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Mittwoch, 11. Januar 2023

Andalucía - España 🇪🇦

Ich meine, Andalusien ist die am meisten über die Spanischen Grenzen hinaus für Temperament und Lebensart bekannte Provinz durch Flamenco, Stierkampf, schöne Pferde, die Überreste Maurischer Kultur, usw. und dazu immerwährendes herrliches Wetter an der Costa del Sol. Ein idealer Zufluchtsort für Frostködel aus Nordeuropa.

Von Faro kommend, überquere ich von Vila Real de Santo Antonio nach Ayamonte mit der Fähre die Portugiesisch-Spanische Grenze. Damit bin ich auch gleichzeitig in Andalusien angekommen, wovon ich schon so viel gehört hatte. 

"Durch die Walachei..."
... pflegen wir im Deutschen zu sagen, wenn es landschaftlich durch Regionen geht, fern ab von dichtbesiedelter Zivilisation. Zuerst geht es durch naturgeschützte Sumpfgebiete, dann bis Sevilla durchgehend durch Hügellandschaften. 

Auf der Passage von der Grenze bis Sevilla gab es schon ein bisschen zu sehen und zu erleben. Da ich hier keine Wanderwegweiser fand - was ich auch gar nicht erwartet hatte, habe ich die App von Komoot zu Hilfe genommen. Die App hat mir eine Route zusammengestellt, die fast über die gesamte Wegstrecke auf einem ausgedienten und zurückgebauten Bahndamm verläuft. Das hat den wunderbaren Vorteil, dass Auf- und Abgefälle sanft sind und keine Anstrengung beim Laufen machen. Jetzt sollte man auch annehmen, dass dieser jeden Ort und jede Milchkanne anfährt. Aber genau das Gegenteil ist der Fall, kaum Zeichen menschlicher Bebauung. Wenn meine Gelüste nach einem Bierchen oder einfach nach menschlicher Nähe stehen, muss ich mir einen Abstecher und Umweg genehmigen. Dies Genehmigungsverfahren war zwar unbürokratisch, aber für den zusätzlichen Aufwand müssen jedesmal meine Füße die Extraarbeit machen. Meistens haben sie es ja auch gerne gemacht. Wir sind beste Freunde! 

Was Komoot offenbar nicht weiß, ist, dass der Bahndamm stellenweise mit dichtem Schilf oder Buschwerk zugewachsen ist. Das ist blöd, wenn keine Ausweichmöglichkeit besteht und ich umkehren und bis zu einer Straße zurück laufen muss. Einmal bleibt mir jedoch keine Wahl, ich muss einen landwirtschaftlichen Traktorpfad nehmen, der mich am Rand von Orangen- und Olivenplantagen entlang führt und mich schließlich auf dem Gelände einer großen Speditionsfirma ausspuckt. Alter, was soll das hier jetzt werden? Jetzt aber Fersengeld! Und ich sehe zu, dass ich mit meinen 20kg am Rücken vom Hof komme, bevor man mich als Spion verdächtigt und in Gewahrsam nimmt.

Für die Unwissenheit gibt's von mir nur vier Sterne für Komoot 🌟🌟🌟🌟❌.

An anderer Stelle komme ich mitten in eine Schafherde, die natürlich bewacht wird. Die beängstigenden Details darüber sind hier nachzulesen.

Der erste Tag nach der Grenze führt mich durch Naturschutzgebiete und Gebiete für Salzgewinnung an der flachen Küste. Am zweiten Tag wird es interessant - ja, richtig aufregend! Ich bin also weiter unterwegs auf meinem ausgedienten Bahndamm von La Barca nach San Juan del Puerto. Und hier kreuzt er, der Bahndamm eben - und damit mein Weg, eine verstreue Schafherde, wo ich meine ganz persönliche Begegnung mit einem freilaufenden Wachhund mache. Dieser Geschichte habe ich hier einen besonderen Artikel spendiert.

Auf der weiteren Strecke gibt es viele schöne Pferde und Kutschen zu sehen.
Es ist Samstag, der 26. November 2022 und ich erreiche Sevilla fünf Tage nach dem Passieren der Portugiesischen Grenze. Und noch immer laufe ich in meinen Sandalen seit Santiago de Compostela. 

