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Montag, 16. Oktober 2023

TAZARA Zugreise 🚂🚃🚃

Wenn ich darüber nachdenke, wie ich auf meiner Reise von A nach B und am Ende biz Z komme, dann stehen mir ja immer irgendwelche Optionen zur Verfügung:
• Zu Fuß 👨‍🦯
• Fahrrad 🚲
• Dreirad 🛺
• Moped 🛵
• Per Anhalter 👍🏼
• Bus 🚐
• Bahn 🚂
• Boot ⛵️
• Hubschrauber 🚁
• Flugzeug ✈️
Gibt's da sonst noch was?

Gehen wir die Optionen mal einzeln durch.

Den Anfang meiner Reise von meinem Zuhause in Ahlerstedt in Norddeutschland bis nach Santiago de Compostela in Galizien, Nordspanien, und weiter bis nach Gibraltar mit über 6.000 Kilometer habe ich zu Fuß bewältigt. Proof-of-Compliance: Das kann ich also. 
Zum Fahrrad muss ich sagen, dass mich ein paar Enthusiasten enorm beeindruckt haben, die ich in der Westsahara und in Mauretanien getroffen hatte. 
Ich frage mich, ob ich das tun und schaffen würde. Schaffen vielleicht, aber antun würde ich es mir nicht. In gemäßigten Zonen auf unserem Globus könnte es sein, dass ich es mir mal zutrauen würde. Vermutlich würde ich dann wohl eher zum Moped greifen, weil es mich wohl etwas mehr Kohle, dafür aber erheblich mehr Spaß macht. 
Ein Dreirad würde mir - genauso wie meinem neuen Nachbarn Klaus-Dieter,  einen Heiden-Spaß machen, scheidet aber bei der Anschaffung grundsätzlich aus Kostengründen aus. 
Als Anhalter habe ich bereits interessante Erfahrungen gesammelt, unter anderem mit dem Glaubensbruder Paulo in Portugal, der mir ein guter Freund wurde.

In Afrika sind Busse und Bahnen meine bevorzugten Transportmittel, die ich wegen ihres unschlagbar günstigen Preises und ihrer Unbequemlichkeit liebe. Wo es möglich ist, ziehe ich die Bahn dem Bus vor. Obwohl der Bus zumeist schneller am Ziel ist, mag ich es, unterwegs aufstehen zu können und umher zu laufen, mich aus dem Fenster hängen, um die Landschaft an mir vorbei ziehen zu lassen. 

Wie kommt man von Kontinent zu Kontinent? Für mich kommt das Flugzeug nicht infrage, sondern entweder ein Containerfrachter, bei dem ich als Deckschrubber oder als die linke Hand des Smutje aushelfe - oder - meine favorisierte Idee: als Mitfahrgelegenheit auf einer Segelyacht mit ungefähr vier Mann Besatzung und ich mittendrin. Da geht es für vier bis fünf Wochen über den Teich. Wooow!!! Ich hoffe, in Kapstadt einen Skipper zu finden, der mich von dort nach Brasilien, Venezuela oder in die Karibik mitnimmt. 
Nun, den Hubschrauber habe ich nur hingeschrieben, weil er mir gerade eingefallen war. Keine ernstzunehmende Option.

Flugzeug? Ja, ich liebe das Fliegen. Idealerweise jedoch am Steuerknüppel und nicht auf einem teuer bezahlten Sitzplatz in der Holzklasse. Aber ein klares 'Nein' für meine Weltreise. Denn in 10.000 Metern Höhe verpasst du alles, was zwischen Abflug und Landung liegt. Dafür ist mir die Reise zu schade. Manchmal lässt sich dieses Transportmittel allerdings nicht vermeiden, wenn man zum Beispiel von Ägypten nach Äthiopien will und in allen Ländern die dazwischen liegen, rumgeballert wird. Dann muss ich halt einmal in den sauren Apfel beißen und fliegen.

Der Zug TAZARA
TAZARA ist das Akronym von 'Tanzania-Zambia Railway Authority', der Behörde, die den Zugverkehr auf der 1.860 km langen Strecke zwischen Sambia und Tansania betreibt.

