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Donnerstag, 21. September 2023

Kenia


Geflüchtet

Jetzt bin ich nicht nur aus der umkämpften Amhara Region, sondern aus dem Land (Äthiopien) geflohen. Was ein guter Einfall war, wie sich später herausstellt. Denn die Kämpfe werden auch in der Stadt ausgetragen.


Da sitze ich jetzt schon wieder in einem Flugzeug, obwohl ich das ja nach Möglichkeit vermeiden will, weil (a) ich viel zu viel von Land und Leuten verpassen würde, (b) es meine Reisekasse früher oder später sprengen würde, und (c) weil mein ökologischen Fußabdruck nicht größer als meine natürliche Schuhgröße 41 sein soll.


Ich kann nicht einschlafen, zu viele Gedanken schießen mir durch die Rübe. Dafür bekomme ich so langsam einen Silberstreif am Horizont zu sehen. Der nützt allerdings nicht viel. Schließlich schlafe ich dann doch noch ein und wache erst beim Landeanflug auf Nairobi wieder auf. Nach zwei Stunden Aufenthalt in Nairobi geht es weiter nach Mombasa. Warum eigentlich Mombasa? Nairobi wär's doch eigentlich gewesen, oder? Von Nairobi pendeln Züge und ich würde vom Land viel zu sehen bekommen und vielleicht auch ein paar wilde Tiere.

Jetzt folgt die gruselige Erklärung, weshalb ich nicht in das näher liegende Nairobi reise. Nachdem Äthiopien den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, war ich ja neugierig, was die Welt über diese Entwicklung weiß. Abgesehen von einem kurzen und sehr vage gehaltenen Reuters-Bericht, der sich auf Aussagen zweier Ärzte und einer weiteren Person bezog, kam da nicht viel heraus. Ungläubig, wie ich manchmal sein kann, habe ich weiter gegoogelt, vor allem wollte ich wissen, ob in Deutschland irgend etwas bekannt geworden war. Und prompt habe ich die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes vor der Nase. Da steht nur, dass Äthiopien gefährlich ist. Angstmache im Standarformat! Da Äthiopien nun hinter mir liegt, lese ich den ganzen Müll (sorry für diese Bewertung) durch und hake es für mich ab.

Weshalb ich dann aber auf der Seite des Auswärtigen Amtes bleibe und neugierig gucke, was da über Kenia steht, wird mir für immer ein Rätsel bleiben. Nach Auffassung des Auswärtigen Amtes, ist Kenia nämlich fürchterlich gefährlich, zwar weniger aus politischer Sicht als vielmehr wegen der Kriminalität im ganzen Land, was potenziell jeden Besucher des Landes treffen kann. Himmel, Arsch und Zwirn! Das hat mir jetzt noch gefehlt. Ich frage mich, ob ich Kenia überspringen und bis nach Tansania fliegen sollte??? Zum ersten Mal auf meiner ganzen Reise bin ich zutiefst verunsichert, und  krieg das blöde Gefühl nicht mehr abgeschüttelt. Schließlich buche ich Mombasa doch, allerdings mit einem mulmigen Gefühl. Ich beschwichtige mich, Mombasa liegt ja ziemlich nah an der Grenze zu Tansania. Wenn es Probleme geben sollte (solche Gedanken hatte ich noch nicht), werde ich kurzen Prozess machen und flüchte ebenfalls aus Kenia. Fluchterfahrung habe ich jetzt ja!

Jetzt greife ich einfach mal vor. Die Zeit in Kenia und die Begegnungen und Momente waren am Ende so wunderschön, dass ich meinen Plan hätte ändern müssen. Ich habe viel verpasst, weil ich meinem inneren Drang, durch die Savanne nach Nairobi und von dort weiter nach Uganda zum Viktoriasee zu reisen, nicht mehr gefolgt bin. Dabei habe ich etwas sehr Wichtiges gelernt: ich werde nie wieder die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes anschauen, sondern mich nur noch darauf verlassen, was mir Menschen sagen, die schon dort waren, wo ich hin will. Nie mehr!!! Man kann wirklich Angst bekommen, wenn man das Amt ernst nimmt. Nebenbei bemerkt, die Britischen Behörden machen es fast noch schlimmer. Ich mag es niemandem empfehlen,  Reisewarnungen in eine Reiseplanung einzubeziehen. Man sollte sich einmal überlegen, welche Warnungen andere Länder über Deutschland herausgeben müssten. Deutschland ist für viele Menschen lebensgefährlich!!! So, jetzt habe ich mich über diesen Mist einmal ausgekotzt, weil ich mich habe ins Bockshorn jagen lassen. Jetzt aber genug davon.

