Geschmack. In der Runde ist immer irgendwer der Mate-Chef, d.h. diese Person füllt den Becher immer wieder neu auf und gibt ihn in der Runde dem jeweils nächsten. Alle trinken aus demselben Becher und demselben Röhrchen. Zehn verschiedene Münder lutschen also daran... Hmmm, hat mir zuerst ganz schön Überwindung gekostet, das auch zu tun. Nach zwei Runden ist dieser innere Widerstand gebrochen. Im Gegenteil, ich bin Teil der Runde und fühle mich zugehörig. Das ist doch soviel mehr Wert, als das Festhalten an Gewohnheiten und Konventionen.

Mein Mate beim Blogschreiben

Der Grieche

Kulinarischer Hochgenuss

Bei einem Ausflug nach Filadelfia treffe ich einen Mann, des sich als Besitzer, Manager, Betriebsleiter und Chefkoch eines hiesigen Restaurants ausgibt. Es sei ein Griechisches Restaurant (Google Maps). Er empfiehlt mir, ich solle unbedingt mal herein schauen. Anastasios, so heißt dieser sympathische Mann, lässt mich dann voller Stolz wissen, dass dies das beste Griechische Restaurant der ganzen Stadt sei. Es gibt nämlich kein Zweites. Weiter erfahre ich, dass es sogar das beste Griechische Restaurant in ganz Paraguay sei. Es gibt nämlich kein Zweites... 

Meine Fantasie lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen und mir bleibt keine andere Wahl, als diese großen Worte auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu untersuchen. Ich hab's getan. Ich habe ihn auf die Probe gestellt. Ich habe dort gegessen. Heute kann ich aus vollster Überzeugung sagen: Dies IST mit Abstand das beste Griechische Restaurant von ganz Paraguay!!! Allein dafür lohnt sich ein Abstecher in den Chaco!

Menschen im Chaco

Nach meiner Beobachtung gibt es drei verschiedene Sorten Menschen hier, die sich untereinander offenbar nicht oder nur unmerklich vermischen: 

  1. Weiße, wie in Deutschland, groß gewachsen, blond und blauäugig. Sie sind nach meiner Beobachtung (die nicht unbedingt der Realität entsprechen muss) mit geschätzt 60-70% Bevölkerungsanteil die größte Gruppe sind. Das sind mit fast hundertprozentiger Sicherheit allesamt Mennoniten. Zumindest alle, mit denen ich ins Gespräch komme, sind es. Und alle sprechen sie Deutsch – und Plattdeutsch! Das Hochdeutsch sprechen viele fast akzentfrei. Nur das Platt verstehe ich nicht. 
  2. Paraguayaner, Latinos, mit Frauen, die schöne glänzende und langen schwarze Haare tragen. Sie sind Nachfahren der Spanischen Eroberer, die Spanisch, aber weder Deutsch noch Englisch sprechen.
  3. Indigene, die von den Mennoniten "Indianer" genannt werden und an der leicht platten Nasenform, ihrer kaffeebraunen Haut und pechschwarzen Haaren, sowie häufig an traditioneller Kleidung erkennbar sind. Ihre Sprache ist Guaraní und nicht alle von ihnen verstehen Spanisch.

Treffen in Conceptión

Was führt mich nach Conceptión? Zwei Gründe sind es: zum einen will ich möglichst viel von Paraguay sehen, und zum anderen traf ich Prudencio in Asunción am Busterminal. Sein Weg ging nach Conceptión und meiner nach Loma Plata. Aber ich dürfe Conceptión auf keinen fall verpassen, sagte er mir. Das habe ich als eine persönliche Einladung für mich aufgefasst. Keine Ahnung, ob er es auch so gemeint hatte.

Bus von Filadelfia nach Conceptión mit Fahrer

Nun sitze ich also im Bus von Filadelfia nach Conceptión und schreibe eine WhatsApp-Nachricht an Prudencio. Das Schreiben auf dem Handy wird zu Herausforderung, denn die Straße ist streckenweise nicht asphaltiert, d.h. die Schotterstraße ist derart mit Schlaglöchern und Unebenheiten übersät, dass es einem voll ins Kreuz geht. Schritttempo kommt sehr oft vor und nimmt gar kein Ende.

Als ich endlich dort ankomme, wartet Prudencio tatsächlich auf mich. Er hilft mir sogleich, ein Quartier zu finden. Ich muss ja sagen, diese Menschen hier sind so unglaublich hilfsbereit, dass mir manchmal dir Wort fehlen.

Die Stadt Conceptión liegt am riesigen Rio Paraguay. Hier gibt es einiges zu entdecken und zu bewundern: die Hauptdurchgangsstraße ist ein einziges Museum von Straßen- und Ackermaschinen der Gründerjahre, wohl von um die Jahrhundertwende.

Dann schaue ich mir den Hafen an, der offenbar nur während des Hochwassers angefahren werden konnte und seine Blütezeit wohl schon länger hinter sich hat. Aktuell verkehren hier Fähren, die Personen und Waren von einem Ufer zum andern bringt.

Für den nächsten Tag werde ich von Prudencio eingeladen, es soll Asado geben. Den ganzen Tag über streune ich durch die Gassen von Conceptión und mache meine Fotos. Da ich nicht weiß, wann und wo Prudencio mich einsammeln will, frage ich kurz nach. "Nein, heute habe ich keine Zeit!" Hoppla, da war mein Spanisch doch noch nicht so reif, dass ich die Einladung richtig verstanden habe. Überhaupt stelle ich deshalb die ganze Einladung infrage. Wer weiß, was er wirklich gesagt hat...

