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Sonntag, 24. Oktober 2021

Erste Woche Pilgerschaft 16.-23.19.2021

Der Junge muss wohl mal in die Wanne...

Die erste Woche 
Bericht über die ersten drei Tage hatte ich ja schon gegeben. Und die letzten vier Tage bis zum 22.10. waren auch wieder interessant. Wenngleich auf andere Art und Weise. 

Bremen - Einzug der Gladiatoren 
Von Lilienthal entlang auf dem Wümmedeich wandernd, merkt man bald: langweilige Gegend! Die ganze Marsch ist am A.... 

Hier bist du nicht mehr allein! Es gibt auf diesem Deich einen regen Pendelverkehr und du musst höllisch aufpassen, wenn Radler daher fahren. Diese Spezies kennt zwei Gattungen, nämlich Fahrradfahrer und E-Biker. Du musst wissen, E-Biker kennen keine Gnade. Die halten drauf, bis du zur Seite springst. Der Wind scheint ebenfalls einen Mordsrespekt vor dieser Gattung zu haben und springt auch zur Seite, wenn die kommen. Und du unterschätzt deren Tempo völlig, weil da gerade ein Fahrradfahrer war, kaum schneller als du, der mit reiner Muskelkraft gegen die Elemente kämpft....

Endlich biegen wir links ab und verlassen den Dümmeweich in direkter Richtung nach Bremen, 6 km entlang dem Kuhgraben bis zum Friedenstunnel - aber immer nur geradeaus (ob ein Landschaftsarchitekt dafür mal nen Preis gewonnenhat, wage ich zu bezweifeln). Endlich finden wir uns in der umtriebigen Innenstadt und bei den Bremer Stadtmusikanten wieder. Wir??? Ich bin ja immer noch allein unterwegs. Also nur ein einsamer Gladiator...
Flügger
Ein Gladiator ohne Schlafplatz - oha. Ich glaube, wir lassen das mit dem Gladiator erstmal. 

Das Internet war für die Schlafplatzsuche nicht hilfreich. Telefonrecherchen im Domkapitel ebensowenig. Hmmm... ein Freund namens FH (Name von der Redaktion unkenntlich gemacht) ist just auf Dienstreise. Im Kapitel 8 hörte ich, dass Pastor Flügger DER Pilgerpastor in Bremen sei. Alles klar, wie ist die Telefonnummer? Nach mehreren Versuchen meldet sich jemand mit "Flügger hier". Super!

Nach kurzem Gespräch hatte ich meine Herberge im Gemeindehaus des St. Petridoms zu Bremen, gegenüber vom Weserstadion. Da es dort keine Pilgerbetten gibt, machte ich mich mit Luftmatratze und Schlafsack im Sitzkreis des Versammlungsraums breit. Eine große Küche samt Inhalt stand mir auch hier wieder zur Verfügung. Geil!

Pastor Flügger empfand ich als einen mega-sympathischen Typ. Er lud mich ein, mit ihm und seiner Frau am nächsten Morgen zusammen zu frühstücken. Alda... wie kommen die Leute auf solche Einfälle...? Ich würde das zwar auch machen. Aber ich bin doch eigentlich anders als andere, oder?
Weyhe
Für eine Herberge in Weyhe, einem Flecken etwa 13 km außerhalb von Bremen, bekam ich drei Telefonnummern vom örtlichen Kirchenbüro der Evangelischen Kirche. 

Es kommt mir jedes Mal wie Russisches Roulette vor, wenn ich die verschiedenen Nummern abtelefoniere. Die erste Nummer und niemand zu erreichen. Zweite Nummer, eine Frau nimmt ab und erklärt, dass sie keine Pilger mehr aufnimmt. Schlechte Erfahrungen. Dritte Nummer. Derselbe Effekt wie bei Nummer eins. Okay, ist erstmal so. Rein in die Stiefel und los. Es ist ja noch Zeit. 

Später auf dem Weg eine Eisenbahnstrecke mit super-leichtem Zugang zu den Gleisen. Ich konnte nicht widerstehen. Es dauerte auch nicht lange und ein Güterzug rauschte vorbei. Schnell noch ein schickes Gleisfoto machen, bevor der nächste Zug kommt - und weiter!
Der Weg verlief hier auf dem Weserdeich. In Dreye geht's runter vom Deich direkt in eine Bäckerei. Super! Es war halb eins und genau die richtige Zeit für eine Kaffeepause. Toll, dass Bäckereien nicht nur backen. Beim erneuten Versuch bei den beiden verbliebenen Telefonnummern, habe ich nun Beate Baumann erreicht und sofort eine Zusage für die nächste Unterkunft bekommen. 

Beate und ihr Mann Siggi stellen das Zimmer ihrer mittlerweile erwachsenen und längst ausgezogenen Kindern für Pilger zur Verfügung. Das Bett ist der Hammer. Es hat Ausmaße von gefühlt vier mal vier Meter. Und eine Matratze so weich wie Wolken. Ich hab geschlafen, wie ein Murmeltier. Auch hier wurde ich zum Frühstück eingeladen. Es ist echt unglaublich, was die Gastgeber für Mich tun... und vermutlich für alle anderen Pilger auch.
Als der Regen kam 
Das Sturmtief "Ignatz" hatte sich für die Tage 21. und 22. Oktober über Deutschland her und keinen Bogen um einsame Pilger gemacht. Laub und nasse Wassertropfen bewegten sich in horizontaler Flugbahn. Das Allermeiste ging ja daneben. Trotzdem fühlte ich mich gründlich geduscht.