Kilimandscharo (5.896 m Höhe)

Mombasa

Hallo Rucksack, wo bist du?

Nach dem ruhigen Flug, vorbei am Kilimandscharo, bin ich um die Mittagszeit in Mombasa gelandet. Das einzige, was nicht in Mombasa gelandet ist... WO IST MEIN RUCKSACK??? Ich schlagartig für eine gute Stunde im SAR-Modus: Rucksack nirgendwo zu sehen. Ich werde den SAR-Modus auf den Baggage Claim übertragen. Da steht aber schon ein Pärchen am Schalter. Und die stehen da, und stehen, und stehen, ohne sichtbare Veränderungen. Es dauert eine geschlagene Stunde, bis die beiden dort mit einem Zettel in der Hand den Schalter verlassen. Jetzt bin ich dran. Der Schalterbeamte ist durch eine Sicherheitsglasscheibe vor mir geschützt. Wahrscheinlich fühlt er sich auch völlig sicher, denn er legt Zettel zusammen, tackert sie in Seelenruhe zusammen, um festzustellen,  dass noch ein Zettel fehlt. Also die Klammer lösen, den letzten Zettel an die richtige Stelle zwischen die anderen und wieder tackern. Das Ganze wird ordentlich in eine Sammelmappe gelegt. Und jetzt muss der gute Mann mit seinem Handy ein Telefonat führen. Damit ist er dann doch erstaunlich schnell fertig und schaut mich an, fragt, was ich wolle...

Nach drei Tagen bekomme ich eine Email mit der Info, dass mein Rucksack am Flughafen abgeholt werden kann. Endlich wieder Zähne putzen! 


Währenddessen lerne ich die Stadt kennen. Besonders hübsch finde ich die unerwartet kleine Altstadt. Das Zentrale Bauwerk dort ist das Fort Jesus aus dem 16. Jahrhundert. Drum herum gruppieren sich Häuser im Kolonialstil.


Fort Jesus




  


Kein Couchsurfing und keine Safari

In Mombasa hat es mit Couchsurfing nicht geklappt. So finde ich über booking.com ein schnuckeliges Backpacker Hostel, das Akogo House mit Tom, dem hilfreichen und zuvorkommenden Gastgeber.

Akogo House Hostel Mombasa

Von hier aus mache ich Ausflüge in die kleine Altstadt von Mombasa und treffe wundervolle Menschen. So treffe ich in einer Strandbar - mit herrlichem Blick über den Indischen Ozean, Florence und ihre Freundin Sabina. Beide zartbitter-schwarz, wie alle hier, und voll nett. Die beiden erklären mir Ugali, das Nationalgericht, das aus Maismehl und Beilagen wie Hühnchen und verschiedenes Gemüse angerichtet wird. Ich lasse mich also nicht zweimal bitten und bestelle Ugali. Schmeckt mir, vor allem zusammen mit dem guten Kenianischen Tusker Bier.

Pembe Za Ndovu

Wer jetzt denkt, dass jemand, der in Kenia ist, auf jeden Fall eine Safari macht, der hat sich geschnitten, jedenfalls bei mir. Für solche "must haves" bin ich nicht unbedingt zu haben. Ich bin kein Tourist, sondern ein Reisender, der dort ist, wohin der Wind ihn trägt. Ja, ich würde eine Safari schon gerne machen, wenn sich eine gute Gelegenheit dafür ergibt. Dann sage ich nicht 'Nein'. Aber es ist nicht mein Fokus, in den jeweiligen Ländern die allseits bekannten Highlights mitzunehmen, die Urlauber in der Regel von vornherein einplanen. Ausnahmen mache ich aber auch, wie beispielsweise bei den Pyramiden in Ägypten. Die wollte ich unbedingt sehen. Von Anfang an. Ebenso gibt es in Kenia dieses Portal aus überdimensionalen Stoßzähnen von Elefanten, die Pembe Za Ndovu (Elfenbein) auf Suaheli genannt werden. Die will ich unbedingt sehen, weil ich sie in einem interessanten Buch vom Reader's Digest Verlag, das meine Eltern hatten, als Kind immer wieder bewunderte. Dort waren sie als Schwarz-Weiß-Foto abgedruckt. Wenn ich einmal nach Kenia komme, will ich sie in Echt sehen und anfassen! Davon habe ich schon als Kind geträumt.

