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Freitag, 31. Mai 2024

Horst in Brasilien - Die Küste entlang gen Norden

Strand von Itacaré 

Porto Seguro

Montagabend, 22.30 Uhr, verlasse ich Vitória mit dem Bus nach Porto Seguro. Ankunft in Porto Seguro um 10 Uhr morgens. Der Bus ist bequem und ich bekomme meinen Schlaf. Zwei Stopps unterwegs von je ca. 30 Minuten bieten Gelegenheit, Speisen in einer Lanchonete, auf gut deutsch Caféteria mit großem Buffet, einzunehmen. Ich muss sagen, mit so einem Bus wie diesem, bin ich noch nicht gefahren. Hochkomfortabel! Jeder Sitzplatz im Bus ist fast eine kleine Suite mit superbequemen Sesseln. Ein solider Vorhang zum Sitznachbarn gibt mir etwas Privatsphäre und der Sitz selber lässt sich weitgehend in eine schlafbare Liegeposition verstellen, ohne den Fahrgast hinter sich einzuschränken. Die Sitzabstände sind also großzügig bemessen. Nicht schlecht! Außerdem gibt‘s USB-Ladeanschluß an jedem Sitz und WIFI an Bord. Doch das mit dem WIFI hat allerdings einen kleinen Haken: sobald der Bus zwischen Feldern, Wäldern und Bergen herum düst, ist Feierabend mit jeglicher Funkverbindung.

Bei meiner Ankunft im Porto Seguro hat der Bus eine Strecke von 590 km in 11,5 Sekunden... quatsch - Stunden! zurückgelegt und ich stehe um 10.40 Uhr mit meinem besten Freund, dem Rucksack, am Busbahnhof. Diese Fahrt kostete mich 320,- BR$ (58,- €).

Noch im Bus buche ich mit Booking.com meine Unterkunft in einem Haus namens 'Hostel Beach'. Auch wenn es nicht direkt am Strand, sondern im Zentrum des Ortes liegt, klingt der Name verheißungsvoll. OK, Namen sind leicht zu vergeben und heben eine Tendenz zu Schall und Rauch. Was dann geboten wird, gehört in die Kategorie ‚Reiseerlebnisse‘. Check-in - es ist alles da, was ich von einem Hostel erwarte: ordentliche Toilette und Dusche, Küche mit allem Zubehör. Hm, das Zubehör ist hier etwas knapp bemessen, geht für mich aber gerade noch durch - und einen Gemeinschaftsraum mit bequemen Sitzgelegenheiten. Alles in allem, akzeptabel hier.


Porto Seguro ist als historischer Ort bekannt, wo Portugiesen angeblich erstmals den Boden von Brasilien betreten haben. Es gibt dort einen alten Leuchtturm und zwei alte Kirchengebäude und ein paar ebenso alte Häuser, die ich mir anschaue. Doch so richtig vom Hocker reißt es mich hier aber irgendwie nicht. 


Das Dorf Aripona Kahab


Dann entdecke ich im Internet, dass es in der Nähe ein Dorf mit indigener Bevölkerung gibt, die Pataxó. Ich werde neugierig und lasse mich von einem Uber-Fahrer dort hin bringen. Das ist wirklich sehr interessant. Diese Leute sind natürlich nicht von gestern und besitzen ebenfalls jeder sein Smartphone. Dennoch leben sie als unvermischter Stamm und erhalten ihre Kultur wie vorzeiten und haben dafür den Segen der Regierung.

Die Kinder werden in ihrer eigenen Sprache Patxoha unterrichtet und lernen Portugiesisch sozusagen als Zweitsprache. Im Dorf leben ca. 120 Menschen. Auf meine Frage, wie sie es mit der Partnerwahl machen, erfahre ich, dass es entlang des Küstenstreifens bis nach Rio de Janeiro noch weitere fünfzehn Dörfer gibt und man damit auch eine gewisse Auswahl hat.

Diese Leute habe ich als sehr offen und warmherzig empfunden. Jeder war hilfsbereit, mir das Leben im Dorf zu erläutern und Fragen zu beantworten. Es ist sogar möglich, dort eine Unterkunft zu buchen, um das gesellschaftliche Leben dieser Menschen mitzuerleben und es so kennenzulernen. Hätte ich das doch bloß gemacht....

Darüber hinaus versuche ich in Porto Seguro erstmals ernsthaft einen als Motorhome ausgebauten VW-Bully zu kaufen. Das ausgewählte Fahrzeug steht aber auf einem Parkplatz in der Nähe von São Paulo, 1.600 km von Porto Seguro entfernt. Wird also nix. Schade! 


Zwei Tage Porto Seguro sind genug für mich - obwohl ich den Nachbarort Arraial d'Ajuda, wie mir Mona aus Vitória mir empfohlen hatte, doch nicht mehr aufsuchen. Meine innere Stimme treibt mich an, weiter zu reisen. Also weiter mit dem nächsten Bus nach Itacaré. 380 km und 8 Stunden später bin ich dann um 18.00 Uhr da.

