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Montag, 21. März 2022

Ein Tag im Leben eines Pilgers

Wie sieht eigentlich der Tagesablauf eines Pilgers aus?
Um eine möglichst plausible Antwort auf diese Frage zu geben, beziehe ich mich auf die reichhaltigen Erfahrungen praktizierender Pilger. Auf genau eines Pilgers: mich! Entsprechend repräsentativ ist die Antwort auch zu verstehen.

Der Tag beginnt...
...mit dem Aufwachen. Wer hätte das gedacht! Bei mir ist um 05:30 Uhr vorwecken. Dann klingelt der Wecker zum ersten Mal und macht mir jeden Morgen das köstliche Geschenk, noch eine halbe Stunde liegen zu bleiben. Um 06:00 Uhr bimmelt es zum zweiten Mal. 2. Dann ist Aufstehen angesagt. Wenn ich nicht gerade wegen unbedachter Entkleidungen verschnupft bin, wird morgens in der Dusche das rechte Wasserventil benutzt, also ich meine das Ventil mit dem blauen Punkt drauf. Das belebt schlagartig und nachhaltig! Ich liebe es.

Mich dem Wetter entsprechend anzuziehen, meine Siebensachen zusammenbringen und den Rucksack reisefertig machen, ging ab irgendwann einigermaßen routiniert, braucht aber dennoch rund 20 Minuten. Die habe ich fest in mein Morgenprogramm eingeplant. Sonst komm ich nicht klar.

Sofern die Herberge Frühstück anbietet, was bei Privatleuten und bei Couchsurfing auch gleichzeitig Familientisch bedeutet, bin natürlich bestens versorgt. Wenn die Herberge eine Abstellkammer ist oder einen unangemessenen Sonderpreis dafür verlangt, dann schaue ich mich nach einem Bäckerladen um. Da komme ich meistens unter 10 Euro wieder heraus.

Wichtig ist der Moment, wenn meine Füße den ersten Schritt des Tages machen. Hierbei meine ich den Schritt aus der Tür meiner Unterkunft in Richtung neues Etappenziel. Das sollte spätestens um 9:00 Uhr sein, weil dann eine gute Portion Motivation mitläuft. Wenn es später wird, liegt es eigentlich immer daran, dass ich bei Privatleuten gewohnt habe und mich festgequatscht habe, weil eine wundervolle Connection und viel Sympathie besteht und ich am liebsten da bleiben würde.

Pilgerausweis stempeln
Viele Unterkünfte, die sich als Pilgerherbergen verstehen, haben auch einen Pilgerstempel. Vor allem bei Klöstern und kirchlichen Herbergen. Aber auch Privatunterkünfte haben oft einen Stempel. Dort, wo kein Stempel vorhanden ist, gehe ich in die Kirchen, wo oftmals einer zu finden ist, oder ich frage bei Pfarrämtern oder Touristeninformation nach. 

Kuriose Situation im Freiburger Münster. Ich treffe dort einen Diakon an und frage ihn nach dem Pilgerstempel. "Einen was wollen Sie?" fragte er mich zurück. "Einen Pilgerstempel!" gab ich zur Antwort. "Was ist das denn?" Jetzt wurde ich stutzig. Habe ich hier wirklich einen Diakon des Hauses vor mir oder einen Studenten, der Touristen auf den Arm nehmen will? Ob er schon mal was von Pilgern gehört hätte? Ja! Und vom Jakobsweg? Ja! Na wunderbar. Pilgerausweis? Nö. Aha, hier konnte ich ansetzen und Wissen vermitteln. Ich zeigte dem jungen Mann meine beiden Pilgerausweise (der Erste war bereits vollgestempelt und der Zweite angefangen), und erklärte, dass jede Kirche, die was auf sich hält, einen einzigartigen Stempel habe. Daraufhin verschwand dieser unwissende Diakon in den Tiefen Des Freiburger Münsters und erschien nach fünf Minuten mit einem Prachtstück von Stempel, der in meinem Ausweis Platz für drei in Anspruch genommen hat. 

Oft genug hab ich's auch nur vergessen, nach dem Stempel zu fragen, oder es fiel mir erst etliche Kilometer später ein. Schade - aber auch kein Weltuntergang für mich, wenn ein Stempel im Pilgerausweis fehlt.