Pembe Za Ndovu
 
Traveler
Florence

Araber in Kenia

Sabina, die ich zusammen mit Florence in einer Strandbar von Mombasa kennen lernte, lud mich ein, einen mystischen Ort zu besichtigen. Dadurch komme ich nach
Jumba La Mtwana. Es hat wirklich Mystiches an sich, ein fast zugewachsenes Dorf aus früheren Zeiten und befindet sich etwas außerhalb im Norden von Mombasa. Hier hatten sich Araber in 14. Jahrhundert einen Handelsstützpunkt aufgebaut. 

Ruinen von…

…Jumba La Mtwana

Sabina

Aufgrund der versiegenden Süßwasserversorgung wurde das Dorf zweihundert Jahre später aufgegeben. Die Ruinen lassen heute noch erahnen, in welchem Luxus man damals lebte. Ich habe den Eindruck, dass hier am Indischen Ozean viele Kulturen über die Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende hinweg miteinander einen regen Austausch geführt haben.

Sonntag, Kirche!

NAC Mombasa-Kongowea

Am Sonntag, den 13. August 2023, besuche ich den Gottesdienst in der Neuapostolischen Gemeinde Mombasa-Kongowea. Welch eine Ernergie und Freude der Chor und der Kinderchor versprüht, ist geradezu umwerfend. Ich bin begeistert. Das kann und will ich mit der Gemeinde zuhause nicht vergleichen. Es sind dieselben Lieder und doch ist es einfach anders. Im Gottesdienst sind die Bänke bis auf den letzten Platz besetzt und hinten stehen diejenigen, die keinen Platz mehr bekommen haben. Dann nimmt ein  Glaubensbruder neben mir Platz und übersetzt mir simultan die in Suaheli gesprochene Predigt. Nur für mich macht er das. Wooow!!! Am Ende des Gottesdienstes läuft es hier anders als ich es aus Deutschland kenne. Zuerst wird die Gemeinde gefragt, ob jemand etwas zu sagen habe. Es gehen fünf Personen nach vorne und - naja, ich verstehe nicht, was sie sagen, aber es scheint etwas Positives zu sein, da die Gemeinde nach jeder Ansprache applaudiert. Mein Übersetzer schiebt mich aus der Bank, ich solle auch was sagen. Ein bisschen unsicher gehe ich vor zum Mikrofon und stelle mich vor, sage, woher ich komme und warum ich hier bin. Applaus! Danach verlassen die Amtsträger die Kirche durch den Mittelgang und verabschieden die Geschwister dann draußen vor der Tür, während die Gemeinde singend die Kirche verlässt und draußen noch eine ganze Weile weiter singt. Das ist schon eine besonders erhebende Stimmung, die ich heute für mich mitnehme.


Haller Park

Mitten im Herzen von Mombasa liegt der Haller Park, ein Biotop für Tiere, denen hier eine zweite Chance gegeben wird, eine Art Asyl. Beispielsweise Sally und Potty, zwei Nilpferde. Sally kommt als junges, verletztes Tier, das seine Mutter verloren hatte hierher und Potty ist dem Missbrauch eines Deutschen Wanderzirkus weggenommen worden. Beide haben hier eine neue Heimat gefunden und seien angeblich unzertrennlich. Hier gibt es noch etliche andere Spezies wie uralte Tortugas, 

Gemeinsam über 200 Jahre alt

aber am meisten beeindruckt mich der Urwald, der sich hier unter der Hand des Schweizers Dr, Haller gebildet hat. 
Farn

Unter anderem Farne, mit 10 Meter langen Wedeln, Bambusse, die in schwindelnde Höhen ragen, immens große Palmen, die ich bisher noch nirgends gesehen hatte, und Teiche mit wunderschönen Seerosen. Diesen Park zeigt mir Asia, die ich in Malindi kennengelernt habe.
Asia