Sevilla
Das Hostel liegt günstig für mich. Es liegt an der Westseite und hat einen kurzen Weg zum Zentrum. Nur die Neuapostolische Gemeinde hat ihren Versammlunsort auf der anderen Seite der Stadt. Kein Thema, ich kann früh aufstehen, was ich am Sonntagmorgen auch tue. 

Sonntag in der Kirche
Ich freue mich riesig, endlich wieder einen Gottesdienst zwischen Menschen zu erleben, statt allein über YouTube.
Der kleine Raum ist proppevoll. Vier oder fünf Reihen mit fünf Stühlen pro Reihe. Jeder Platz ist besetzt, als der Gottesdienst beginnt. Kurz vor Beginn schießt mir noch kurz ein Gedanke durch die Birne: vor ein paar Jahren habe ich auf Facebook einen "Freund" aus Spanien geaddet, der auch NAK ist. Ich sollte mich in der Gemeinde einmal umhören. Dann beginnt der Gottesdienst und dieser Gedanke ist wieder vergessen. Nach dem Gottesdienst, von dem ich nur vereinzelte Wörter, aber noch keinen Zusammenhang verstehen kann, komme ich mit dem Prediger Carlos und seinen begleitenden Priester Ariel ins Gespräch. Beide sind aus Málaga. Ariel ist dort Gemeindevorsteher und Carlos als Bezirksevangelist zuständig für Südspanien. Sie sind beide mit ihren Frauen gekommen und wollen sich Sevilla anschauen. Ob ich nicht mitkommen wollte? Na klar!!! 
Ich hab mich mega gefreut, dass ich in Gesellschaft sein kann. Nach einer Weile lustiger Gesprächsversuche, die tatsächlich immer etwas besser werden, stellt sich heraus, dass eben jener Carlos mein Facebook-Freund ist. Woooah... so cool!!!

Setas de Sevilla
Setas de Sevilla - das Kunstwerk, das aussieht, als hätte jemand Wellpappe in Rippen zusammengesteckt. Und Macht's ist es cool illuminiert.

Das nächste Highlight ist der Besuch eines kleinen Flamenco-Schuppens. In einem Laden, das sich auf maßgeschneiderte Flamencokleider und Accessoires spezialisiert hat, frage ich, wo möglichst traditioneller Flamenco dargeboten wird. Ich erhalte eine Adresse. Google Maps hilft mir, diese binnen zehn Minuten zu finden. Es ist eine enge unscheinbare Straße und eine ebenso unscheinbare Tür, die nun am Vormittag allerdings geöffnet ist. Drinnen sitzen vier Personen, die mich neugierig anschauen. Wohnzimmercharakter. Wie schon im Laden zuvor, breche ich mir etwas Spanisch von der Zunge und bekomme sofort mein Ticket für den heutigen Abend - ich freue mich wahnsinnig und bin total aufgeregt!

Flamenco
Die Show ist einfach Klasse. Die zwei Tänzer fegen nur so über die Bühne. Besser kann ich das nicht beschreiben...!

Die Stadt
Der Goldturm. Hier wurden über Jahrzehnte die Schätze der Seefahrer abgeladen und gesammelt.

Das Gelände der Weltausstellung EXPO92 wird leider nicht genutzt und ist dem Verfall preisgegeben.

AIRBUS
Airbus hat auch in und um Sevilla mehrere Standorte für den Geschäftszweig Defence and Space. Ich kann es mir nicht nehmen lassen, mich einmal umzusehen und ein Foto zu machen. Grüße an meine Kollegen!

Zielpunkt Cómpeta
Was hat das mit Cómpeta hier eigentlich auf sich? Das liegt ja sogar noch östlich von Málaga. Wozu dieser Zick-zack Kurs?

Wir erinnern uns, in Schmedehausen am Mittellandkanal traf ich Jürgen mit Yvonne. Der Jürgen schien von meiner Unternehmung ziemlich angetan und lud mich ein nach Cómpeta, falls ich es bis Santiago schaffen würde. Er selbst hatte nämlich Ähnliches getan, nämlich sein Haus verkauft und eine Finka in Cómpeta gekauft. Jetzt war er gerade dabei, von Deutschland nach Spanien umzuziehen.

Mittlerweile habe ich Santiago erreicht und Kurs auf Cómpeta genommen, um meinen neuen Freund nicht zu enttäuschen.