Es handelt sich hierbei um eine einspurige Bahnlinie zwischen New Kapiri-Mposhi im Kupfergürtel Sambias und der Hafenstadt Dar Es Salaam in Tansania. Die Strecke wurde in den 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts für den Transport des Kupfers von den Minen- und Kupferhütten in Sambia zur Verschiffung von Chinesischen Unternehmen errichtet. Neben dem Güterverkehr gibt es auch Passagiertransport. Seit dem Bau dieser Linie, so scheint es mir, hat man in die Erhaltung der Bahnhöfe, der Waggons und in die Infrastruktur, zum Beispiel die Gleise, nicht mehr viel investiert. Die Bausubstanz der Bahnhöfe ist... nun ja. Intensive Begegnung mit Waggon- und Gleiszustand bekomme ich auf den zwei Fahrten, von Dar Es Salaam nach Mbeya - beide Städte in Tansania und eine Woche später von Mbeya bis zur Endstation New Kapiri-Mposhi in Sambia.

Die Fahrt beginnt mit dem Kauf des Tickets
Die TAZARA Internetseite, auf der ich ziemlich lange suchen musste, bis ich die nötigen Informationen gefunden hatte (meine Empfehlung: nicht aufgeben), empfiehlt mindestens zwei Wochen im Voraus das Ticket zu kaufen, weil nur zwei Züge pro Woche eingesetzt werden (Dienstags und Freitags) uns die Züge daher manchmal so weit im Voraus ausgebucht sind. Darum mache ich mich am ersten Tag nach meiner Ankunft in Dar Es Salaam auf den Weg zum Bahnhof. Denn die Tickets gibt es nur dort zu kaufen. Ich splitte die Reise, weil ich einen Zwischenstopp am Malawisee einlegen will und kaufe heute,  am 28. August 2023 ein Ticket von Dar Es Salaam bis Mbeya.

Dieser Zug bietet drei Klassen: Erste und Zweite Klasse als Schlafwagen für vier, respektive sechs Personen. Diese Tickets werden an einem anderen Schalter, als die der Standard-Klasse verkauft. Am Schalter für die Standard-Klasse steht eine sehr lange Schlange von Fahrgästen. Die Standard-Klasse fährt mit sechs Sitzen pro Sitzreihe. Vor dem Schalter für die Erste und Zweite Klasse stehen sehr wenige Kunden, manchmal gar keine. Diese Leute haben überwiegend helle Hautfarbe und sind erkennbar keine Afrikaner. Also passe ich perfekt ins Schema, auch wenn ich mich lieber in die Reihe der Locals einreihen würde. Angesichts der langen Fahrt, hat das Weichei in mir gesiegt und mich zu einer etwas komfortableren Zugfahrt überredet. Ich habe Glück und bekomme ein Ticket für die Zweite Klasse und damit ein Bett - okay,  es ist eine Liege. Die Erste Klasse ist bereits ausgebucht. Für mich ist die Zweite Klasse völlig okay. Ich bin happy über meine Fahrkarte für nächsten Freitag, den 1. September. Ich bekomme die Fahrkarte mit dem freundlichen und sehr nachdrücklichen Hinweis, spätestens 75 Minuten, besser 90 Minuten vor der Abfahrt am Bahnhof zu sein, überreicht. Alles klar, das kriegen wir schon hin.

Am Freitagmorgen verabschiede ich mich von Jerry, meinem Gastgeber und Freund, der mir sehr ans Herz gewachsen ist,
und zwänge mich in einen der vielen schrottreifen und doch fahrtüchtigen Minibusse in Richtung Bahnhof. Ich habe massenhaft Zeit, um bis zum Nachmittag 14.00 Uhr am Bahnhof zu sein. Gegen 11.00 Uhr bin ich schließlich auch da. Die Zeit verbringe ich mit einem Rundgang über den Bahnhof und die Bahnsteige. Außer ein paar verlassen dastehende Waggons, ist von einem richtigen Zug weit und breit nichts zu sehen. Die übrige Zeit vergeht mit mit Gesprächen mit Leuten, die ebenfalls auf den Zug warten und mit Daddeln am Handy. Gegen 14.30 Uhr verkündet die Bahnhofsvorsteherin, dass der Zug heute ersatzlos gestrichen wurde. Na toll. Um mir wiederholt einen Platz im Zug für nächste Woche zu sichern, mache ich mich eiligst zum Ticketschalter, damit mir nicht womöglich jemand anders den letzten Platz vor der Nase wegschnappt. Puuuh... es hat geklappt und ich habe mein Ticket für eine Woche später. Die Zeit bis dahin verbringe ich kurzerhand auf Sansibar.