Polizei-Abenteuer

Als ich am Flughafen von Fahrer des Hostels abgeholt werde, hält uns noch auf dem Parkplatz eine uniformierte und bewaffnete, etwas unfreundliche Gestalt, an und fängt eine lange Diskussion auf Suaheli mit dem Fahrer an. Immer wieder deutet er auf mich. Den Reisepass habe ich vorsorglich schon in der Hand. Will er aber nicht sehen. Schließlich fahren wir zu einem Gebäude, in dem der Fahrer für zwanzig Minuten verschwindet. Als er wieder hinter dem Lenkrad sitzt und wir die Flughafenumgebung hinter uns gelassen haben,  erklärt mir der Fahrer, was mit der Polizei los ist. Die Polizisten bekommen vom Staat ein sehr kleines Gehalt, das nicht zum Leben und nicht zum Sterben reicht. So erarbeiten sie sich ihre "Provision" bei den Autofahrern, denen sie kreative Strafmandate ausstellen. Mein Fahrer hat den unverzeihlichen Fehler gemacht, mich an einer Stelle des Parkplatzes in sein Auto einsteigen zu lassen, der nicht zum Ein- und Aussteigen gekennzeichnet ist. Das Strafmaß beträgt 500 Kenianische Schilling (= 1,30 EUR).

