Wie sieht eigentlich der Tagesablauf eines Pilgers aus?
Um eine möglichst plausible Antwort auf diese Frage zu geben, beziehe ich mich auf die reichhaltigen Erfahrungen praktizierender Pilger. Auf genau eines Pilgers: mich! Entsprechend repräsentativ ist die Antwort auch zu verstehen.
Der Tag beginnt...
...mit dem Aufwachen. Wer hätte das gedacht! Bei mir ist um 05:30 Uhr vorwecken. Dann klingelt der Wecker zum ersten Mal und macht mir jeden Morgen das köstliche Geschenk, noch eine halbe Stunde liegen zu bleiben. Um 06:00 Uhr bimmelt es zum zweiten Mal. 2. Dann ist Aufstehen angesagt. Wenn ich nicht gerade wegen unbedachter Entkleidungen verschnupft bin, wird morgens in der Dusche das rechte Wasserventil benutzt, also ich meine das Ventil mit dem blauen Punkt drauf. Das belebt schlagartig und nachhaltig! Ich liebe es.
Mich dem Wetter entsprechend anzuziehen, meine Siebensachen zusammenbringen und den Rucksack reisefertig machen, ging ab irgendwann einigermaßen routiniert, braucht aber dennoch rund 20 Minuten. Die habe ich fest in mein Morgenprogramm eingeplant. Sonst komm ich nicht klar.
Sofern die Herberge Frühstück anbietet, was bei Privatleuten und bei Couchsurfing auch gleichzeitig Familientisch bedeutet, bin natürlich bestens versorgt. Wenn die Herberge eine Abstellkammer ist oder einen unangemessenen Sonderpreis dafür verlangt, dann schaue ich mich nach einem Bäckerladen um. Da komme ich meistens unter 10 Euro wieder heraus.
Wichtig ist der Moment, wenn meine Füße den ersten Schritt des Tages machen. Hierbei meine ich den Schritt aus der Tür meiner Unterkunft in Richtung neues Etappenziel. Das sollte spätestens um 9:00 Uhr sein, weil dann eine gute Portion Motivation mitläuft. Wenn es später wird, liegt es eigentlich immer daran, dass ich bei Privatleuten gewohnt habe und mich festgequatscht habe, weil eine wundervolle Connection und viel Sympathie besteht und ich am liebsten da bleiben würde.
Pilgerausweis stempeln
Viele Unterkünfte, die sich als Pilgerherbergen verstehen, haben auch einen Pilgerstempel. Vor allem bei Klöstern und kirchlichen Herbergen. Aber auch Privatunterkünfte haben oft einen Stempel. Dort, wo kein Stempel vorhanden ist, gehe ich in die Kirchen, wo oftmals einer zu finden ist, oder ich frage bei Pfarrämtern oder Touristeninformation nach.
Kuriose Situation im Freiburger Münster. Ich treffe dort einen Diakon an und frage ihn nach dem Pilgerstempel. "Einen was wollen Sie?" fragte er mich zurück. "Einen Pilgerstempel!" gab ich zur Antwort. "Was ist das denn?" Jetzt wurde ich stutzig. Habe ich hier wirklich einen Diakon des Hauses vor mir oder einen Studenten, der Touristen auf den Arm nehmen will? Ob er schon mal was von Pilgern gehört hätte? Ja! Und vom Jakobsweg? Ja! Na wunderbar. Pilgerausweis? Nö. Aha, hier konnte ich ansetzen und Wissen vermitteln. Ich zeigte dem jungen Mann meine beiden Pilgerausweise (der Erste war bereits vollgestempelt und der Zweite angefangen), und erklärte, dass jede Kirche, die was auf sich hält, einen einzigartigen Stempel habe. Daraufhin verschwand dieser unwissende Diakon in den Tiefen Des Freiburger Münsters und erschien nach fünf Minuten mit einem Prachtstück von Stempel, der in meinem Ausweis Platz für drei in Anspruch genommen hat.
Oft genug hab ich's auch nur vergessen, nach dem Stempel zu fragen, oder es fiel mir erst etliche Kilometer später ein. Schade - aber auch kein Weltuntergang für mich, wenn ein Stempel im Pilgerausweis fehlt.
Nahrungssuche
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Ich zum Glück nicht. Das Frühstücksfinden ist ja schon erklärt. Zum Mittag gibt's idealerweise einen Apfel und oder oder einen Müsliriegel. Das reicht, denn zum Laufen kann ich keinen vollen Bauch gebrauchen. Dafür darf die Abendration gern etwas üppiger ausfallen, aber auch nicht so, dass das Bett unter mir zusammenkracht.
Sehr wichtig ist die Flüssigkeitsaufnahme! Für zwischendurch habe ich eine Wasserblase von Source im Rucksack mit 1,5 l. Ein Schlauch führt mit das Wasser bis vor meinen Rüssel. Sehr praktisch! Gerade in gebirgigen Gelände, die Schweiz ist ein prächtiges Beispiel dafür, ist die Kombination von Wasser und Broteinheiten ausgesprochen nützlich. Man konsumiert nur ein Nahrungsmittel (z.B. eine gut gekühlte, lokale Blondine oder Brünette) und hat alles, was der Körper braucht, auf einmal intus.
Herbergssuche
Zur größten Herausforderung der ganzen Pilgerreise zählt das Suchen und Finden von Unterkünften. Das umso mehr, wenn für den heutigen Tag die Unterkunft noch nicht unter Dach und Fach ist, wenn der Tag seinen Zenit bereits zwei oder mehr Stunden überschritten hat.
Wenn es irgendwo ein zentrales Register von Herbergen geben sollte, dann habe ich es noch nicht gefunden. Natürlich gibt es Verzeichnisse, zum Beispiel auf regionalen Webseiten, bei der Facebook-Gruppe "Pilger sucht Dach" und in anderen Foren. Aber leider nichts, das alle Adressen aus einer Hand bietet. Unbrauchbar sind beispielsweise Verlinkungen zu Stadtverwaltungen oder die einen Google-Suchbefehl auslösen. Das kann ich auch ohne Verlinkung. Dann gibt es Verzeichnisse für Wege, die einen bestimmten Namen haben, wie "Bonifatiusweg". Ich hab doch keine Ahnung, von wo nach wo der Bonifazweg verläuft. Ab irgendeinem Punkt ist er gleichzeitig Jakobsweg. Ich bin es gewohnt, der gelben Muschel auf blauem Grund zu folgen. Aber zurück zu den Unterkünften. Wenn ich endlich mal die richtige Liste zum benannten Weg gefunden habe, dann ist garantiert in genau dem Ort, am Ende meiner Etappe, gerade keine Unterkunft verzeichnet - grrr!
Zum Glück gibt es neben Facebook auch noch Couchsurfing.com und meinen geliebten WhatsApp-Fanclub. Wenn mal alle Stricke reißen, dann geht schon mal eine Botschaft über all diese Kanäle raus, ob nicht jemand jemanden kennt in dem Ort, den ich anlaufen will. Bisher ist das Problem nie ein Problem geblieben. Genauso wenig ist es vorgekommen, dass ich bei der jeweiligen vorgeschlagenen Lösung lieber das Problem zurück wollte.