Nahrungssuche
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Ich zum Glück nicht. Das Frühstücksfinden ist ja schon erklärt. Zum Mittag gibt's idealerweise einen Apfel und oder oder einen Müsliriegel. Das reicht, denn zum Laufen kann ich keinen vollen Bauch gebrauchen. Dafür darf die Abendration gern etwas üppiger ausfallen, aber auch nicht so, dass das Bett unter mir zusammenkracht.

Sehr wichtig ist die Flüssigkeitsaufnahme! Für zwischendurch habe ich eine Wasserblase von Source im Rucksack mit 1,5 l. Ein Schlauch führt mit das Wasser bis vor meinen Rüssel. Sehr praktisch! Gerade in gebirgigen Gelände, die Schweiz ist ein prächtiges Beispiel dafür, ist die Kombination von Wasser und Broteinheiten ausgesprochen nützlich. Man konsumiert nur ein Nahrungsmittel (z.B. eine gut gekühlte, lokale Blondine oder Brünette) und hat alles, was der Körper braucht, auf einmal intus.

Herbergssuche
Zur größten Herausforderung der ganzen Pilgerreise zählt das Suchen und Finden von Unterkünften. Das umso mehr, wenn für den heutigen Tag die Unterkunft noch nicht unter Dach und Fach ist, wenn der Tag seinen Zenit bereits zwei oder mehr Stunden überschritten hat.

Wenn es irgendwo ein zentrales Register von Herbergen geben sollte, dann habe ich es noch nicht gefunden. Natürlich gibt es Verzeichnisse, zum Beispiel auf regionalen Webseiten, bei der Facebook-Gruppe "Pilger sucht Dach" und in anderen Foren. Aber leider nichts, das alle Adressen aus einer Hand bietet. Unbrauchbar sind beispielsweise Verlinkungen zu Stadtverwaltungen oder die einen Google-Suchbefehl auslösen. Das kann ich auch ohne Verlinkung. Dann gibt es Verzeichnisse für Wege, die einen bestimmten Namen haben, wie "Bonifatiusweg". Ich hab doch keine Ahnung, von wo nach wo der Bonifazweg verläuft. Ab irgendeinem Punkt ist er gleichzeitig Jakobsweg. Ich bin es gewohnt, der gelben Muschel auf blauem Grund zu folgen. Aber zurück zu den Unterkünften. Wenn ich endlich mal die richtige Liste zum benannten Weg gefunden habe, dann ist garantiert in genau dem Ort, am Ende meiner Etappe, gerade keine Unterkunft verzeichnet - grrr!

Zum Glück gibt es neben Facebook auch noch Couchsurfing.com und meinen geliebten WhatsApp-Fanclub. Wenn mal alle Stricke reißen, dann geht schon mal eine Botschaft über all diese Kanäle raus, ob nicht jemand jemanden kennt in dem Ort, den ich anlaufen will. Bisher ist das Problem nie ein Problem geblieben. Genauso wenig ist es vorgekommen, dass ich bei der jeweiligen vorgeschlagenen Lösung lieber das Problem zurück wollte.

Donnerstag, 10. März 2022

Deutschland durchquert

 

Wunderschönes Deutschland

Bereits am 15. Februar 2022 habe ich erstmals auf meinem Jakobsweg die Grenze zur Schweiz von Weil am Rhein nach Basel überschritten. Doch schon ein oder zwei Tage zuvor mich entschlossen, einen Abstecher ins Allgäu zu machen, um die Prüfung fürs Gleitschirmfliegen vom letzten Jahr nachzuholen. Gedacht, getan! Nach ein paar Tagen bei meinem Freund Achim K. in Basel bin ich mit der Bahn nach Sonthofen gefahren, habe mich dort bei Frau Mühlegg in Hinang einquartiert und am 6. März die Prüfung als Gleitschirmpilot bestanden.

Mit diesem Glücksgefühl bin ich von Sonthofen wieder auf dem Jakobsweg gestartet, nachdem ich mein Flugzeug, den Gleitschirm, ordentlich verpackt zu meiner Tochter nach Fulda geschickt hatte.

Nach nur drei Etappen hatte ich erneut die Grenze erreicht. Diesmal jedoch zu Österreich, auf mein Weg von Scheidegg nach Bregenz.