Als ich eines Tages die Fähre, die die Stadtteile rechts und links der Kilindini-Bucht verbindet, besteigen will, muss man durch ein Portal gehen, obwohl die Fähre kostenlos benutzt werden kann. Wie an jeder irgendwie öffentlichen Ecke, stehen an diesem Portal drei Polizeibeamte und aus der Menge der Passanten, die das Portal passieren, wird genau eine Person heraus gefischt: ich. Alle anderen tragen eine dezente, unauffällige schwarze Hautfarbe. Nur ich muss natürlich wieder mal auffallen und wie ein Albino aus der Masse hervorstechen. Mit "Passport please", werde ich aufgefordert, meinen Reisepass vorzuweisen. Ach du grüne Neune - den habe ich im Hostel gelassen. Jetzt beginnt eine wortreiche Erklärung, die nach und nach in eine Englisch-Suahelische Diskussion ausartet. Florence, die ich gestern kennen lernte, ist dabei. Ich verstehe eigentlich nichts mehr, außer "fife thousand", das mehrmals vorkommt. Aha, ich vermute, hier soll die Kaffeekasse aufgefüllt werden. Ich weiß, dass ich 5.000 Schilling und ein paar Zerquetschte in meiner Hosentasche habe. Aber die auszuhändigen, würde bedeuten, 7 oder 8 km zum Hostel zurück zu laufen, mitten durch die wuselnde Innenstadt von Mombasa. Nein, finde ich nicht toll. Da ich von dem Vorgang nicht erschreckt oder eingeschüchtert bin, teile ich meinem Gesicht mit, die drei uniformierten Menschen vor mir mir meinem freundlichsten Lächeln anzustrahlen, ganz besonders den Wortführer. Zuerst frage ich ihn nach seinem Namen. Emmanuel heißt er. Dann bitte ich ich mir in aller Ruhe zu erklären, was das Problem ist. Er sagt,  dass er feststellen muss,  ob ich mich legal im Lande aufhalte. Gut, das ist nachvollziehbar. Und solange ich das nicht nachweisen kann, müsse ich ins Polizeibüro. Hmm, dann kann ich den Ausweis ja nicht holen. Dann muss das jemand anders machen.  Hmm, das geht nicht, weil ich alleine unterwegs bin und niemand weiß, wo ich meine Unterlagen verstaut habe. Das muss ich schon selbst machen. Dann könnte ich ja verschwinden und das muss er als Polizist verhindern.  Okay, dann schlage ich vor, das wir beide, der Polizist mit mir zusammen zum Hostel fahren. Noooo! Ich darf hier nicht  weg, höre ich als Antwort. Tja, wie lösen wir denn nun das Problem? Die anderen, die bis hierher still geblieben waren, beginnen miteinander wieder die große Diskussion im Sprachmix, von dem ich wiederum nur ein paar Mal "five thousand" heraus höre. Innerlich habe ich die fünf Scheine in meiner Hosentasche bereits abgeschrieben. Und so hebe ich meine Hände, um der überaus lebhaften Runde Einhalt zu gebieten und richte mich dem Rudelführer zu: "Leute, ich schlage euch einen Deal vor! Nur um sicher zu sein, ihr wollt eure Pflicht erfüllen und sicherstellen, dass sich keine Personen illegal in eurem Land aufhalten. Richtig???" Darauf hin ernte ich heftiges Kopfnicken. Da mir das nicht reicht, stelle ich die Frage noch einmal. Wieder Kopfnicken. Ich frage ein drittes Mal und bitte, die Antwort mit einem eindeutigen und hörbaren "YES" zu bestätigen. Endlich, jetzt hat's funktioniert. Ich weiter: "Emmanuel, ich bin stolz, einen so pflichtbewussten Polizisten kennenzulernen. Davon gibt es leider viel zu wenig!" Emmanuel strahlt und drückt mir die Hand. "Hör zu," sage ich, "damit du sicher sein kannst,  dass ich nicht abhaue, sondern mit meinem Reisepass zurück komme, damit du deiner Pflicht nachkommen kannst, gebe ich dir jetzt mein Geld als Pfand." Er strahlt wie die Sonne. Ich weiter: "nun habe ich 3.000 Schilling hier bei mir. Davon gebe ich dir 2.000, weil ich für die Fahrt zum Hostel und zurück 1.000 Schilling brauche. Wenn ich wieder hier bin, dann will ich, dass du auch noch hier bist und nicht zwischenzeitlich mit dem Geld verschwindest. Denn ich habe dich hier als einen sehr zuverlässigen Mann kennengelernt. In meinen Augen bist du der beste Polizist Kenias!" Heidewitzka, kann der strahlen. "Und wenn ich dir die Stempel zeige und wenn alles in Ordnung ist, dann bekomme ich natürlich das Pfanfgeld wieder zurück, richtig?!" Plötzlich guckt mich der Mond an, das helle Strahlen ist erloschen. Stattdessen explodiert die Diskussion von vorne. Ich habe Zeit und lasse dieser Energie einfach ihren Lauf. Inzwischen geht es ja nur noch um 2.000 Schilling, die ich abgeschrieben habe. Als die Diskussionsenergie abflacht, zähle ich dem guten Mann seine edlen Eigenschaften nochmals auf und welch hohe Einschätzung ich von ihm habe. Und ich wiederhole: "bei Erfüllung meiner Pflicht und bei den richtigen Stempeln in meinem Reisepass, bekomme ich das Pfandgeld zurück!" Er nickt, aber ich höre nichts (innerlich lache ich). Also Frage wiederholen, bis er ein leises "yes" von sich gibt. Da ich vermute, dass es nicht viel lauter werden würde, lasse ich es ihn noch zweimal bestätigen. Puuuh! Jetzt nix wie ab zum Hostel. Der Verkehr ist die Hölle. Es braucht eine geschlagene Stunde, hin und her zu fahren. Zurück am Gate, halte ich meinen Pass schon von weitem mit ausgestreckten Armen in die Höhe. Mein Emmanuel ist aber mit jemand anderem beschäftigt. Außerdem ist inzwischen ein vierter Polizist da, und der ist deutlich höher dekoriert. Dieser nimmt mir den Pass ab, studiert ihn gründlich,  gibt den Pass weiter an die anderen. Hey Emmanuel,  denke ich, mit dir habe ich alles ausgehandelt, wo bleibst du? Da kommt er angeschlichen und sagt gar nichts. Scheinbar haben wir es hier wirklich mit dem Oberpolizisten zu tun. Also warte ich ab. Nach fünf oder zehn Minuten, die mir wie eine Stunde vorkommen, bekomme ich den von allen begutachteten Reisepass zurück - einschließlich meiner 2.000 Schilling. Wooah!!! Für den Rest des Tages laufe ich mit einem superbreiten Grinsen im Gesicht herum. Ich liebe Menschen ❤️

Alle Kenianer, mit denen ich meine Erlebnisse besprochen habe, finden die Polizei in Kenia sei korrupt. Ich glaube, sie folgen nur ihrem Überlebensdrang.

