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Samstag, 7. Mai 2022

Das Zwischenziel erreicht


Der 6. Mai 2022 und der 202te Tag meiner Pilgerreise markiert ein für mich ganz spezielles Ereignis: ich habe meinen 16 kg schweren Rucksack 2.750 km weit getragen und dann den Hauptstandort meiner Firma erreicht - AIRBUS Central Entity, Blagnac. Was für ein unbeschreibliches Gefühl!

Bereits die letzten Tage waren total auf diesen Moment ausgerichtet. Ich konnte an nichts anderes denken und kaum eine Stunde verging, in der ich nicht daran gedacht habe - wie der Gladiator beim Einzug in Rom (lach). Ständig kreisten meine Gedanken in den Erinnerungen an dutzende von Dienstreisen, Meetings, Begegnungen, Reviews und Diskussionen, die ich im Rahmen meiner Aufgaben als Qualitätsmanagers in der Entwicklung des Airbus A350-900 und -1000 seit Sommer 2006, als das Programm neu aufgelget wurde, erlebt hatte. Dabei hab ich oft gedacht, dies und jenes würde ich heute mit noch größerer Leidenschaft tun. Beispielsweise würde ich als allererstes meine volle Energie in die Sicherstellung der Requirement-Kaskade stecken. Beim Thema Reviews würde ich versuchen, sie schlanker und viel strikter zu gestalten - ebenfalls als klare Kaskade. Vielleicht macht dies mein Nachfolger gleich von vornherein auf diese Weise. Zutrauen würde ich es ihm. Anderes würde ich einfach ganz weglassen, zum Beispiel Emails lesen und beantworten. Das war einer meiner größten Zeitfresser. So, Schluss jetzt damit. Das hier ist ein Reise-Blog und keine Tätigkeitsbeschreibung. Inhaltlich verstehen das wohl eh nur Insider.

Anders gesagt, auf dem Pilgerweg habe ich das Flugzeug etliche Male neu gebaut und bin immer noch mega stolz darauf, so viele Jahre dieser großartigen angehört zu haben. Und ja, ich vermisse euch auch ein bisschen.

Dienstag, 26. April 2022

In die Alpen gelaufen

Ist denn das zu glauben, bin ich nun wirklich von Norddeutschland bis in die Alpen gelaufen? Ich kann es kaum fassen, zumal es es sich gar nicht anstrengend anfühlt. Und noch viel weniger kann ich glauben, dass darüber ein halbes Jahr vergangen ist.

Rin inne Kartoffeln, rut ut de Kartoffeln

In Basel habe ich erstmals meinen Fuß auf eidgenössischen Boden gesetzt und wurde von Achim K., einem Freund aus Studienzeiten und seiner lieben Petra für fünf Tage aufgenommen. Wie bereits erwähnt, hatte ich mich dann entschieden, meine fliegerische Ausbildung im Gleitschirmfliegen, Klasse A abzuschließen. Das war eben nur in Sonthofen möglich. Also ging es mit dem Zug nochmal kurz zurück nach Deutschland. 

Alpen-Ouvertüre - Sonthofen bis Bregenz

Nach bestandener Prüfung, kam Heike G. nach Sonthofen, um mich auf dem Weg für ein paar Tage zu begleiten. Heike habe ich nicht weit von hier, in Oberstdorf in meiner schwersten Zeit kennen gelernt. Sie hat bei mir auch einen besonderen Stellenwert bezüglich des Pilgerns, weil sie mir das Wandern auf ihre ganz eigene Weise zugänglich gemacht hat. Darum hatte ich mich auf diese Begleitung auch besonders gefreut. 

Von Sonthofen aus sind wir gemeinsam gestartet und der Weg hat uns über Immenstadt, Oberstaufen und Scheidegg zum Pfänder und dann zum Kloster nach Bregenz geführt. Von dort ging die kurze Fahrt mit der Bahn nach Rorschach in der Schweiz. Jetzt aber endgültig!!!

Das Bergland erklommen...

Die Etappen ab Rorschach heißen St. Gallen, Aemisegg, Wattwil, Bollingen bei Rapperswil, Einsiedeln, Schwyz, Luzern, Werthenstein, Willisau, Huttwil, Burgdorf, Bern, Rüeggisberg, Fribourg, Prez-vers-Noréaz, Romont, Ropraz, Lausanne, Nyon und endlich Genf. Das sind summasummarum ca. 450 km.

Richtig gebirgig wurden die Etappen ab St. Gallen. Rauf und runter, rauf und runter, ohne Ende - puuh! 

Im Kloster von Wattwil habe ich eine der schönsten Herbergen gefunden. Das Kloster ist als solches nicht mehr im Betrieb, sondern wird heute von der International operierenden Organisation Fazenda da Esperança unterhalten, die Menschen in Krisensituationen unterstützt, wieder ihre Stabilität zu finden. 