Also, weiter Richtung Osten und das Gelände wird nerviger und anspruchsvoller. Zum Glück ist es wieder ein Bahndamm, den Komoot für mich aussucht. Diesmal aber nicht ein alter, sondern ein Damm, der noch nicht ganz fertiggestellt ist. Aber das macht für den Pilger keinen Unterschied. Es geht wunderbar vorwärts.

Bei der Vorausplanung stelle ich schon in Sevilla fest, dass sich zwischen den Ortschaften La Puebla de Cazalla und Pedrera eine einzige Ortschaft befindet: Osuna. Und - dort gibt es keine Unterkunft bei booking.com. Nada! Unerschrocken und erfahren wie ich bin, mache ich mich trotzdem auf. Bisher habe ich ja immer etwas finden können *lach*. Als ich aber in La Puebla de Cazalla ankomme, habe ich ein seltsames Gefühl im Bauch, das mir sagt: in Osuna wirst du nicht schlafen. Ooops! Ich checke ab, wo meine nächste Unterkunft sein könnte. Es ist Pedrera. Ich buche sofort, damit mir nix in die Quere kommt. Schnell die Daten in Komoot reingehackt und mir wird klar, dass ich morgen 45km vor mir habe!!! Ich programmiere mich mental voll konzentriert darauf, diesen - für mich sehr langen Weg an einem Tag zu gehen. Dann finde ich einen guten und ruhigen Schlaf, stehe um 5:30 Uhr auf und mache mich vor dem Sonnenaufgang auf den Weg. Es funktioniert. Nach neuneinhalb Stunden bin ich in Pedrera. 
Flamingos
In Fuente de Piedra komme ich ins Gespräch mit Locals, die mir von den Flamingos erzählen. Ich soll unbedingt zum See und die Flamingos sehen. Auf Google Maps hatte ich den See längst gesehen, allerdings konnte ich das Wasser nicht erkennen. Da erklären sie mir, dass der See nicht tief ist und nahezu ausgetrocknet sei. Aha! Auf Wikipedia erfahre ich, dass dieser See einer der beiden größten Habitats für Flamingos in Europa ist.
Sehr schön und sehenswert finde ich Antequera, das reich an geschichtlicher Substanz ist. Beispielsweise die Dolmengräber aus urgeschichtlicher Zeit, Ausgrabungen eines Römischen Badehauses, und wie fast überall die Reste mittelalterlicher Burganlagen. Hinzu kommt die Geografie, also bis hierher ganz unbekannte Bergformationen von - wie ich denke, Kalkgestein. Allein der Name der Stadt klingt nach Antike und Altertum. 

Cómpeta
Auf gut 400m Höhe liegt Jürgen seine schmuckeilige Finka, inklusive Pool, ein paar Palmen sowie Zitronen- und Orangenbäume. Rundherum Berge und ein Blick aufs Mittelmeer - manchmal sogar rüber bis Afrika. Neun wundervolle Tage werden mir hier geschenkt. Männergespräche auf Augenhöhe. Mega!!!

Unaufhaltsam im Bus
Die nächste Etappe ist Málaga. Am Donnerstag, 15. Dezember 2022 verlasse ich Cómpeta und ich nehme den Bus nach Málaga. Ich hätte natürlich auch wieder laufen können. Aber ich will nicht, keine Lust. Und das darf sein, das erlaube ich mir!!!!!

Weihnachten ist nicht mehr weit. Und ich dachte in Portugal, zu Weihnachten bin ich längst in Marokko. Jetzt bin ich hier und schreibe einen extra Artikel für Málaga.

Costa del Sol
Weihnachten und Silvester in Málaga war also bombig! Nach dem Neujahrs-Gottesdienst geht's auch sogleich mit der Reise weiter - nun wieder Richtung Westen. Ich will nach Marokko.

Über Torremolinos komme ich nach Marbella und nach Estepona. Hier in Estepona ist das Hostel wirklich wert erwähnt zu werden. Nicht nur, weil alles nagelneu ist (Eröffnung September 2021), sondern weil Bianca, die Besitzerin, Wert auf professionelle Ausführung bei der Renovierung gelegt hat, und sie mit ganz viel tollen Ideen die Einrichtung geschmackvoll gestaltet hat. Die Krönung ist die Dachterrasse mit einem kleinen Pool, einer Bar und Sitzgruppen und Nischen zum Wohlfühlen. Selbst beim Preis unterbietet dies Hostel alle umgebenden Quartiere. Hier der Kontakt: Veranera Hostel, Calle Torrejón, 9, Estepona, 29680, Málaga, Spain. Tel.: +34 656 50 77 80 (WhatsApp).
Gibraltar
Und zum Finale kommt jetzt die spannende Eine-Millionen-Frage: gehört Gibraltar zu Andalusien oder nicht?