Schnorcheln in Malindi

Nachdem ich mich Tag um Tag sicherer und wohler fühle (siehe oben, Thema Verunsicherung), mache ich einen Ausflug von 50 km Richtung Norden nach Malindi. Mein Freund Olaf erzählte mir total begeistert von seiner Reise nach Kenia vor etlichen Jahren, dass er in Malindi zum Schnorcheln war. Okay, alles klar, das will ich auch. Ich war schließlich noch nie Schnorcheln und ich weiß nicht genau, wie das geht. Aber das wird schon werden. Ich buche mich im Travellers Inn ein, entledige mich vom Rucksack, und nehme ein Tuk-Tuk zum Malindi Marine Center. Dort angekommen, bin ich tatsächlich der einzige Touri, der Schnorcheln will. Alle anderen sind schwarz, heimisch und wollen nur spielen - im Wasser natürlich.
Malindi Strandleben

Achtzig Dollar soll das kosten. Und dann niemand da, mit dem ich die Kosten für die Bootsfahrt und den Guide hätte teilen können. Ich erkläre, das der Preis zu hoch sei. Daraufhin bekomme ich "ausnahmsweise" einen Discount und bezahle 50 Dollar. Dafür werde ich an die Korallenbank geschippert, die der gesamten Küste vorgelagert ist. Nachdem ich mich an die Atemtechnik des Schnorchels und den Atemrhythmus gewöhnt habe, präsentiert sich eine Welt vor meinen Augen, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Aquariumfische in leuchtenden Farben blau, orange, gelb, rot, und so weiter, gestreift, gesprenkelt - einfach großartig. Kein Fisch flüchtet, teilweise schwimmen sie als Schwarm um mich herum. Faszinierend! Ich bin massiv begeistert und mag gar nicht wieder zurück. Schade, dass ich hier im Wasser keine Fotos machen kann. Nach zweieinhalb Stunden bin ich einigermaßen erschöpft, da mich die Wellen ständig vom Spot wegtreiben und ich dagegen an schwimmen muss.

Inzwischen ist im Hostel von Melinda ein Mann aufgetaucht. Er stellt sich als Holm aus Köln, Österreich, vor. Es braucht eine Weile, bis ich verstanden habe,  dass er derzeit in Österreich lebt, aber aus Köln stammt. Aus meiner Sicht ein sehr interessanter Mensch, der Reggae nach Kenia bringen will. Genauer, nach Malindi in dieses Hostel. Denn es verfügt über einen großen Freiluftsaal mit Bühne. Zur Zeit allerdings etwas heruntergekommen. Holm sieht hier großes Potenzial.

Travellers Inn Zufahrt

Außenansicht

Schlafzimmer

Er kennt sich hier im Ort aus und zeigt mi die Bar-Bar, die sein Favorit am Ort ist und wir einen guten Kaffee genießen. Es ist wahrhaftig ein hübsches und schnuckeliges Restaurant, mit vielen Italienischen Gästen, die seit Jahren die dominierenden Feriengäste in Malindi sind. Entsprechend ist denn auch die Speisekarte. Etwas später komme ich in dieser Location mit Victoria ins Gespräch, die sich als sehr kompetente Lady in Sachen Immobilien entpuppt. Bin ja ganz stark am überlegen, ob ich mir unterwegs nicht das eine und andere Objekt zur Vermietung zulegen sollte. Gute Kontakte schaden schließlich nur dem, der sie nicht hat, pflegte mein Vater zu sagen.
Immobilienexpertin Victoria

Best experience: Diani Beach Kitesurfing

Unterkunft

Schließlich geht auch meine schöne Zeit in Malindi zu Ende und ich nehme wieder einen preiswerten Minibus zurück nach Mombasa. Hier bleibe ich noch bis Sonntag, gehe einmal noch in meine Kirche und dann wieder im Minibus weiter nach Diani. Auch hier gibt es das passende Hostel für mich, das Diani Hostel, wo ich mich einquartiere und nach einem preiswerten Kitesurfing Kurs erkundige. Ich muss sagen, diese Vorgehensweise, nämlich vor Ort einen Einheimischen zu fragen, hat mir immer wieder die besten Möglichkeiten eröffnet.

Diani Hostel
 
Pool

Garten

Küche

Schlafzimmer

Kitesurfing

Und am Ende zählt immer das Ergebnis in Bezug darauf, was es mir gebracht hat und wie ich es erlebt habe. Und hier gibt es Kitesurfingschulen wie den sprichwörtlichen Sand am Meer, der gerade hier in Diani Beach fast schneeweiß und puderfein ist... herrlich! Die empfohlene Kitesurfingschule ist komplett in der Hand von Einheimischen. Und der Preis ist unschlagbar.