Als ich am Morgen des 15. März 2022 aus dem Fenster meiner Herberge in Einsiedeln blickte, sah ich einen gelben Himmel. Saharastaub hat sich über ganz Europa verteilt.

Am anstrengendsten war dann die Etappe von Einsiedeln nach Schwyz. Dabei ging es über den Hagenegg-Pass bei 1.414 m Höhenmetern, wo tiefer Schnee lag und noch Skibetrieb war. Immer wieder bin ich bis zu den Knien im Schnee eingesunken, was mir die letzten Kräfte raubte. Solange ich den Pass nicht erkennen konnte, verließ mich fast der Mut. Es war grenzwertig. Letztlich ging alles gut und ich konnte mich am Hagenegg Wirtshaus mit einem köstlichen Bier belohnen. 

Für mich als norddeutsches Landei war der Blick auf die Schweizer Bergwelt überwältigend. 

Im übrigen verging wirklich kein Tag, an dem nicht das Geknatter von irgendwelchen Hubschraubern die Luft erfüllt hat. 

Schöne Städte

Wenn ich beim Pilgern Pausen einbaue, dann mache ich es an Orten, die mir gut gefallen. Ein besonderer Ort war ist Luzern denn dort lebt Justin, ein Freund von mir, der mich in seiner Wohnung für ein paar Tage aufgenommen hat.

Und Bern hat es mir auch sehr angetan. Hier habe ich einen neuen Freund gefunden, in Bronze gegossen.

Schwyzerdütsch

Ach du lieber Himmel - ich dachte, wer Deutsch kann, der versteht auch Schwyzerdütsch. Das war aber ein Satz mit X, eben gar nichts! Vielleicht lag es aber auch an meinen Hörgeräten, die dieses fremde Deutsch einfach nicht durchlassen. Egal welche Schallfrequenzen meine Ohren erreichten, mindestens fünfmal musste ich nachfragen, bis ich halbwegs wusste, worüber jemand mit mir sprach. Und dann ihre süße verniedlichungsform mit "...li" an jedem zweiten Hauptwort: Türmli, Hündli, Fensterli, Wegli, Fähnli, Horstli, usw.

Fazit

Für die Schweiz wäre ein dickes Buch zu schreiben. Deshalb belasse ich es bei diesem wenigen Einblicken, und sage dass die Schweiz allemal und immer wieder eine Reise wert ist!


Montag, 21. März 2022

Ein Tag im Leben eines Pilgers

Wie sieht eigentlich der Tagesablauf eines Pilgers aus?
Um eine möglichst plausible Antwort auf diese Frage zu geben, beziehe ich mich auf die reichhaltigen Erfahrungen praktizierender Pilger. Auf genau eines Pilgers: mich! Entsprechend repräsentativ ist die Antwort auch zu verstehen.

Der Tag beginnt...
...mit dem Aufwachen. Wer hätte das gedacht! Bei mir ist um 05:30 Uhr vorwecken. Dann klingelt der Wecker zum ersten Mal und macht mir jeden Morgen das köstliche Geschenk, noch eine halbe Stunde liegen zu bleiben. Um 06:00 Uhr bimmelt es zum zweiten Mal. 2. Dann ist Aufstehen angesagt. Wenn ich nicht gerade wegen unbedachter Entkleidungen verschnupft bin, wird morgens in der Dusche das rechte Wasserventil benutzt, also ich meine das Ventil mit dem blauen Punkt drauf. Das belebt schlagartig und nachhaltig! Ich liebe es.

Mich dem Wetter entsprechend anzuziehen, meine Siebensachen zusammenbringen und den Rucksack reisefertig machen, ging ab irgendwann einigermaßen routiniert, braucht aber dennoch rund 20 Minuten. Die habe ich fest in mein Morgenprogramm eingeplant. Sonst komm ich nicht klar.

Sofern die Herberge Frühstück anbietet, was bei Privatleuten und bei Couchsurfing auch gleichzeitig Familientisch bedeutet, bin natürlich bestens versorgt. Wenn die Herberge eine Abstellkammer ist oder einen unangemessenen Sonderpreis dafür verlangt, dann schaue ich mich nach einem Bäckerladen um. Da komme ich meistens unter 10 Euro wieder heraus.

Wichtig ist der Moment, wenn meine Füße den ersten Schritt des Tages machen. Hierbei meine ich den Schritt aus der Tür meiner Unterkunft in Richtung neues Etappenziel. Das sollte spätestens um 9:00 Uhr sein, weil dann eine gute Portion Motivation mitläuft. Wenn es später wird, liegt es eigentlich immer daran, dass ich bei Privatleuten gewohnt habe und mich festgequatscht habe, weil eine wundervolle Connection und viel Sympathie besteht und ich am liebsten da bleiben würde.

