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Mittwoch, 10. August 2022

Zusammenfassung meines Jakobsweges

Mit dieser Zusammenfassung möchte ich mit der Beschreibung meines Jakobsweges zum Schluss kommen und jenen etwas liefern, die immer mit dem Ende anfangen. 

Einstimmung 
Knapp ein Jahr vor dem Abmarsch habe ich mit Wanderstiefeln und dem provisorischen Rucksack mit Ballasttanks von 8 kg erste Trainingsrunden absolviert, die ich im Laufe der Zeit stets verlängerte und das Gewicht erhöhte. Waren es zu Beginn rund 10 Kilometer, so hatte ich es kurz vor dem wahren Antritt bis auf 46 Kilometer mit 12 kg hochgeschraubt. 

Zeitgleich habe ich meine Internetrecherchen hauptsächlich bei Bergreif betrieben und darauf basierend meine Einkaufsliste nach den beiden Kriterien minimales Gewicht und minimaler Platzbedarf zusammengestellt. Mit den Einkäufen begann ich 6 Monate vor dem Start, die mir wegen der Winterklamotten schlußendlich ein Rucksackgewicht von 16 kg bescherten.

Zahlen - Daten - Fakten
Wegstrecke
Mit Polarsteps, meiner Tracking-App, habe ich eine Gesamtstreckenlänge von Ahlerstedt bis Finisterre von 4.589 km aufgezeichnet. Im Durchschnitt bin ich 20-25 Kilometer gewandert. Meine kürzeste Strecke war 7 km im Sturm, als der Regen horizontal bis auf die Nasenschleimhautwand durchschlug, und die längste Strecke irgendwo bei 36 km lag. Um aber ehrlich die tatsächlich gepilgerte Wanderung darzustellen, müssen von der Gesamtstreckenlänge diejenigen Abschnitte abgezogen werden, die ich aus verschiedenen Gründen mit Bus oder Bahn zurückgelegt habe:

Gesamtstrecke 4.589km
Bahn Grafschaft - Eichenzell -184km
Bahn Basel - Sonthofen -203km
Bahn Nyon - Genf -29km
Bus Ribadeo - Vilalba -58km
Tatsächlich gelaufen4.115km

Schritte
Bei meiner Körpergröße von 1,70 m können wir von einer durchschnittlichen Schrittlänge von 0,8 m ausgehen. Multipliziert mit der tatsächlich gelaufenen Strecke, kommen wir dann auf rund 5.100.000 Schritte.

Dauer
Start in Ahlerstedt am 16.10.2021 und Ankunft in Finisterre am 23.07.2022 ergibt eine Reisedauer von 281 Tage, oder 40 Wochen + 1 Tag, oder 9 Monate + 8 Tage. 

Ohne Moos nix los
Für Unterkünfte habe ich im oben genannten Zeitraum insgesamt 4.273,28 EUR ausgegeben. Das macht eine durchschnittliche Übernachtungspauschale von 15,26 EUR/Nacht, oder 106,83 EUR/Woche, oder 474,80 EUR/Monat. Hierbei habe ich die Kosten allerdings nicht strikt getrennt,  wenn beispilsweise Frühstück oder gar Halbpension zum Übernachtungspreis angeboten wurde. 

Alle übrigen Ausgaben belaufen sich für denselben Zeitraum auf 7.550,21 EUR. Dazu zählen dann Ausgaben für den täglichen Bedarf wie Brötchen, Käse, Kaffee und vor allem das Bier, als eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel des gesunden deutschen Mannes. Aber auch große Brocken, wie ein neues Handy, Hörbücher und ein Audio-Seminar sind in dieser Kalkulation enthalten. Auch hierzu mal eben noch die Aufteilung: 
26,87 EUR/Tag
188,76 EUR/Woche 
838,91 EUR/Monat 

Gesundheit 
Zweimal konnte ich auf Freundeshilfe zählen, als es meinem Körper etwas an Widerstandskraft fehlte. In Köln gab's eine Blasenentzündung und in Luzern eine fiebrige Erkältung. Sonst nichts. 

Wege
Geschätzte Aufteilung der Strecke:
50% Asphalt
30% Schotter
20% Feld- und Waldwege 

Am anstrengendsten fand ich es bei Geröll mit faustgroßem Gestein - egal ob rauf, runter oder in der Ebene. Diese Art kommt überall vor, war aber am häufigsten in Frankreich vertreten. 

Gestürzt bin ich bei den 4.115 Kilometern ganze dreimal, zum Glück ohne irgendwelche Blessuren. Das passierte jeweils bei Gefälle, einmal als Geröllsteine unter Laub versteckt lagen, dann einmal bei nassem Wurzelwerk, und einmal als ich mit meinen Augen nicht auf den Weg geachtet hatte. Dann hab ich immer einen auf Schildkröte gemacht: Der schwere Rucksack am Boden und Horst Bargsten rudert mit allen Vieren in der Luft. Hätte ich ja gerne Fotos davon gemacht, aber das Handy war jedesmal leider nicht im Fotomodus eingestellt. 