Coconut Village mit Kitesurfing-Schule
Die Location der Kitesurfing-Schule am Strand des Indischen Ozeans erinnert mich stark an mein Arbeitszimmer, das ich mir vor nun inzwischen vier Jahren in Ahlerstedt eingerichtet hatte, mit Fototapeten von weißen Sandstränden und mit palmengedeckten Hütten (siehe Titelfoto). Hier ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Zumindest für ein paar Tage. 

Said…
…der Instructor
 

 
Abschiedsfoto

Said stellt sich als mein Instructor vor. Er ist 26 Jahre alt und hat mit meinem steifen Gerippe alle Geduld der Welt. Das macht die Sache für mich total entspannt und ich lerne schneller, als ich es selbst gedacht hätte. Den Kite im Windfenster auf einer liegenden Acht zwischen 1-Uhr- und 11-Uhr-Position immerzu hin und her lenken, schön ohne Kraft. Nur lenken. Dann geht es in die Powerzone hinein auf 2-Uhr-Position und wieder auf die 12-Uhr-Position. Seitwärts ab- und wieder aufsteigen lassen. Dann am dritten Tag rauf aufs Brett. Alter, geht das hier zur Sache! Zehn Meter und ich mache den Abflug in die See. Und immer wieder... Macht das einen Spaß!!!!! Ich hänge noch einen vierten Tag dran, bevor ich meine Weiterreise nach Dar Es Salaam über die Grenze nach Tansania antrete.

Hunger!!!

Von irgendwas muss der Horschtle leben. Ich merke, wie ich mit Blick auf das Jahr 2024 immer geiziger werde. Zwar rede ich mir ein, es sei Sparsamkeit. In Wirklichkeit bin ich aber richtig geizig geworden. Das gefällt mir überhaupt nicht und ich schäme mich auch manchmal dafür!!! Doch ab dem 1. Januar 2024 zähle ich zu den Rentenempfängern. Ganz ehrlich, sich das einzugestehen, löst in mir das scheußliche Gefühl von Nutzlosigkeit aus und ich würde am liebsten sofort wieder zu meinem Luftbus zurück und mit den Teams dort mein Bestes geben, die Projekte von Anfang durch alle Herausforderungen zum Ende zu bringen. Das hat mir Spaß gemacht. Sei's drum, jetzt bin ich hier und freue mich über diese unglaubliche Freiheit. Ab dem 1. Januar reduziert sich dann jedoch meine finanzielle Freiheit erheblich und werde mit 40% pro Monat weniger auskommen müssen. Das kneift ein bisschen! Wenn die Ausgaben kleiner als die Einnahmen sein sollen, dann trainiere ich das am besten schon vorher. Und nun habe ich Hunger! Denn der Wind war heute ganz schön heftig und ich habe mich ziemlich verausgabt mit dem Kite. 
Strandchef Eric
Da kommt einer zu mir her und fragt mich, ob er mir etwas zu Essen zubereiten soll. Woher weiß der, dass ich gerade ein riesen Loch im Bauch habe, frage ich mich. Ich frage ihn, was die Küche so anzubieten hätte. Fisch mit Reis oder Reis mit Fisch. Ich entscheide für ersteres. Ob es auch Gemüse dazu gibt, will ich noch wissen. Na klar, gibt's auch dazu. Man muss sich vorstellen, dass dies Gespräch am Strand stattfindet und nicht in einer Straßenküche, und dass der junge Mann in T-Shirt und Shorts sonst nichts bei sich trägt, was auf ein wie-auch-immer geartetes Restaurant hindeutet. Doch mein Hunger ist groß und der Preis für das ausgewählte Gericht von 500 Schilling (3,20 €) attraktiv genug, mich auf das Angebot einzulassen. Wo wird serviert, frage ich, und werde ein Stück den Strand entlang geführt, wo dann eine verlassene Hütte steht, in der Holzbänke und ein Tisch fest im Sand verankert sind. Na, dann wollen wir mal sehen. Der junge Mann heißt Harry und schaut mich an. "Was ist?" frage ich ihn. "Die 500 Schilling!" sagt er. "Jetzt schon?" will ich wissen. "Ja, ich muss doch erst den Fisch vom Fischer kaufen" lautet die Antwort, "dort hinten!" und er deutet auf mehrere Fischerboote, die in einiger Entfernung am Stard liegen. Oh weia, mir schwant eine neue Erfahrung... 