Hier hat sich die gute Empfehlung des Globetrotter-Verkäufers ausgezahlt, denn meine Jacke hat keinen Tropfen durchgelassen und solide dem Wind die Gore-Tex-Stirn geboten (Rezension siehe unten).

Mit Mama telefonieren 
Vor fast einer Woche habe ich Mama verabschiedet und zuletzt gesehen. Obwohl mein Bruder Holger mir mitteilte, dass sie sich später wieder beruhigt habe, sind meine Gedanken viel bei ihr. So auch an diesem Freitag. 

Ein Blick auf die Uhr, es war halb zwölf. Im Seniorenheim ist das der Augenblick, wann man sich auf den Weg zur Kantine macht. Egal, ich versuche es trotzdem. Nach viermal Klingeln nahm Mama tatsächlich ab.

Ich: "Hallo Mama, der Horschd hier."
"Mein Junge, wo kommst du jetzt her?"
"Aus'm Telefon, Mama!"
"Kommsch au zum Essen...?"
"Nee...... das kann i jetzt ned."
"Warum? ......... ach ja, stimmt. Du kommsch ja nemme."
Pause
Ich: "wie goht's dir heut, Mamale?"
"Es goht..... i muss jetzt nonder zum Esse."
"Dann lass dir's schmecken!"
"Was...?"
"Gude Appetit!"
"Danke... tschüss."
"Mach's gut Mamale."
"Tschüss!"

Das Gespräch war wirklich so kurz. Aber es hat mir emotional einen guten Auftrieb gegeben, weil Mama hörbar in guter Verfassung war und sich klar erinnern konnte, dass ich weg bin und keinen Groll oder Vorwurf hegte. Puuh... das erleichtert meine Reise ganz wesentlich. 

Herberge in Harpstedt?
Wieder Russisch Roulette. Vom Kirchenbüro bekomme ich für Harpstedt nur eine Telefonnummer, Elke Schäfer. Fünf Anrufe, jedesmal Anrufbeantworter.... Als ich in Harpstedt angekommen bin, war noch keine Herberge klar. Okay, was tun? Am besten wäre es wohl, wenn ich mit jemandem spreche, der viele Leute im Ort kennt. Vielleicht findet sich ja auf diese Weise eine Lösung. 

Beim ersten Haus, das einen guten Eindruck macht, wird an der Haustür geklingelt. Eine freundliche Dame mittleren Alters öffnet die Tür. "Guten Tag! Ich bin Horst Bargsten und bin auf dem Jakobsweg unterwegs. Hier in Harpstedt möchte ich gerne eine Herberge finden. Was ich nicht will, ist ins Hotel gehen. Das kann ja jeder. Nein, ich suche eine private Unterkunft und ich dachte mir, Sie kennen hier viele Leute und könnten mir vielleicht jemand empfehlen....?"
Es entwickelte sich ein lustiges Gespräch, und die Dame schlug eine Adresse vor. Als ich dort anrief, stellte sich die Angerufene als das Kirchenbüro vor, wo ich zuvor schon angefragt und eine Absage erhalten hatte. Unmittelbar darauf bimmelte mein Handy, "Elke Schäfer, Sie haben angerufen...?"
Wooow, binnen weniger Minuten war die Herberge gesichert, obwohl die liebe Elke sich selbst noch auf einer Reise befand.
Produkt-Rezension 
Nach der ersten Bewährungsprobe, ist auch mal ein Wort über Produkterfahrungen fällig, denke ich.

Nr.1: Den Anfang macht mein Blasenpflaster. Das verwendete Pflaster der Firma COMPEED sei gepriesen und gepfiffen. Wie erwähnt, musste es bereits an meinem zweiten Lauftag zeigen, was es drauf hat. Es klebt bis heute,  das heißt vier Tage und hat mir über 100 km beschwerdefreies Laufen ermöglicht. 
Gekauft bei Edeka in Ahlerstedt. 

Nr. 2: Ebenfalls fünf Sterne kriegt die Gore-Tex Jacke von MOUNTAIN EQUIPMENT. Die ist so funktional geschnitten, dass sie am Körper hervorragend anliegt, ohne irgendwelche Bewegungen zu behindern. Intelligent geführte Verschnürungen verhelfen zur idealen Passform. Und das Material hat nicht einen einzigen Wassertropfen durchgelassen. Sämtliche Nähte sind sorgfältig mit Tapes versiegelt.
Gekauft bei Globetrotter in Hamburg-Barmbek.

Nr.3: Meine MEINDL Wanderstiefel mit knapp 450 km auf dem Tacho, haben am Profil schon etwas abgebaut, was ja ganz normal ist. Ich bin nur nicht ganz sicher, wieviel Kilometer die Sohlen eigentlich halten sollen. Dem Regen konnten sie auch nich so trotzen, wie ich  es mir gewünscht hätte. Im nassen Gras ist alles gut, aber im Regen wurden die Füße nass. 

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