Itacaré


Dieser Badeort hat mich sofort mit seinem Charme und mit seinen kleinen Stränden
, die durch große ins Meer ragende Felsen vollständig voneinander getrennt liegen, gefangen genommen. Jeder Strand ist eine eigene kleine Welt mit einer überschaubaren Anzahl von Surfern und Sonnenanbeterinnen. So mag ich das.

Der Ort selbst hat eine touristische Straße mit hunderten kleinen Lädchen, Bars, Restaurants, Hostels, usw., die zu den besagten Stränden führt. Ansonsten wirkt der Ort süß und verspielt. Es ist auf jeden Fall ein Ort, wo ich wieder hingehen würde, wenn meine Route es zulässt. Warum ich an diesem zauberhaften nur drei Tage bleibe, wird wohl für immer mein ganz persönliches Rätsel bleiben, denn das ist im Nachhinein betrachtet, definitiv zu kurz. Mein nächstes Ziel ist Salvador.

Salvador


Unterkunft bekomme ich wieder einmal als Couchsurfer, diesmal bei bei Katy auf dem Sofa. Irgendein Problem mit Sofa? Keineswegs. Ich schlafe wie ein Murmeltier. Katy's Zuhause befindet sich in guter Lage, so dass ich das historische Zentrum von Salvador in dreißig Minuten zu Fuß erreiche. Bis zur Strandpromenade ist es ein Weg von gut einer Stunde, wohin ich zu einem Treffen mit anderen Couchsurfern eingeladen bin.
Couchsurfer-Treffen
Dabei spricht mich Marcus an und fragt mich, ob ich Lust hätte, an einem Kurzfilmprojekt als Schauspieler teilzunehmen. Huuuch... das klingt ja spannend. Mit dem Vorbehalt, so etwas noch nicht gemacht zu haben, gebe ich meine Zusage. Per WhatsApp landet kurze Zeit später das Drehbuch mit meinem Text auf meinem Handy. Meine Rolle, ein in Brasilien lebender deutscher Agent, der seinem Freund Rei hilft, einen Entführungsfall zu lösen. Das Ergebnis kann hier bewundert werden (ggf. auf ‚Reels‘ klicken).

In einer Großstadt wie Salvador glaube ich, sollte es leicht sein, einen Langstreckentauglichen VW-Bus zu ergattern. Über den Facebook Marktplatz und die Brasilianische Online-Gebrauchtwarenbörse OLX finde ich in der Tat einige interessante Fahrzeuge. Der erste Besichtigungstermin erweist sich als Flop. Der Besitzer bestellt mich zu einem 16-stöckigen Bürogebäude in die 10. Etage. Dort sitze ich dann einem jungen Mann mit Anzug und Krawatte in einem maximalspartanischen Büro gegenüber, ein Schreibtisch mit Computer und drei Sühle. In Ermangelung kompatibler Sprachkenntnisse, findet die gesamte Kommunikation mit dem Google-Übersetzer statt. Ich hege die Erwartung, dass wir in wenigen Minuten zusammen in die Tiefgarage fahren, um den Super-Bulli anzusehen. Doch der junge Mann macht keinerlei diesbezügliche Anstalten. Stattdessen erklärt er etwas über Zahlungsmodalitäten. Ich sage ihm, dass wir das später besprechen können. Nachdem ich mehrmals um die Besichtigung gebeten hatte und wissen wollte, wo sich der Wagen eigentlich befindet - hier auf der 10. Etage werde ich den Wagen ja nicht probefahren können - verschwindet der Bursche und kommt erst 10 Minuten später wieder zurück und sagt, dass er mit seinem Chef klären müsse, wann und wo der VW-Bus besichtigt werden kann. H-A-u-Z.... denke ich bei mir, was geht hier eigentlich ab??? Mein Interesse ist inzwischen bei Null angekommen und ich verabschiede mich höflich und suche das Weite. Ein weiterer Besichtigungstermin verlief nach fast exakt demselben Drehbuch mit drei kleinen, aber feinen Unterschieden: Erstens, das Gespräch fand im 7. Stockwerk statt. Zweitens, ich saß einer kaffeebraunen und vollbusigen Schönheit gegenüber. Und drittens wurde ich von den Leuten, die ebenfalls bei meiner Couchsurfing-Gastgeberin wohnen mit "Gott sei Dank, dass du wieder da bist!" begrüßt. Auf meine Frage, was das für eine sonderbare Begrüßung sei, erfahre ich, dass der Stadtteil Lauro de Freitas für die vielen Entführungen berüchtigt ist. Manchmal ist es gut, wenn man nicht alles weiß. Ich geb‘s auf - vorläufig.

Dann sehe ich zu, die Welt in Brasilien weiter zu entdecken und buche meinen Bus nach Lencois, um zu sehen, was dran ist, an der Chapada Diamatina. Denn der Name klingt ja interessant.


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