Wichtiger als die Antwort sind mir Leute, Land und Affen 😂. 

Leute
Im Jahre des Herrn 2014 hat mein Kollege Helge von mir gekündigt, um mit seinem Segelschiff "Gegenwind" und seiner Partnerin Asha einmal um den Globus zu schippern. Es ist kaum zu glauben, das sich der Weg zweier Weltenbummler tatsächlich kreuzt. Wegen ungünstiger Windverhältnisse liegt Helge schon einige Wochen im Hafen bei Gibraltar. Nun ist es möglich geworden, dass wir uns hier treffen. Genial!!!
Helge's Geschichten seiner Weltumsegelung sind hier in seinem Blog nachzulesen.

Der Affenfelsen
Die einzigen freilebenden Affen in Europa gibt es angeblich nur in Gibraltar. Keine Ahnung, ob das so stimmt. Ich stelle fest, dass der Felsen einen Besuch wert ist, allein wegen der geschichtlichen Spuren aus verschiedenen Epochen und Besetzern: von den Mauren im sechsten Jahrhundert bis heute die Briten. Der ganze Felsen ist von einem Tunnelsystem durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Hab ich nicht gewusst.

Außerdem muss ich unbedingt über die Landebahn des Gibraltarer Flughafens laufen - ist doch obligatorisch, oder?
In Tarifa endet am 11. Januar 2023 meine Andalusien-Rundreise und ich Schiffe nach Tangier, Marokko ein.


Bye for now 👋🏼

Freitag, 30. Dezember 2022

Grenzerfahrung mit Hund

Frage
Was machst du, wenn du es mit einem Hund zu tun bekommst, den du nicht kennst und der ungehindert auf dich zukommt?

Mit dieser Frage hatte ich mich immer wieder einmal beschäftigt, seit ich meine Reise begonnen habe. Gerade mit Olaf, meinem Freund und Hundeexperten, hatte ich mehrfach darüber gesprochen, um mehr über das Verhalten von Hunden zu erfahren. Ebenso sprach ich ausgiebig mit David, einem Pilger aus der Schweiz, der sich mit diesen Tieren auskennt, über diese Frage. 

Strategie
Stillstehen, offene Handflächen zeigen oder möglichst großen Bogen um das Tier machen, lauteten die Empfehlungen, unter Umständen sich mit den Wanderstöcken verteidigen. Nun, für mich waren all diese Ideen schlicht unbrauchbar. Wer weiß denn schon, wieviel Geduld der Hund hat, wenn ich stehen bleibe? Eine, zwei oder mehr Stunden? Kommt er zurück, wenn er sich entfernt hat und von weitem sieht, wie ich weitergehe? Offene Hände würde für mich bedeuten, die Wanderstöcke wegzulegen. Womöglich schnappt sich der Hund die Stöcke und haut damit ab - und hätte dann keine mehr? Einen großen Bogen machen, wenn der Bursche mich entdeckt hat oder vor mir steht? Verteidigen? No way - das sind alles keine wirklichen Optionen für mich. 

Meine eigenen Gedanken dagegen waren diese: 
1. Solange der Hund nicht beißt, werde ich ihn nicht beachten und nicht anschauen. 
2. Ich werde nicht sprechen.
3. Ich werde genauso weitergehen, wie ich daher komme.
4. Ich werde meine Wanderstöcke so nah an meinem Körper halten, wie irgend möglich.
Das ist alles, was mir eingefallen war. 

Unterwegs gab es dann ja oft genug Situationen, wo Hunde bei einsam stehenden Gebäuden und Bauernhöfen, besonders in Frankreich, die sich an der Kette oder hinter einem Zaun mit lautem Bellen oft ziemlich aggressiv verhielten. Oft genug habe ich mich dabei ziemlich erschrocken, wenn ich gerade in Gedanken war und die Tiere nicht vorher gesehen habe. Dann habe ich mir diese Strategie immer wieder vor Augen geführt - und es fühlte sich irgendwie richtig an.

