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Donnerstag, 18. November 2021

Laufend Blasengeschichten

Es war am 10. November auf der Etappe von Remscheid-Lennep nach Gevelsberg, auf der die druckbedingten Zwischenetappen kürzer und zahlreicher wurden. Diesmal waren es jedoch nicht mehr die Blasen an meinen Füßen, sondern eine Beinlänge höher angelegte Blase, die zusätzliche Boxenstopps einforderte. Und dabei auch noch jedesmal weniger Inhalt ablieferte. 

Das Verhalten dieses Körperorgans kam mir schemenhaft bekannt vor. Ich fragte mich, ob es wirklich das sein sollte, was ich in Jugendzeiten gelegentlich hatte... Blasenentzündung? Ich dachte nach und erinnerte mich nur schwach. Mein Bruder Harald rief mich zufällig an diesem Tag an, um ein wenig zu plaudern. Als ich ihm dann davon erzählte, mahnte er zur Vorsicht. Ich solle aufpassen, dass das nicht hochzieht. "Dass es nicht hochzieht... hä, wie bitte???" fragte ich. Ich wusste nicht, was er meinte. Nun, er meinte, dass, wenn es tatsächlich eine entzündliche Infektion ist, die Nieren davon schnell in Mitleidenschaft gezogen werden können. Aha! Alles klar. 

Außer einer leicht erhöhten Pipifrequenz ging es mir ja hervorragend, bis ich in die Vororte der Großstadt Köln kam. Dort verschob sich das Verhältnis von Pipinot zu Gebüschvorkommen sehr ungünstig. Das wiederum trainiert die Entdeckungsfähigkeit von neuen Pipiverstecken ganz enorm. Ich kann es nicht genug betonen: nach jeder Pipibefreiung war mein körperlich-mentaler Zustand bombastisch. 

Bis Köln!

Kaum hatte ich meine lokale Herberge in Julians Wohnung in Köln-Poll bezogen, war ich  Dauergast im WC. Am Abend traute ich mich kaum noch vor die Tür. Eigentlich war das erstmal egal, denn ich hatte eh einen Tag Pause für Köln eingeplant. Also hieß die Devise: ausruhen. Meine Füße fanden diese Idee sowieso klasse. 

Es wurde Nacht und meiner Blase war nicht zum Schlafen zumute. Im Gegenteil, sie kam jetzt erst so richtig auf Touren und schickte mich im Schnitt einmal pro Stunde um die Ecke, wo sich die Brille vom jeweils vorigen Mal noch nicht ganz abgekühlt hatte...

Mir fielen Haralds Worte wieder ein. Ob das jetzt wirklich so eine Entzündung sein sollte, mit der ich nicht spaßen sollte...? Ich war mir immer noch nicht so ganz sicher. Am Morgen wurde ich fix wach und fühlte mich ausgeschlafen und ausgeruht. Und auch die Pipifrequenz war nach dem Aufstehen und Frühstück fast runter auf Null. Süh... ist doch alles gar nicht so schlimm. 

Nun geschah jedoch die seltsame Verwandlung. Meine bisher gute und positive Energie schlug um in einen nicht zu stoppenden Pessimismus, den ich hier zuvor beschrieben hatte. Dieser Blues hielt mich den ganzen Tag und vor allem die folgende Nacht regelrecht gefangen, wie mit schweren Ketten. Was soll ich jetzt machen, überlegte ich. Welche Möglichkeiten gibt es? Welcher Arzt hat kurze Wartezeit? Was wird er tun und sagen? Na klar, Antibiotika verschreiben und eine Woche Ruhe! Aber wie lange dauert es wirklich? Ich bin in der Wohnung von einem Julian, den ich nicht kenne. Der kommt am Montag aus Frankfurt zurück. Und ich bin immer noch da und sollte womöglich eine weitere Woche in dessen Wohnung bleiben??? No way! Hotel? Zu teuer. Gasthaus oder Privatpension könnte vielleicht passen. Aber die nehmen bestimmt keinen auf, der schon krank daherkommt. Privatherbergen kommen eh nicht infrage, weil die jeweils mit einer Übernachtung rechnen, denke ich - obwohl mich damit tatsächlich getäuscht habe.

Moment mal, schießt mir plötzlich ein Gedanke durchs Gebälk. Als ich vor Monaten mit meinem Freund Olaf (der bereits mehrfach erwähnt wurde) zu einem Zeitpunkt über meine Pläne des Jakobsweges sprach, als es kein Zurück mehr gab, da bot er mir sein Zuhause als Zufluchtsort an, wenn ich mal irgendwie nicht mehr weiterkommen würde. Halloooo.... ist dies jetzt so eine Situation? Ich wollte es nicht wahrhaben. Doch je länger ich darüber nachgedacht hatte - und dazu hatte ich reichlich Zeit, denn schlafen war heute Nacht nicht mehr drin, desto klarer wurde mir, daß ich genau da drin steckte. Also wartete ich noch bis halb sechs und schrieb an Olaf, dass ich ein Thema habe, über das ich gern mal mit jemandem wie ihm sprechen würde. 

Um 6:28 Uhr klingelte mein Handy. Und um viertel nach sieben kam seine WhatsApp Nachricht, dass er auf dem Weg ist, mich in Köln abzuholen. Ich war baff! Und froh natürlich auch. Er schaffte es super durch den Berufsverkehr und war tatsächlich nach zwei Stunden da. Schnell waren meine Siebensachen im Auto verstaut und wir waren unterwegs. In Hüttenfeld ist Olaf zuhause. Nach Köln ist das eine Entfernung von 230 Kilometer. Auf der Rückfahrt rief Olaf noch seinen Hausarzt an, um mich anzumelden, denn freitags schließt die Praxis um 13 Uhr. Wir erreichten die Praxis um 12:20 Uhr. Maßarbeit! So erhielt ich gerade noch vor dem Wochenende mein Rezept für das Antibiotikum. 

Für den Rest des Tages und die folgende Nacht war ich denn auch wirklich krank und rein zeitlich häufiger eingeschlossen als irgendwo sonst. Und jede Sitzung fühlte sich an, als ob man Glassplitter pinkeln würde...
Ich wusste, das wird vorbeigehen - irgendwann! Zähne zusammenbeißen und durch!

War das detailliert genug?

Olaf und seine liebe Claudia haben mich aufs Allerbeste versorgt. Ich bin unendlich dankbar, solche Freunde zu haben, die nicht lange fackeln, sondern da sind, wenn sie gebraucht werden. Absolut keine Selbstverständlichkeit!

Sieben Tage sind seit dem glanzlosen Einzug nach Köln vergangen und nun ich stehe wieder am selben Punkt in der Domstadt. Diesmal jedoch mit neuer Kraft, Energie, Freude und Zuversicht. Ich pilgere weiter und danke dem Himmel, so prachtvolle Freunde zu haben, die halten, was sie sagen 😊


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