Am Freitag, den 8. September 2023 bin ich wieder super-pünktlich am Bahnhof. Zwei Mädels, Medizinstudentinnen aus Deutschland, die in Malawi ein Praktikum absolvieren wollen, warten ebenfalls auf den Zug. Und heute fällt der Zug nicht aus, er steht im Bahnhof.

Mit einer Lautsprecheransage werden die Gittertore zu den Bahnsteigen geöffnet und der große Ansturm auf den Zug bricht los. Ich lasse mir Zeit und schaue mir das Gewusel der Leute an, denn ich habe meinen zugewiesenen Sitzplatz, beziehungsweise Liegeplatz: Bett 4, Abteil 8 in Waggon Nummer 2202.

Mitreisende

Als ich einsteige, bin ich allein. Erst kommen dann zwei junge Japaner und etwas später steigen zwei schwarze Afrikaner zu, von denen der eine eine riesige Bütt dabei hat, die den Platz einer der beiden oberen Liegen einnimmt. Damit ist das Abteil voll! Noch vor der Abfahrt fängt einer der beiden Afrikaner an zu jammern und will sich schon jetzt auf eine Liege legen. Er ruft den für unseren Waggon zuständigen Zugbegleiter, um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Seine Liege ist eine der beiden Mittleren. Es ist jetzt am Spätnachmittag bullig warm im Abteil. Also will er unten liegen und gibt vor, krank zu sein und Bauchschmerzen zu haben. Dramatisch zeigt er das Foto einer Verletzung, die ich keinem Körperteil eindeutig zuordnen kann, auf seinem Handy in die Runde. Ich kann ihm die Story beim besten Willen nicht abnehmen, wenn ich bedenke, mit welchem Elan er zuvor die Bütt auf die obere Liege gewuppt hat. Schließlich weist der Zugbegleiter jedem im Abteil einen neuen Platz zu, mit dem kranken Menschen zu unterst - und dann ist endlich Ruhe im Karton. Nun liegt er da, wo eigentlich Drei sitzen sollten. Vier Kerle teilen sich den Platz von Dreien, und ich gehe auf Entdeckungsreise durch den Zug. Als ich zurück komme, hat sich unser Simulator etwas zusammengerollt und schläft. Beste Gelegenheit, mich am Fensterplatz heimisch einzurichten.

Der Zug ist pünktlich um 14:50 Uhr abgefahren und ich widme mich der verschwindenden Stadt Dar Es Salaam. Weitläufig verteilt sind einfache Häuschen mit Blechdächern und eckige und runde Hütten zu sehen. Für Kinder scheint der Zug eine Sensation zu sein, da Personenzüge nur viermal pro Woche vorbei fahren, zwei je Richtung. Die Kinder winken wie verrückt, manche versuchen sich mit einem Wettlauf - barfuß natürlich.

Reiseerfahrungen Etappe Eins
Auch während der Fahrt bleibt es super warm im Abteil. Da hilft nur, die Fenster herunter zu ziehen, was problematisch ist, weil es leicht verkantet. Hat man es endlich geschafft, das Fenster herunter zu ziehen, zieht eine Rückholfeder das Ganzewieder hoch.
Die erfinderischen Afrikaner klemmen einfach eine Plastikflasche ins Fenster und schon bleibt es unten. Der Name TAZARA könnte eigentlich auch Programm sein: 🎶 Taza...Rara...Taza...Rara 🎶. Ein Geräusch, nein, ein ohrenbetäubender Lärm begleitet uns die ganze Fahrt. Das Gefühl während der Fahrt erinnert mich stark an eine Achterbahn. Wir werden auf und ab und hin und her geschüttelt. Allerdings gibt es hier keinen Sicherungsbügel, der dich fest einklemmt und am Platz hält. Die Kupplungsstelle von einem Waggon zum anderen kann ich Hübe von mindestens 50 cm und gleichzeitigen seitlichen Versetzungen der gleichen Größenordnung beobachten. Zuweilen hat man wirklich eine große Stufe zu überwinden, wenn man von einem zum anderen Waggon über die Kupplungsstelle geht.