Der Ernstfall
Natürlich kam es irgendwann auch, wie es kommen musste. Es war am 23.11.2022 auf dem Weg von Lepe nach San Juan del Puerto in Richtung Sevilla. Mein Weg verläuft auf einem stillgelegten Bahndamm schön weit abseits von bewohnten Ortschaften durch leicht hügeliges Gelände mitten durch eine verstreut liegende Schafherde. Total entspannt höre ich gerade einen super interessanten Podcast über Liebe und Sex. Die Schafe waren mir dabei sowas von egal - nur scheinbar nicht den beiden Hunden, die ich vielleicht so 30 bis 50 Meter rechts oben auf der Anhöhe entdecke. Ein Großer und ein Kleiner. Das müssen wohl die Aufpasser für die Schafe sein. Ich stelle fest, dass keine Kette, kein Zaun, nichts da ist, was mich von den beiden isoliert. Ich denke bei mir, die werden doch gefälligst da oben stehen bleiben. Meine Gedanken machen sich selbständig und gehen automatisch meine Strategie durch: nicht hinschauen, einfach weitergehen! Der Kleine macht ja einen Krach, der meinen Podcast übertönt. Ich kriege gerade noch mit, wie der Kleine zum Großen bellt, "Hey, das ist dein Fall". Und schon kam der so beauftragte Große angeschossen. Format Rottweiler, aber grau gescheckt und schlankere Schnauze. Zu weiterer Identifizierung bleibt keine Zeit (das Titelfoto - noch nicht genehmigt - entspricht meiner Erinnerung). In einem Bogen von mit ca. 10 m Abstand machte er den ersten Kreis um mich verkleinerte diesen dann auf seiner zweiten Runde auf etwa 3 m mit lautem Bellen. Jetzt springt er mit gefährlich klingenden Knurren mehr oder weniger hinter und seitlich von mir im Halbkreis herum. Ich sehe ihn nur noch aus dem Augenwinkel, wenn er sich seitlich befindet. Stattdessen verfängt er sich mehrfach in meinen Wanderstöcken und landet mit seinen Pfoten auf meinen Hacken. Seine Krallen hinterlassen Kratzspuren auf meiner Haut, denn ich laufe ohne Socken in meinem Sandalen mit abgezippten Hosenbeinen. Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich konzentriere mich darauf, die Stöcke so fest zu halten, dass ich sie nicht verliere, wenn er Mal richtig draufspringen sollte. Ich behalte einen gleichmäßigen Schritt bei, auch wenn Löcher im Weg mich zick-zack laufen lassen. Dabei vermeide ich es erfolgreich, an mögliche Weltuntergangsszenarien zu denken, nach dem Motto 'was, wenn er jetzt zubeißt...'. 

Der Podcast läuft noch immer - und ich merke, dass meine Hörgeräte, über die ich den Podcast wie über einen Kopfhörer höre, die Außengeräusche nicht verstärkt, damit die Audioübertragung besser zu hören ist. Als mir das bewusst wird, bin ich unendlich dankbar dafür. Jetzt fange ich an, mich wieder auf den Podcast zu konzentrieren und lenke mich mehr und mehr von dem Hund ab, der immer noch wild hinter mir herum springt und auch immer noch auf meine Hacken tritt. Wenn er beißen sollte, werde ich mich darum kümmern. Und bis dahin höre ich meinen Podcast. Später stelle ich fest, dass ich davon nichts behalten habe *lach*.

Dieser Hund hat mich einen oder zwei Kilometer weit "begleitet", bis es still um mich wurde. Umgedreht habe ich mich jedoch nicht mehr. 

Epilog
Überrascht hat es mich, dass mein Herzklopfen und die Angst sehr schnell verschwunden waren, als ich eine mögliche Beißattacke als nicht abwendbar akzeptierte und mich auf das stetige Weitergehen konzentrierte. Als ich etwa eine Stunde später eine Ortschaft erreichte, war ich schon wieder komplett entspannt und ließ das Ereignis Revue passieren.

Montag, 28. November 2022

Portugal

Vom 26.09. bis 22.11.2022 bin ich von Norden nach Süden durch Portugal gewandert. Und so oft wie möglich entlang der Küste!
Das Reisefieber treibt!
Nachdem ich mein eigentliches Pilgerziel Santiago am 18. Juli 2022 und Finisterre am 23. Juli 2022 erreicht hatte und im Anschluss daran zehn Tage "Urlaub" gemacht, und im weiteren Verlauf die Reisepause großzügig und gediegenen in Pola de Allande und in Luarca verlängert hatte, spürte ich heftiges Reisefieber. Es musste weitergehen! So habe ich mich am 19. September 2022 in Richtung Portugal aufgemacht, um dies Reisefieber zu heilen, das immer heftiger wurde. 

