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Freitag, 26. April 2024

Brasilien - Erstes Kapitel


Einreise und die ersten Tage in Brasilien

Caravelas

30. März 2024. Die 35-tägige Fahrt mit Ernie auf seiner grundsoliden 9-Meter-Yacht 'Patience' brachte mich von Südafrika nach Südamerika. Die Geschichten darüber sind hier nachzulesen. Ich komme mir fast wie ein Eroberer vor, als ich meinen Fuß an Land setze. Das Erste, was ich von den Bewohnern dieses mir unbekannten Kontinents wahrnehme, ist ein Kirchturm, der aus dem Grün des Urwaldes am Ufer herausragt.
Als wir uns dem Ufer weiter annähern, werden wir ohrenbetäubenden rhythmischen Lärm gewahr, der bei näherer Betrachtung aus einem PKW-Anhänger mit überdimensionalen Lautsprechern stammt und die ganze Umgebung beschallt. Hier vor Anker gehen, würde uns die Nacht rauben. Mit Sicherheit! Dabei ist es erst früher Nachmittag. Doch noch während wir festmachen verstummt die Disco, und der Anhänger verschwindet mitsamt dem Auto davor.


Es ist das Dorf Caravelas. An Land zeigt sich Caravelas von seiner schönsten Seite mit hübschen Häusern, einer Uferpromenade und einer Ausstellung von herausgeputzten Autos der 70er und 80er Jahre. Hier ist das erste Bier seit Afrika fällig. 
Dieser Stopp war eigentlich nicht geplant, sondern wegen einer Schlechtwetterzone in südlicher Richtung erforderlich geworden, deren Auflösung wir hier abwarten wollen. Nach zwei Tagen ist es dann auch soweit und wir verlassen dieses freundliche Fleckchen Erde. 

Drei Tage geht es jetzt Richtung Süden durch wildes Wasser, wo Wind und Strömung gegeneinander antreten und die Wellen in sehr kurzen Abständen zueinander auf zwei bis drei Meter steigen und das Boot regelrecht tanzen lassen. So wild hatten wir es bisher nicht ein einziges Mal. Wir werden gründlich durchgeschüttelt. Jede größere Welle hebt den Bug steil hoch, läuft unterm Boot zum Heck durch und lässt - paaafff - den Bug, der jetzt frei in der Luft steht, mit dem ganzen Gewicht wieder auf's Wasser klatschen. Mein Skipper bekommt in seinen Ruhezeiten kein Auge zu. Ich dagegen schlafe wie ein Murmeltier (wer hat sich eigentlich diesen Tiernamen auf deutsch ausgedacht...?). 

Vitória

Am Dienstag, den 2. April kommt Vitória in Sicht. 
Wir hatten beschlossen, hier offiziell in Brasilien einzureisen, die Formalitäten zu erledigen, um dann später wie geplant bis nach Angras dos Reis weiter zu segeln. In der Marina machen wir noch am selben Tag fest.


Behördengänge

Drei Behörden müssen für die Formalitäten abgeklappert werden: die Grenzpolizei für den Einreisestempel im Reisepass, die Bundespolizei für die Zolldeklaration des Bootes und die Hafenbehörde für die Registrierung des Bootes. Da ich als Crewmitglied ins Land gekommen bin, muss ich natürlich zu allen Stellen mit meinem Skipper mitgehen.

Die Leute von der Marina geben uns am nächsten Tag die drei Adressen mit auf den Weg. Was dann passiert, finde ich echt bemerkenswert. Die Grenzpolizei finden wir am Flughafen und werden freundlich abgefertigt. Nach 20 Minuten sind wir bereits wieder draußen. 

Die Adresse der Bundespolizei im Hafengebiet ist zunächst irreführend, denn dort, wo uns der Uber-Fahrer absetzt, blockiert eine Baustelle jeden Zugang zu den dahinter stehenden Gebäuden. Ein in der Nähe befindliches Büro kann uns auch nicht weiterhelfen. So marschieren wir zum Portal der Hafeneinfahrt, in der Hoffnung, dort Beamten anzutreffen, die uns weiterhelfen würden. Doch es ist 'nur' Sicherheitspersonal dort. Wir versuchen ihnen unser Anliegen klar zu machen. Aber sie verstehen kein Englisch, nur Portugiesisch. Selbst mit dem Google-Übersetzer ist es schwierig. Nach über einer Stunde des Wartens, rauscht plötzlich wie aus dem Nichts ein Polizeifahrzeug heran. Zwei bewaffnete Burschen springen heraus und fragen uns mit ernster Miene, was los wäre. Nun klappte es mit der Verständigung besser, wenn auch mit holprigem Englisch. Wir sind noch nicht ganz fertig mit allen Erklärungen, als ein zweites Auto hinzu kommt. Dieser Beamte - in Zivil, gibt offensichtlich ein paar Anweisungen a die beiden Ersten. Die halten und daraufhin die Türen des Dienstwagens auf. Oha!