Die Technik aus Chinesischer Produktion der 70er Jahre läuft Woche für Woche scheinbar ohne jede Instandhaltzung oder Modernisierung- weiter und weiter. Die Wagen schaukeln und stampfen unter Ausnutzung der vorhandenen Federwege, die gelegentlich zu 100% voll ausgeschöpft werden, was an harten Aufsetzern klar erkennbar ist. Je schneller der Zug fährt, umso härter die Aufsetzer.Aber was heißt hier 'schnell'? Ich würde sagen, so bei 80 km/h. Überwiegend fahren wir aber so um die 50 km/h, nur auf wenigen Strecken ist der Zug schneller unterwegs, ansonsten oft langsamer. Gerne bleibt mein Zug auch auf freier Strecke einfach mal stehen, wohl um sich für eine halbe oder dreiviertel Stunde zu erholen. 

Normal-aufrechtes Stehen birgt die ständig die Gefahr, sich irgendwo den Kopf zu stoßen. So werde ich hin und her geworfen. Darum muss ich die Stöße mit abgewinkelten Knien abfedern. Dann sehe wohl aus wie ein Tibetischer Mönch in Kampfstellung. Eine Zeitlang frage ich mich, ob die technische Meisterleistung des Zuges unter diesen Bedingungen auch entgleisen kann. Ein Zugbegleiter sieht mich auf dem Gang stehen, wie ich die Hebungen und Senkungen beobachte und scheint meine Gedanken lesen zu können. "This is normal. Don't worry!" bekomme ich zu hören. Es dauert auch gar nicht einmal so lange, und ich habe mich daran gewöhnt. Im Gang stehend, ist das Auf und Ab manchmal so heftig, dass die Füße schon mal den Kontakt zum Boden verlieren. Wer sich nicht festhält, fliegt umher.
Trotzdem verbringe ich die meiste Zeit im Gang. Erstens, weil das Doppelglas-Fenster im Abteil derart dauerbeschlagen ist, dass man definitiv nichts dahinter erkennen kann. Zweitens lässt es sich im Abteil gar nicht gut sitzen, jedenfalls nicht auf Dauer, weil die mittleren Liegen am Tage hochgeklappt sind, aber nicht senkrecht, sondern schräg. Die Scharniere befinden sich bezogen auf meine Körpergröße in Nackenhöhe, so dass mein Kopf stets etwas nach vorn gewinkelt ist, wenn ich mich zurück lehne. Auf die Dauer ist das echt unangenehm. So sitze ich - solange die Liegen nicht herunter geklappt sind, auf der Vorderkante der unteren Bank und ohne die Rückenlehne zu benutzen. 
Oder ich bin im Gang oder im Speisewagen. Apropos Speisewagen. Dieser Zug hat nicht nur einen Speisewagen, in dem richtig leckeres Essen serviert wird, nein es gibt auch noch einen Partywagen! Also einen Waggon, der direkt an den Speisewagen gekoppelt ist, wo laute Musik läuft und man Bier und andere alkoholische Getränke bekommen kann. Als Sitzmöglichkeit hast du hier chillige Sofas, die natürlich wie alles im ganzen Zug, mit Kunststoff bezogen sind. Wegen der Lautstärke, halte ich mich lieber im Speisewagen auf, ziehe das Fenster herunter und stecke meinen Kopf hinaus, wie dieser nette Chinese.

Kommen wir zu einem Thema, bei das bei ganz vielen Reiseberichten geflissentlich übergangen wird, für mich jedoch einen wichtigen Teil menschlichen Daseins betrifft: Toiletten und Hygiene. Über Restaurants wird geschwärmt, dass sich die Balken biegen. Aber irgendwo muss doch auch bleiben, was oben reingeht...! Wir erinnern uns an die Lochplatten im Boden, wie ich sie in Frankreich, Marokko, Mauretanien, Äthiopien und Tansania vorgefunden habe und starken Widerwillen in mir erzeugen. Nun fährt der TAZARA Train ja zwischen Tansania und Sambia und ist somit ein Internationaler Zug. Und ich hoffe, dass man in Sambia keine Lochplatten sondern Sitzklos kennt. Darum bin ich ganz zuversichtlich, dass der Internationale Zug das Sitzklo oder vielleicht auch beide Varianten anbietet. Ich bin neugierig und schaue nach. "Ach du liebe Sch...e". Hier gibt es einen großen, sauber abgespritzten Edelstahlboden mit einer Vertiefung und dem gräuslichen Loch darin. Ich kann bis aufs Gleisbett hinunter sehen.  Uuuuaaahhh....!!! Meine Geschäfte, die sich aufgrund des abendlichen und morgendlichen Restaurantbesuchs, nicht ohne weiteres verschieben lassen, müssen also abgewickelt werden. Ich schließe mich ein und entledige mich vom Gürtel abwärts bis auf die Sandalen komplett. Den Rest überlasse ich des Lesers Fantasie, einschließlich der Treffsicherheit des Loches sowohl im Stehen des Feuerwehrstrahls als auch im Hocken zur Feststoffentsorgung bei unerwartetem Ruckeln und Stampfen des Wagens. Gott sei Dank gibt es einen Wasserschlauch für Spülzwecke.