Pilgerausweis stempeln
Viele Unterkünfte, die sich als Pilgerherbergen verstehen, haben auch einen Pilgerstempel. Vor allem bei Klöstern und kirchlichen Herbergen. Aber auch Privatunterkünfte haben oft einen Stempel. Dort, wo kein Stempel vorhanden ist, gehe ich in die Kirchen, wo oftmals einer zu finden ist, oder ich frage bei Pfarrämtern oder Touristeninformation nach. 

Kuriose Situation im Freiburger Münster. Ich treffe dort einen Diakon an und frage ihn nach dem Pilgerstempel. "Einen was wollen Sie?" fragte er mich zurück. "Einen Pilgerstempel!" gab ich zur Antwort. "Was ist das denn?" Jetzt wurde ich stutzig. Habe ich hier wirklich einen Diakon des Hauses vor mir oder einen Studenten, der Touristen auf den Arm nehmen will? Ob er schon mal was von Pilgern gehört hätte? Ja! Und vom Jakobsweg? Ja! Na wunderbar. Pilgerausweis? Nö. Aha, hier konnte ich ansetzen und Wissen vermitteln. Ich zeigte dem jungen Mann meine beiden Pilgerausweise (der Erste war bereits vollgestempelt und der Zweite angefangen), und erklärte, dass jede Kirche, die was auf sich hält, einen einzigartigen Stempel habe. Daraufhin verschwand dieser unwissende Diakon in den Tiefen Des Freiburger Münsters und erschien nach fünf Minuten mit einem Prachtstück von Stempel, der in meinem Ausweis Platz für drei in Anspruch genommen hat. 

Oft genug hab ich's auch nur vergessen, nach dem Stempel zu fragen, oder es fiel mir erst etliche Kilometer später ein. Schade - aber auch kein Weltuntergang für mich, wenn ein Stempel im Pilgerausweis fehlt.

Nahrungssuche
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Ich zum Glück nicht. Das Frühstücksfinden ist ja schon erklärt. Zum Mittag gibt's idealerweise einen Apfel und oder oder einen Müsliriegel. Das reicht, denn zum Laufen kann ich keinen vollen Bauch gebrauchen. Dafür darf die Abendration gern etwas üppiger ausfallen, aber auch nicht so, dass das Bett unter mir zusammenkracht.

Sehr wichtig ist die Flüssigkeitsaufnahme! Für zwischendurch habe ich eine Wasserblase von Source im Rucksack mit 1,5 l. Ein Schlauch führt mit das Wasser bis vor meinen Rüssel. Sehr praktisch! Gerade in gebirgigen Gelände, die Schweiz ist ein prächtiges Beispiel dafür, ist die Kombination von Wasser und Broteinheiten ausgesprochen nützlich. Man konsumiert nur ein Nahrungsmittel (z.B. eine gut gekühlte, lokale Blondine oder Brünette) und hat alles, was der Körper braucht, auf einmal intus.

Herbergssuche
Zur größten Herausforderung der ganzen Pilgerreise zählt das Suchen und Finden von Unterkünften. Das umso mehr, wenn für den heutigen Tag die Unterkunft noch nicht unter Dach und Fach ist, wenn der Tag seinen Zenit bereits zwei oder mehr Stunden überschritten hat.

Wenn es irgendwo ein zentrales Register von Herbergen geben sollte, dann habe ich es noch nicht gefunden. Natürlich gibt es Verzeichnisse, zum Beispiel auf regionalen Webseiten, bei der Facebook-Gruppe "Pilger sucht Dach" und in anderen Foren. Aber leider nichts, das alle Adressen aus einer Hand bietet. Unbrauchbar sind beispielsweise Verlinkungen zu Stadtverwaltungen oder die einen Google-Suchbefehl auslösen. Das kann ich auch ohne Verlinkung. Dann gibt es Verzeichnisse für Wege, die einen bestimmten Namen haben, wie "Bonifatiusweg". Ich hab doch keine Ahnung, von wo nach wo der Bonifazweg verläuft. Ab irgendeinem Punkt ist er gleichzeitig Jakobsweg. Ich bin es gewohnt, der gelben Muschel auf blauem Grund zu folgen. Aber zurück zu den Unterkünften. Wenn ich endlich mal die richtige Liste zum benannten Weg gefunden habe, dann ist garantiert in genau dem Ort, am Ende meiner Etappe, gerade keine Unterkunft verzeichnet - grrr!

Zum Glück gibt es neben Facebook auch noch Couchsurfing.com und meinen geliebten WhatsApp-Fanclub. Wenn mal alle Stricke reißen, dann geht schon mal eine Botschaft über all diese Kanäle raus, ob nicht jemand jemanden kennt in dem Ort, den ich anlaufen will. Bisher ist das Problem nie ein Problem geblieben. Genauso wenig ist es vorgekommen, dass ich bei der jeweiligen vorgeschlagenen Lösung lieber das Problem zurück wollte.

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