Doch Prudencio hält sein Wort am nächsten Tag. Zusammen mit mir hat er noch einen weiteren Freund eingeladen. Der Abend ist lustig, denn eigentlich sind wir zu viert: Prudencio, sein Freund Augustino, ich und ... der Google-Übersetzer. Fast für jeden Satz musste der Übersetzer herhalten. Doch mit meinem rudimentären Spanisch bringe ich doch einiges zum Ausdruck – ohne dass sich die beiden kaputtlachen müssen. 

Als ich Hunger bekomme, nachdem ich mir den ganzen Tag vorgestellt hatte, dass es am Abend einen  Teller voll Asado geben würde, sehe ich dieses Restaurant, das seine Tische und Stühle auf dem Gehweg ausgebreitet hat und eine Kellnerin mir mit freundlichem Blick einen Tisch anbietet. "Okay, von dir lasse ich mich heute gerne mal versorgen" denke ich bei mir und nehme Platz. Da ich abends keine großen Portionen verschlingen mag, bestelle ich nur einen Teller Pommes und ne Pulle Bier. 

'Meine' Kellnerin serviert mein Bier und das Essen und fällt mir durch ihre Aufmerksamkeit auf. Das finde ich sympathisch und wir kommen für einen Moment ins Gespräch, da noch nicht viele Gäste an den Tischen sitzen, die sie bedienen muss. Als ich zahle, sage ich zu ihr, wie ich ihre Aufmerksamkeit bewundere und dass ich sie als Person sympathisch finde. "Was können wir tun, um einander besser kennenzulernen?" frage ich sie. Als ob sie darauf gewartet hätte, schreibt sie mir sogleich ihre Nummer und ihren Namen auf. Heidewitzka, wer hätte das gedacht? 

Doch leider geht mein Bus am nächsten Tag...

Rainer und sonst keiner

Mein Plan ist, nach Asunción und von dort nach Encarnación und Hohenau zu fahren. Als ich am Busterminal in Asunción auf den Bus nach Encarnacíon warte, kreuzt ein Kerl mit fast dem gleichen Rucksack, wie ich ihn habe, meinen Weg. One lange nachzudenken frage ich ihn auf Deutsch nach seinem Ziel. Und tatsächlich habe ich es mit einem Landsmann zu tun. Er stellt sich als Rainer vor, will binnen sechs Monaten möglichst viel von Paraguay, Argentinien und Brasilien sehen. Schnell stellt sich heraus, dass wir für die nächsten Tage die gleichen Ziele haben. So verabreden wir uns, Encarnación und Hohenau gemeinsam zu erkunden. 


Hohenau & Co.

Wie zuvor schon Blumenau in Brasilien, enttäuscht Hohenau auf ganzer Linie. Das Dorf vergibt sich stolz den Titel 'Hauptstadt der Einwanderer' zu sein. Doch wir entdecken beim Gang durch den Ort nur ein einziges fotografierwürdiges Haus und ein Banner mit einer Einladung zum Bierfest – auf spanisch. Hallo?!

Heinrich-Krug-Haus, heute Museum

Es regnet fast den ganzen Tag, so dass wir kaum einmal aussteigen, außer, um in einem 'Deutschen' Restaurant zu essen. Hier versteht man endlich einmal die Deutsche Sprache. Egal, ich bin nicht zum Jammern auf Reisen. Auch andere Orte in dieser Region, die zusammen als deutsche Kolonie von vielen empfohlen wurde, vermitteln uns keinerlei Heimatgefühle. 

Eine deutlich bessere Destination sind die Ruinen der Jesuiten-Kolonien in der Nähe von Hohenau, denen wir noch einen Besuch abstatten.







Und dann – Tschüß!

Meinen Abgang aus Paraguay hatte ich mir zwar etwas triumphaler vorgestellt. Aber es wie sagen wir gerne auf Deutsch: 

"Der Mensch denkt, und Gott lenkt – der Mensch dachte, und Gott ...." (dies versteht man in keiner Übersetzung, man kann es wirklich nur auf Deutsch verstehen).

Wieder zurück von dieser Exkursion setze ich mich in Encarnación am 11. Oktober 2024 in einen ÖPNV-Bus nach Posadas, das am gegenüber liegenden Ufer des Rio Paraná auf argentinischer Seite des Flusses liegt und mit diesem Bus über eine Brücke erreichbar ist. 

Fazit

Dieser Blogartikel würde mehr als dreimal so lang werden, wenn ich alle Erlebnisse und Erfahrungen erzählen würde. Immer wieder kürze ich ab oder lasse Dinge ganz weg. Eigentlich schade...

Paraguay ist ein unglaublich vielfältiges Land, in dem man fruchtbare Regionen im südlichen Teil des Landes findet und savannenartige Buschlandschaften im Norden, dem Chaco. Ethnisch gibt es hier die ursprünglichen, indigenen Stämme, die Paraguayer, die Mennoniten, und viele Deutsche, Polen, Ukrainer und sicher noch andere, die hier eine neue Heimat gefunden haben. Kaum Kriminalität, aber sehr viel Hilfsbereitschaft. Wirtschaftlich der am stärksten aufstrebende Staat Südamerikas. Als Reiseland ist Paraguay aus meiner Sicht ein unentdecktes Kleinod.


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