Wie die Feuerwehr jagt der Fahrer mit uns durch die Hafenanlagen bis zu einem kleinen Kabuff. Da drin sorgt eine Klimaanlage für angenehme Temperaturen. Und jetzt kommt's: der Beamte in Zivil ist der Chef der Bundespolizei im Hafenbereich. Also die höchste Instanz für unsere Zolldeklaration. Ob wir lieber zum offiziellen Büro, wo alle Schiffe, auch die Tanker und Frachtschiffe deklarieren müssen, die Anmeldung machen wollen - ungefähr drei Kilometer von hier, oder gleich hier mit ihm zusammen das erledigen wollen, stellt er zur Auswahl. Ernie und ich schauen uns kurz an, nicht um uns abzustimmen, sondern um zu sehen, ob wir das gerade richtig gehört haben...! Bevor wir überrascht mit unseren weisen Köpfen nicken, um eine Antwort zu geben, haut er schon in die Tasten seines Computers und erklärt, dass er große Sympathie für uns habe und unsere Atlantiküberquerung bewundere. Er selbst sei auch Segler und findet Reise toll. Er hat alles vollständig für uns ausgefüllt. Digital versteht sich. Brasilien ist komplett durchdigitalisiert. Das zeigt sich später noch öfter.

Die letzte Station ist die Hafenbehörde. Hier wird uns abermals in der Art geholfen, wie zuvor. Der Mitarbeiter füllt für uns alle Formulare aus. 

Was für ein positiver Auftakt, um ein Land zu besuchen. 

Erste Eindrücke

Noch immer auf der ‘Patience’ wohnend, wache ich am nächsten Morgen um 5 Uhr auf. In Deutschland ist es bereits 10 Uhr,  so dass der Tag mich mit einigen WhatsApp Nachrichten begrüßt. Kurz vor 6 Uhr bemerke ich reges Leben am Strand. Dort sind einige Volleyballfelder und an jedem Feld ist eine Mannschaft am Spielen. Auch im Verlauf des Tages bleiben die Plätze kaum ungenutzt. Auffällig ist auch, dass viele Leute auf Fahrrädern und Elekro-Rollern unterwegs sind. Und Hunderte von Motorrollern auf den Straßen, Jungs wie Mädels. Manche fahren sogar barfuss. Wooow.... was für eine Lebensenergie, was für ein Vibe. Die Strände sind sauber, ebrnso die Stadt. Müllbehälter überall. Ich fühle mich hier total wohl. 

Angekommen

Zwei Nächte verbringe ich noch an Bord der Patience. In diesen den Tagen mache ich etwas Ungewöhnliches: ich mache Pläne! Brasilien ist so riesengroß, dass ich mir den Kopf machen muss, wohin ich will und welche Routen dafür infrage kommen. Da es ein Stück weiter nach Norden gehen soll, ist Vitória ein besserer Ausgangspunkt als Angra dos Reis. Am 5. April verlasse ich Boot und Skipper. Ich habe mich entschieden, hier a Land zu gehen. Der Abschied von Ernie nach gut 40 Tagen ist kurz und herzlich.

Ich suche ein Hostel für eine Woche, denn ich will meinen Blog auf Stand und meine Steuererklärung auf den Weg bringen, bevor ich wieder auf Achse gehe. Über Booking.com schreibe ich mich hier ein.

Toca Da Mona Hostel

Frei übersetzt bedeutet der Name 'Mona's Räuberhöhle'. Wer oder was 'Mona' auch immer sein mag, eine Räuberhöhle wirkt auf mich sehr einladend. 

Eine Räuberhöhle hatte ich allerdings anders erwartet. Was ich hier vorfinde, ist ein Kunstwerk. Tolle Motive exotischer Vögel zieren den Eingangsbereich und viele Details sind liebevoll gestaltet und arrangiert. Weitere Motive sind a die Wände des Ganges und der Zimmer gemalt. Ich find's klasse! Das ist alles andere als langweilig. Also eher eine Kunsträuberhöhle.


Obwohl ich auf der Atlantiküberquerung meine Texte über Südafrika, Lesotho und die Bootsfahrt schon vorbereitet hatte, hat es mich am Ende doch noch einmal 6 Tage gekostet, die Artikel im Internet bei Blogger.com fertigzustellen und die Fotos hochzuladen. Vielleicht sollte ich den Anbieter wechseln... Endlich habe ich die Drei Artikel online. Yeah!!!