Um 19 Uhr ist es dunkel draußen und ich lege mich auf meine Pritsche. Was soll ich jetzt tun? Na klar, Blog schreiben. Das mache ich meistens, wenn ich Leerlauf habe und nicht gerade mit Gucken, Staunen und mit anderen Leuten beschäftigt bin. Jetzt jedoch stellt sich als Herausforderung dar. Das ewige Geschüttel macht das Tippen auf der Smartphone-Tastatur zur Sisyphusaufgabe. Irgendwann gebe ich es auf und versuche bei der Hitze zu schlafen. By-the-way, der an der Decke installierte Ventilator funktioniert nicht. Aber das monotone Rattern und Geschüttel lässt mich dennoch schnell einschlafen. Als ich aufwache, denke ich, die Nacht ist rum. Ich fühle mich erholt. Aber es ist noch dunkel draußen und es hst sich erfreulich abgekühlt. Ich freue mich auf die ersten Sonnenstrahlen. Wo ist meine Uhr? Ach dort unter dem Tischchen sehe ich sie, wo die Geräte geschützt sind. Unser 'kranker' Afrikaner hat meine Ladestation für Uhr und Hörgeräte dort stationiert. Sehr aufmerksam. Es ist gerade drei Uhr in der Früh. Eine Stunde Handy daddeln hilft, wieder etwas müde zu werden und ich schlafe wieder ein. Als ich wieder wach werde, ist es hell und eine prächtige Landschaft zieht an uns vorbei. Trocknene Savanne und dichtes, saftiges Grün wechseln sich ab. Nach dem Frühstück im Speisewagen stecke ich stundenlang meinen Kopf hinaus und kann mich kaum satt sehen, wie sich die Bahnlinie sich durch Berge und Täler schlängelt. Hin und wieder gibt es auch abgebrannt Flächen. Termitenhügel ragen wie Türme hoch aus dem Boden.

Um 16.20 Uhr, nach über 25 Stunden Fahrt und vielen Stopps erreicht der Zug Mbeya, eine Millionenstadt in trockenem, gebirgigen Gelände im Westen Tansanias.

Nun gibt es eine Pause am Malawisee (hier nachzulesen) von einer Woche, bis ich die Reise mit dem TAZARA Train nach Sambia fortsetze.

Ich eile zum Fahrkartenschalter um mir mein Ticket für die nächste Woche zu sichern. Schließlich habe ich nicht vor, zwei oder noch mehr Wochen hier festzusitzen, nur weil die Züge ausgebucht sind. Aber der Beamte am Fahrkartenschalter verkauft mir keinen Fahrschein. Ich solle am Tag der Abreise das Ticket kaufen. Na tolle Wurst. Und was, wenn der Zug dann auf den letzten Platz besetzt ist??? Der Typ lässt sich schließlich darauf ein, sich eine Notiz auf einem Zettel für meine Reservierung zu machen...und gibt mir den Zettel, den ich von nun an hüte, wie meinen Augapfel.

Zweite Etappe bis Sambia

Von Mbeya nach New Kapiri-Mposhi
Samstag, 16. September 2023. Für die geplante Abfahrt um 14:00 Uhr wird gegen 13:30 Uhr eine Verspätung von ungefähr zwei Stunden angekündigt. Afrika bedeutet warten können! Immer und überall. Die Bahnhofshalle ist voll mit Reisenden, aber nicht einer, der sich über die Neuigkeit aufregt. Tatsächlich setzt sich der Zug um 16:50 Uhr in Richtung Sambia in Bewegung, allerdings ohne die vielen Reisenden, die ich am Bahnhof gesehen hatte. Der Zug ist fast leer. Mir wird langsam klar, dass viele Locals zwischen Dar Es Salaam und Mbeya oder anderen Orten in Tansania pendeln, dass es aber nur wenige Grenzgänger gibt. Diejenigen, die ich im Zug antreffe, sind Sambianer, die nach Hause fahren, oder Menschen mit Asiatischen oder Europäischen Aussehen.