Ich gebe ihm das Geld, und weg ist er. Nach einer halben Stunde Wartezeit, habe ich mein Geld und, was viel schwerer wiegt, auch mein Menü in den Wind geschrieben. Plötzlich guckt Harry zur Hütte herein und verkündet "der Reis ist fertig!" Jetzt explodiert meine Neugier und ich will sehen, wo er in seiner Küche brutzelt. So folge ich ihm ins Strandgebüsch, wo an einem kleinen Lagerfeuer drei handflächengroße Fische an Stöckern aufgespießt über der Glut rösten. 
Der Fisch ist gleich gar
"Halleluja, was soll das denn werden?" Er versteht mich nicht und nimmt stattdessen die Fische vom Feuer, das er mit Sand löscht und zuschüttet. Der Reis steht in einem großen Aluminiumtopf daneben. Gemeinsam tragen wir den Reis und die Fische, die er zwischen zwei Tellern geschützt zur Hütte trägt. Außerdem hat er in einem Plastikbeutel noch ein paar Bananen. In der Hütte richtet er fachgerecht den Reis, der für vier Leute gereicht hätte, mit dem Fisch und Krautsalat an. Plötzlich sieht das alles sehr appetitlich aus. Ich muss sagen, die drei Fische sind ein Gedicht. Super kross und lecker. Den Reis schaffe ich nicht ganz. Dann bekomme ich noch drei Bananen zum Nachtisch. Hier in Kenia sind die Bananen nur halb so groß wie die, die wir in Deutschland bekommen. Daher war es mit der Menge von drei Bananen genau richtig.
Chef serviert höchstpersönlich

Fortbewegung

Als Fortbewegungsmittel wechsle ich von anfänglichen Uber-Fahrdiensten zum Tuk-Tuk, zu Motorrad-Taxis und schließlich benutze ich nach Möglichkeit nur noch Minibusse, die mit Abstand am preiswertesten sind. Komfort hat in Afrika nirgends einen Stellenwert, aber der Erlebnisfaktor ist unübertroffen. 
Minibus = Daladala (Suaheli)
Minibusse haben festgelegte Routen, fahren aber immer erst dann ab, wenn auch der letzte Platz besetzt ist. Unterwegs werden dann aber noch weitere Fahrgäste eingesammelt. Die stehen dann. Tuk-Tuks und Motorradfahrer sind individuell unterwegs und kosten dementsprechend mehr, ungefähr das Fünf- bis Zehnfache, je nach Verhandlungsgeschick. Motorrad fahren ist dann auch noch eine ganz besondere Herausforderung, wenn ich meinen 20 Kilogramm-Rucksack auf dem Rücken habe und meinen Hut mit einer Hand vor dem Wegfliegen auf dem Kopf halten muss. 

Mit 20kg-Rucksack unterwegs
 
Kette gerissen

Werkstatt

Das Abenteuer Minibus hatte ich in Äthiopien bereits mit Plattfuß und einer schwächelnden Bremse im Gebirge. Auf einer Motorradfahrt ist die Kette gerissen und wir, also der Fahrer und ich gehen die nächsten zwei Kilometer bis der nächste Bike-Rider, der auf Kunden wartet, zu Fuß. Manchmal will der Fahrer, egal ob Uber, Tuk-Tuk oder Motorrad, das Fahrgeld gleich beim Antritt der Fahrt - normal ist es eigentlich, beim Aussteigen zu bezahlen - um erstmal an der Tankstelle den nötigen Sprit zu zapfen. Ich habe auch gesehen, dass Sprit in 1,5-Liter-Plastikflaschen von fliegenden Händlern verkauft wird. Sachen gibt's... 

Kiswaheli

Ich finde, man sollte immer ein paar Worte der lokalen Sprache kennen und benutzen, um Interesse am Leben und der Kultur der gastgebenden Menschen zu zeigen. Hier sind ein paar Wörter und Begriffe, die ich mir habe erklären lassen:

Asante = Danke
Asante sana = Danke vielmals
Karibu = Bitte sehr und willkommen
Jambo = Hi
Salama = Hallo
Habari  yako / mambo = Wie geht's?
Poa = alles bestens / mega / cool

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