Von Santiago aus südwärts zu gehen, also dem Portugiesischen Camino in Gegenrichtung, ist ebenso einfach wie nach Santiago, weil Fátima in Portugal ebenfalls ein heiliger Pilgerort ist und der Weg dorthin mit blauen Pfeilen markiert ist. Die gelben Pfeile sind ja für die Wege nach Santiago reserviert.
Neues Land - neue Erfahrungen
Am Morgen des 26. September 2022 verlasse ich meine Herberge in A Guarda und ein kleines Motorboot bringt mich über die Mündung des Rio Miño, auf dem die Grenzlinie zwischen Spanien und Portugal verläuft, nach Caminha. Als einziger weiterer Passagier ist ein iie Schweizer Rad-Weltreisende mit an Bord: Katharina. Na, den Namen kann ich gut behalten! 
Jetzt bin ich endlich wieder in Portugal. Diesmal, um das Land der Länge nach zu durchqueren.

Bemerkenswerte Unterschiede
Als erstes fallen mir zwei Dinge auf. Erstens, fast alle Portugiesen sind sehr freundlicher und hilfsbereiter, als ich es Frankreich oder Spanien erlebte. Außerdem sprechen sie ein ausgezeichnetes Englisch. Zweitens lohnt es sich kaum, die Lebensmittel im Supermarkt zu kaufen, um sie in den Herbergen selbst zuzubereiten - die Speisen in den Restaurants kosten in der Regel weniger. Das gefällt mir, da von gekauften Lebensmitteln bleibt meistens etwas übrig bleibt, das entweder im Rucksack landet oder in den Hostels bleibt, weil der Rucksack eh schon zu voll und zu schwer ist. Beispielsweise gibt es Nudeln oder Muesli eigentlich nur in 500g-Paketen. Das versuche mal mit einer Mahlzeit alleine wegzufuttern - viel Spaß! Also, diesbezüglich ist Portugal perfekt für mich. Auf diese Weise bleibt mein Rucksack stets ein bisschen leichter.

Portugiesisch sprechen
Mein Sprachlehrer ist die weltweit beliebte Duolingo-App. Es gibt diese Applikation kostenlos mit Werbung dazwischen, und die Bezahlversion ohne Werbung, die ich habe. Damit habe ich schon seit einer ganze Weile erfolgreich Spanisch gelernt. Bei meinem Grenzübergang nach Portugal habe ich auch auf Duolingo die Portugiesische Sprache heruntergeladen, denn es ist mir wichtig, den Menschen in ihrem Land wenigstens die wichtigsten Worte, wie Guten Tag = Bom día, Auf Wiedersehen = Tschau, Bitte = Por favor, Danke = Obrigado, usw. sagen zu können. Und nach Möglichkeit auch noch etwas mehr.

Auch auffällig ist, dass viele Portugiesen auf meine Kommunikationsversuche mit Hilfe der vorhandenen Spanischkenntnisse sofort mit Englisch antworten. Sie mögen die Spanier oder ihre Sprache nicht. Auch scheint mir, dass weit mehr Portugiesen als Spanier die Englische Sprache sehr gut beherrschen (siehe meine Bemerkung weiter oben). Aber eben nicht alle. Kommst du in ein Café/Bar, in der viele ältere Männer lautstark diskutieren und eine ebenfalls ältere Frau hinterm Tresen bedient, dann kannst du dein Englisch gleich vergessen! Da kommst du echt nicht weit. Dafür steckst du aber voll in der lokalen Kultur. Und das ist genau der Grund, warum es mir Spaß macht, auch Portugiesisch zu lernen. Auch viele Worte dem Spanischen gleichen oder ähnlich sind, musst du dich dennoch mit Portugiesisch auseinandersetzen, denn es klingt so andersch. Überall wird ein "tz" oder "tsch" eingebaut, wo du es in keinster Weise erwarten würdest. Und schon verstehst du nix mehr! 