Grenze und die Formalitäten
Bald wird es wieder dunkel. Irgendwann in der Nacht - ich habe nicht auf die Uhr geschaut, kommt der Zug zum Stillstand. Es ist der Bahnhof von Tunduma, der Grenze auf der Tansanischen Seite der Grenze nach Sambia. Eine Ansage habe ich nicht mitbekommen, falls es überhaupt eine gegeben hat - jedenfalls strömen die Fahrgäste alle in eine Richtung durch die Gänge. Da ich ein Mensch bin, folge ich dem Herdentrieb, der gerade in mir zum Leben erwacht ist. Hier gibt es den Ausreisestempel, erfahre ich.

Alle müssen raus. Doch da ist kein Bahnsteig. Stattdessen steht dem Nachbargleis ein weiterer Zug. Wir klettern bis in den Schotter des Gleisbettes hinunter - auch die dicke Muddi vor mir, die ihr Gewicht nur mit zwei Helferinnen bewältigen kann. Die letzte Sprosse ist ziemlich hoch über dem Gleisbett, was eine Herausforderung für die Dame darstellt. Es dauert. Die beiden Helferinnen haben sich unten aufgestellt, um die Dicke eventuell aufzufangen. Im Geiste habe ich die Drei schon zusammen wie Dominosteine neben den Gleisen liegen sehen. Von dort also wieder rauf in den Nachbarzug kraxeln, um auf der anderen Seite, wo sich der Bahnsteig befindet, wieder raus zur Wartehalle zu gelangen.

Von den Leuten, die hier in der dunklen Wartehalle, die nur von sechs  leuchtenden LED-Lampen spärlich beleuchtet wird, herumstehen, sind nur noch ein Drittel mit dunkler Hautfarbe. Die anderen sind weiß.

Es ist ein unglaublicher Ort für einen Grenzposten, eine Bahnhofshalle ganz dürftig beleuchtet und einem kleinen Tischchen, der völlig überladen ist mit Registerbüchern und anderem Papier und an dem zwei Grenzbeamte sitzen, die den Fahrgäste ihren Ausreisestempel verpassen.

Mit dem Exit-Stempel geht's zurück in den Zug, der nun zwanzig Minuten bis zum nächsten Bahnhof rollt um am Sambianische Grenzposten zu stoppen. Halleluja, hier ist ein Bahnsteig und viel Licht. Der Unterschied ist krass und erinnert mich an Deutschland zwischen Ost und West vor vielen Jahren. Und hier wächst mir Sambia ans Herz: es gibt einen Einreisestempel in den Pass ohne viele Fragen und ohne irgendeine Gebühr ❤️. Das hat es bisher noch in keinem Land in Afrika gegeben.

Dann geht die Reise weiter. Am Tag fällt mir ein großer Unterschied in der Landschaft auf: fast sämtliche Flächen sind verkohlt und schwarz. Zwar haben Bäume auch grüne Triebe, aber alles trockene Gras ist abgefackelt und hat offensichtlich auch machem niedrigen Gehölz den Garaus gemacht. Bäume und Gewächse höher als drei Meter scheinen vom Buschfeuer unversehrt zu bleiben. Wie ich später erfahre, werden alle Buschfeuer mit der Absicht angezündet, um die Vegetation in der Regenzeit zu fördern. Offenbar habt Tansania darüber eine andere Auffassung, da es dort eben nicht diese abgebrannten Flächen gibt. 

Wieder gibt es etliche Stopps unterwegs und wir erreichen New Kapiri-Mposhi nach knapp 34 Stunden mitten in der Nacht um 1:40 Uhr. Das bedeutet warten bis zum Morgen. Obwohl ein halbes Dutzend Busse für die Fahrt nach Lusaka bereit stehen, fahren sie erst gegen 5:30 Uhr ab.

Fazit
Der Erlebnisfaktor dieser Bahnreise ist 100% Mega. Ich würde es jederzeit wieder machen. Die ganze Tour ohne Unterbrechung zu unternehmen, würde für mich wegen der ungünstigen Anordnung der mittleren Liegen nur in der ersten Klasse infrage kommen. Klimaanlagen sucht man im ganzen Zug vergebens. Die Kosten von umgerechnet 49 US Dollar finde ich absolut preisgünstig. Auch wenn es anstrengend sein mag, meiner Meinung nach ist es die Reise wert.

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