Herbergen
Pilgerherbergen findet man in Deutschland nur vereinzelt bei Pfarrämtern und Privat. Herbergslisten scheinen von Ortsverbänden unterhalten zu werden und sind unterschiedlich gut im Internet zu finden und ebenso unterschiedlich gut zu gebrauchen. Meine typische Vorgehensweise war folgende:
1. Telefonanruf beim Pfarramt des Zielortes, gibt es ein Pilgerzimmer oder eine Couch im Gemeindehaus? 
2. Internetrecherche, gibt es für die Region, bzw. diesen Jakobsweg eine Herbergsliste?
3. Facebook-Gruppe "Pilger sucht Dach" durchforsten.  
4. WhatsApp- und Facebook-Kontakte alarmieren und um Unterstützung bitten.
5. Couchsurfing.com checken. Hier begünstigt ein zeitlicher Vorlauf von bis zu zwei Wochen den Erfolg. 

Die definitiv allerschönsten Unterkünfte bekam ich durch die Vermittlung von Verwandten, Freunden und Kollegen, die mich bei ihren Verwandten oder Freunden empfohlen und für mich dort gefragt haben. Ebenso waren meine Erfahrungen mit Couchsurfing.com. 

Für die Schweiz gibt es kostenlose Herbergslisten entlang alle Schweizer Jakobswege als PDF-Download im Internet. 

Für Frankreich gibt es verschiedene Reiseführer. Ich habe den "Miam Miam Dodo" benutzt,  derzum einen den Weg beschreibt und zum anderen auch Herbergen auflistet - allerdings alles auf Französisch. 

In Spanien half mir die App "Buen Camino", die in den fünf Sprachen Spanisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch verfügbar ist. Auch hier sind sowohl Weg-Infos enthalten wie auch die Herbergen aufgelistet. Diese App ist uneingeschränkt kostenfrei. Den Preis von 20,- EUR, den mich ein gedruckter Reiseführer gekostet hätte, habe ich dennoch überwiesen, weil ich meine, das Leben ist immer geben und nehmen. 

Die Herbergen sind immer ein großartiges Erlebnis. Du wirst aufs Köstlichste verwöhnt von Menschen, die du gerade erst kennen gelernt hast. Oder es kann auch mal  deine ganz persönliche Toleranzchallenge sein, und du tröstest dich dann mit dem Ausblick: morgen ist es bestimmt wieder schön.  Die Bandbreite ist gigantisch. 

Von den 280 Nächten hatte ich bis auf ein einziges Mal - und das war in Frankreich, immer ein Bett und ein Dach über dem Kopf, obwohl es öfters am Tage noch ganz anders aussah.

Kirche?
Als Neuapostolischer Christ zähle ich mich zu den aktiven Gläubigen. Das heißt, ich glaube an Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist. Außerdem bedeutet es für mich die Gemeinschaft der in dieser Weise Gleichgesinnten. Das wiederum ist auf der Pilgerreise eine Herausforderung: zu welcher Gemeinde gehöre ich denn jetzt? Okay, hier bin einfach großzügig und fasse alle Christen zu einer Gemeinde zusammen, und schon habe ich fast überall Zugang. Nun bin ich aber die Neuapostolischen Gottesdienste gewohnt. Wie kann ich diese nun fortsetzen? Zum Glück (für mich) kam Covid-19 über die Menschheit,  die mit den verordneten Beschränkungen eine extreme Beschleunigung von Online-Meetings brachte. Das diente ebenfalls der entfernten Teilnahme an Neuapostolischen Gottesdiensten, die plötzlich auch online verfügbar wurden. Problem gelöst!

So konnte man mich andächtig lauschend, fröhlich singend und laut betend durch Feld und Flur marschieren sehen. Nur in besiedelten Gebieten habe ich mich auf das andächtige Lauschen beschränkt. 

Gelegentlich trafen der wandernde Horst und die immobile Kirche sogar Sonntags aufeinander. Das fand ich dann immer als ein Geschenk des Himmels, wenn ich dann live am Gottesdienst teilnehmen konnte. Nur in Gaggenau stand ich zwar rechtzeitig vor der prächtigen, aber coronabedingt verschlossenen Kirche ohne Hinweis auf den Ausfall und ohne Internetangebot. Das war schade.

Ausrüstung und Technik
Eingekauft habe ich das meiste meiner Ausrüstung bei Globetrotter in Hamburg-Barmbek. Manches auch in Sonthofen während meiner Gleitschirmflugausbildung und auch über Amazon. 

Was soll ich hier sagen? Einen Artikel mit Rezensionen über mein Equipment will ich noch als zusätzlichen Artikel als Anhang folgen lassen, mit Infos über Nutzen und abnutzen.


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