Klima und Kondensstreifen
Wettertechnisch habe ich Temperaturen zwischen 24°C und 8°C erlebt. Zum Wandern habe ich nicht einen Tag meine Hosen mit langen Beinen getragen, also nicht die abgezippten Beine wieder drangezippt. Von den 57 Tagen in Portugal habe ich an - gefühlt an nur fünf Tagen Regen gesehen. Mindestens zwei Drittel war es sonnig und damit immer warm. Nur in einigen Nächten rutschte das Thermometer bis zu 8°C, was sich lausig kalt anfühlt.

Schon in Galizien fiel es mir auf, aber letztlich in ganz Portugal habe ich sehr, sehr wenig Luftverkehr wahrgenommen. Fast keine Kondensstreifen am Himmel, keine Geräusche von Flugzeugen oder Hubschraubern. Es ist wie ein Deja-vue der Schließung des Europäischen Luftraums nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010 oder der Folgen der SARS-Covid19-Pandemie 2020, als der Flugverkehr zum erliegen kam. 

Städte
Über meine Erlebnisse in Porto und Lissabon hatte ich bereits geschrieben und die will ich hier natürlich nicht wiederholen. Jedenfalls sind das Städte, die regelrecht von Touristen heimgesucht werden. Warum? Nun, beide Städte liegen reizvoll in die Berge integriert mit viel auf-und-ab und haben ihre jeweiligen Attraktionen, seien es die alten Straßenbahnen, Burgen, märchenhafte Schlösser und Gebäude, besondere Brücken, und so weiter.

Ich finde, Fátima ist eine besondere Beachtung und Erwähnung wert. 
Viele Menschen, denen ich auf dem Weg von Santiago nach Fátima begegnet bin und ins Gespräch kam, zeigten Ergriffenheit und sprachen sehr respektvoll von meinem Vorhaben. Und als ich Fátima erreichte, begann ich zu verstehen, warum. Zuerst sah ich eine gigantische Halle, einen Saal für Gottesdienste, der fast 9.000 Gläubige fasst. Mich hat die schiere Dimension dieses Ortes sprachlos gemacht. Ich dachte nur, hier müsste mal ein Jugendtag stattfinden. Draußen setzen sich die überdimensionale Maßstäbe fort: ein gigantisches Kreuz und ein Platz, der den Petersplatz in Rom in den Schatten stellt. Als Nicht-Katholik fällt es mir schwer, die Bedeutung dieses Ortes zu ermessen, auch wenn ich die geschichtlichen Zusammenhänge lesen und im Wesentlichen nachvollziehen kann.
Abgesehen von diesem Pilgerzentrum gibt in dessen Umgebung zahllose Reliquien- und Souvenirshops sowie Hotels. Und das war's. Die Stadt besteht, vielleicht etwas übertrieben gesagt, nur aus dem Pilgerzentrum und der zugehörigen Infrastruktur. Nachdem ich die gigantische Halle, die Basilika und den gewaltigen Platz - und auch die Fátima selbst gesehen hatte, finde ich alles andere gähnend langweilig. 

Jedenfalls fand ich bei Antonio eine ausgesprochen liebevolle Unterkunft. Hier sind Gespräche willkommen und ich erlebte einen ausgesprochen achtsamen Umgang mit allen anwesenden Personen.

Nazaré
Am nächsten Tag bin ich wieder auf Achse! Richtung Nazaré. Ich will die ganz großen Wellen sehen. Aber die Saison hat noch nicht begonnen und ich habe mich mit Wellen von "nur" vier bis acht Meter zufrieden geben müssen. Hier habe ich meine Erlebnisse festgehalten.

Rota Vicentina
Das musst du gesehen haben!!! Natur, Küste, Meer und Wellen - Atemberaubend!!! Darüber habe ich hier einen extra Artikel geschrieben.

Casa da Aldeia
Nicht weit von Faro hatte ich für drei Tage ein kleines Appartement gebucht, das es hier in meinen Blog geschafft hat, weil ich es so schön finde. Es hat zwei bis vier Schlafplätze, Küche und Bad. Es ist ziemlich neu und mit viel Liebe zum Detail renoviert und richtig gemütlich. Auch der Außenbereich ist liebevoll gestaltet mit schönem Kiesboden und viele Pflanzen.
Alex, der Vermieter, ist gebürtiger Niederländer, spricht Holländisch und Englisch. Ich habe ihr sehr freundlich und hilfsbereit erlebt.