ZDF - Zahlen, Daten, Fakten
Wenn ich nun auf die Deutschen Wege zurück blicke, komme ich zu folgenden Ergebnissen:

Zeit
Mit meine Zeitberechnung halte ich es sehr einfach. Ich bin am 16. Oktober 2021 gestartet und habe Deutschland am 9. März 2022 verlassen. Das sind genau 145 Tage, oder 21 Wochen.
Wie jeder weiß, bin ich natürlich nicht jeden Tag gepilgrt, sondern habe teilweise größere Zäsuren eingebaut, wie oben schon erwähnt. Durch meine kleine Buchführung, kann ich hier das Laufen vom Bleiben unterscheiden. Wenn ich nun die reinen Pilgertage zähle, ergeben sich dafür exakt 62 Tage. 
"Hey, du fauler Sack, was hast du denn sonst so getrieben? Das ist doch kein Pilgern mehr..." höre ich schon die Leute unken. Tja, was soll ich dazu sagen. Als erstes dies: Alles ist am Fließen. Das heißt, mein Plan ist, nicht mehr zu planen, sondern dem Raum zu geben, was gerade kommt und damit dran ist. Und genau das waren die anderen Tage:
- Im Ahrtal helfen
- Weihnachten mit Freunden verbringen
- Mit der Tochter Geburtstag feiern
- Blasenentzündung auskurieren
- Gleitschirmprüfung absolvieren
- Und einfach mal bleiben, weil's gerade schön ist (Osnabrück, Köln, Bendorf, Hüttenfeld, Roßbach, Bruchsal, Kehl, Freiburg, Basel).

Strecke
Die tatsächlich gelaufene Strecke kann ich trotz Benutzung verschiedener Apps beim besten Willen nicht erfassen, da eben auch Strecken, die mit Auto und Zug zurückgelegt wurden, aufgezeichnet sind. Daher gebe ich mich hier nur die grobe Schätzung von ca. 900 km an

Herausforderungen
Die größte Herausforderung war in Deutschland immer wieder das Finden von Unterkünften. Denn es wird für mich spätestens zur Mittagszeit mulmig, wenn ich dann noch nicht weiß, wo ich in der Nacht mein Haupt hinpacken kann. 

Eine andere Herausforderung war es, mitten im Spessart im Wald auf tief verschneiten Wegen, keine Verbindung am Handy zu haben. Ausgerüstet mit einem Garmin-GPS kann mir ja nix passieren. Brauche doch bloß connection zu irgendwelchen Satelliten. Tja, Pustekuchen! Die Batterien vom Garmin waren leer. Da stand ich nun mit meinem Talent. Keine Wegweiser, immer wieder eine Kreuzung im Wald und keine Spuren mehr, denen ich hätte folgen können. Was tun?
1. Spannung abbauen mit etwas Meditation
2. Sonne suchen, denn es war früher Nachmittag. Bei fast geschlossener Wolkendecke war das mehr eine Ahnung als konkretes navigieren.
3. In mich rein fühlen und auf meinen Bauch hören. Das war das Beste! Denn das Gefühl war eindeutig und ich kam am Ende ungefähr 2 km Abseits des Dorfes an die Straße, wohin ich auch wollte.

Unterkünfte
Pilgerherbergen in Deutschland sind vorhanden - Statement! Aaaaaber... Sie zu finden ist nicht immer einfach. 
Es gibt zu Teil Listen, die leider nicht zentral zugänglich, sondern auf unterschiedlichen Webseiten abgelegt sind. 
Kirchliche Herbergen erwarten in der Regel eine Spende. Gasthäuser und Jugendherbergen verlangen feste Preise zwischen 35,- und 45,- Euro.
Bei Privatunterkünften gibt es meistens Pilgervollverpflegung (Abendessen + Frühstück + viiiiel Gespräch). Das finde ich persönlich am schönsten. Daran habe ich wundervolle Erinnerungen.

Kosten
So, zum Abschluss noch die Frage, die mir fast jeder stellt. Wie sind denn deine Ausgaben? Ich mache es kurz.

Bis heute belaufen sich die Kosten der Unterkünfte auf 1.121,71 € für die 144 Übernachtungen. Das sind im Schnitt 7,79 € pro Nacht.

Die übrigen Ausgaben umfassen Verpflegung, wo sie nicht in der Unterkunft angeboten wurde. Ebenso die Prüfungsgebühr der Gleitschirmlizenz - und eben alles dazwischen. Hier komme ich auf 3039,75 €. Macht im Schnitt 21,11 € pro Tag.

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