Das Appartment ist Teil eines Arrangements von drei Einheiten, die den Außenbereich gemeinsam nutzen. Weitere Details und Vermieterkontakt sind hier oder bei booking.com zu finden. 

Ankerfriedhof
Rund 30 km östlich von Faro befindet sich der Badestrand "Praia do Barril", den man sowohl zu Fuß, als auch mit einer kleinen Schmalspur-Bahn für 1,80 € pro Fahrt erreichen kann. Am Strand steht ein Dorf von Reihenhäusern, die im Jahe 1841 für 80 Fischer erbaut wurden. Man fing hier Thunfisch. Nachdem die Fischer davon nicht mehr leben konnten und das Dorf verließen, wurden ihre Anker als Erinnerung an jene Zeit dort aufgestellt und schaut aus, wie ein Friedhof - und wird auch so genannt. Ziemlich beeindruckend und emotional. Die Häuser sind jetzt in ein Museum und in Cafés umgewandelt worden.
Neue Freunde
Die Geschichte meiner Reise hat offensichtlich Kreise gezogen und interessiert inzwischen Freunde von Freunden von Freunden meiner Freunde - oder Zeitungsleser. Leute also, weit außerhalb meines Einflussbereiches, die ich nicht kenne. Und so kommen dann und wann Kontaktanfragen herein, die ich grundsätzlich alle bestätige, wenn es nicht gerade ein international bekannter Axtmörder ist.

Zu meiner eigenen Erinnerung will ich hier ein paar Begegnungen festhalten, die mich bewegt haben.

Einer davon ist Jörg S. Auch von ihm kam eine Kontaktanfrage über einn Freund. Als ich irgendwo in Südportugal herumgeistere, erreicht mich seine WhatsApp-Nachricht, er würde dann und dann mit seiner Frau in der Nähe von Faro Urlaub machen, wir könnten uns vielleicht am Sonntag in der Gemeinde Portimão treffen, wenn ich es schaffen würde. Nun war Portimão genau eine Tagesetappe zu weit entfernt, dass ich es bis Sonntag geschafft hätte. Aber wozu gibt es Eisenbahnen??? Die schaffen meine Tagesetappe in knapp einer Stunde. Ich also Ticket gelöst und das Hostel gebucht. Stellt sich heraus, dass das Hostel gerade mal 200 m von der Neuapostolischen Kirche entfernt liegt. Und wen treffe ich dann in der Kirche? Jede Menge, aber keinen Jörg S. Egal, der wird sich schon melden, was er auch tut: Verspätung mit dem Flieger. Wir verabreden uns später zum Abendessen und haben eine tolle Zeit, einander kennen zu lernen und festzustellen, wie viele Gemeinsamkeiten wir haben.
Ein anderer Fall ist Andrea mit Churri und ihrer Tochter. Das war in Fátima. Mir ist gerade nach einem heißen Kaffee zumute und ich schaue mich nach einem Café um. Und da ist auch schon eines. Aber auf dem Parkplatz steht ein Bulli T3, militante Erscheinung in mattschwarz, mit großen abstehende Außenspiegel, Alukisten auf dem Dachgepäckträger und mit einer Leiter hinauf. Und ein Deutsches Kennzeichen. Meine Aufmerksamkeit war sofort gefesselt und ich mache zwei Runden um diesen sensationellen Fund. Was das wohl für ein Typ ist, der damit unterwegs ist?
Im Café saßen ein älterer Herr und zwei Frauen. Quick-check: Der Herr kann es einfach nicht sein, er trägt ein altes Jackett, einen Hut und am Tisch lehnt ein Gehstock. Kurzer Blick zu den Frauen: beide wirken jung. Nichts Auffälliges... außer dem struppigen Hund, der auch duzu gehört... hmm. Ich nehme am Nachbartisch Platz und bestelle meinen Kaffee. Und da höre ich es schon, die beiden sprechen Deutsch. Attacke...!!! Nun ja, ihnen gehört der Bulli und wir haben Gesprächsstoff für den ganzen Vormittag, bis ich merke, dass ich meine nächste Etappe nicht mehr schaffen werde. Die beiden - Mutter und Tochter, sind so cool drauf und sind an vielen Stellen gewesen, wo auch ich war. Wir finden nur schwer ein Ende mit Quatschen. Schließlich haben sie mich und meinen Rucksack in den Bulli eingeladen und mir geholfen, meine Etappe zu schaffen. 

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