Pläne???

Als nächstes drängt es mich, mir Klarheit darüber zu verschaffen, wie meine Reise durch Brasilien aussehen soll. Was will ich sehen, wo will ich hin? Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, was Brasilien außer dem Amazonas und den Urwald drumherum zu bieten hat. Zum Glück treffe ich ein paar Ureinwohner im Hostel und löchere sie mit Fragen über Besonderheiten in ihrem Land. So bekomme ich Tipps von Paul, von Daniel (spricht man so aus: Danieau), und von Guilherme (kurz: Gi). Am Ende stehen folgende Ziele auf der Liste:
  • Porto Seguro 
  • Itacaré 
  • Salvador 
  • Chapada Diamantina 
  • Parque Estadual do Jalapão
  • Brasília 
  • Ouro Prêto 
  • Rio de Janeiro 
  • Ilha Grande 
  • Paraty
  • Blumenau 
  • Serra da Rocinha Serpentinen
  • Iguaçu Wasserfälle 

Da mein Touristenvisum 90 Tage Gültigkeit hat, bleiben mir jetzt noch gute zwei Monate, bis ich das Land wieder verlassen muss. Oder ich verlängere meine Aufenthaltsgenehmigung um weitere 90 Tage, wenn das nicht reicht. Das wäre eine Option.

Die große Versuchung

Jetzt noch die richtigen Unterlagen für die Steuererklärung aus den Millionen von Emails herausfischen und keine übersehen, bündeln und einreichen, und... ähm, ich hab da noch so eine Idee. Bisher habe ich mich auf meinen Füßen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegt. Wie wäre es, win kleines Autochen zu kaufen? Das hätte den Vorteil, versteckte Orte besuchen zu können. In Afrika hatte ich mir diese Möglichkeit nicht geleistet. Zu teuer, weil es einen 4x4 erfordert hatte. Und der kostet! Aber hier..., warum eigentlich nicht? Schnell ist klar, was für ein Ding es sein sollte, denn davon gibt es hierzulande massenhaft:

Bei der Recherche fallen mir natürlich große Preisunterschiede auf - wie auch der entsprechende Gesundheitszustand der Fahrzeuge. Mal schauen, nur nix überstürzen! Falls ich bei der Suche Glück und Erfolg bei der Preisverhandlung haben sollte, müsste ich den Wagen natürlich anmelden. Das können in Brasilien nur Personen machen, die eine CPF Nummer haben. Auch als Ausländer ist es möglich, diese Nummer zu beantragen. Und schon habe ich einen weiteren Punkt auf meiner To-Do-Liste. Doch das wird ein paar Tage dauern. Also verlängert sich meine Räuberhöhle entsprechend.

Aufräumen

Mit meinem Email-Postfach liege ich schon seit längerem überkreuz. Es quillt regelrecht über von ungelesenes Emails. Die meisten davon sind irgendwelche Newsletter und Werbungen. Ob da noch was Wichtiges oder Nützliches dazwischen ist, weiß ich nicht. Das macht einfach kein gutes Gefühl. Also, mit dem Warten auf meine CPF hab jetzt ich Zeit genug - jetzt wird aufgeräumt! Ein ganzer Tag geht dafür drauf... und ich bin noch immer nicht fertig. Am nächsten Tag geht's weiter. Und endlich verbleiben nur noch ein paar Emails übrig, die nicht gelöscht werden dürfen. Hurraaaa!!! Das fühlt sich gut an.

Drei Kilometer Schwimmen 

Mona ist die Betreiberin des Hostels. Sie ist eine bildhübsche Brasileira. Wir verstehen uns sehr gut. Da ich seit Oktober 2021 so manches Hostel von innen gesehen habe, konnte ich Vorschläge machen, wie sie es mit wenig Aufwand noch attraktiver für ihre Gäste machen kann. Mit Freude hat sie meine Vorschläge aufgenommen und - wo möglich sofort umgesetzt. Zum Beispiel diese wunderschöne Tafel, die unter dem Küchentisch verstaubte und jetzt im Türrahmen hängt.
Sie ist auch eine von diesen Leuten, die morgens um sechs am Strand oder im Gym ihre Workouts machen. Am Sonntag, den 14. April habe ich sie zum 3-Kilometer-Wettschwimmen begleitet. Über einhundert Aktive sind dazu angemeldet. 
6.00 Uhr morgens am Strand


Geschafft! 

Binnen der knapp drei Wochen schaffe ich Wichtiges und Einiges, was teilweise schon lange auf meiner To-Do-Liste steht:
  • Einreiseformalitäten 
  • Blog-Artikel fertiggestellt und hochgeladen 
  • Reiseplan für Brasilien zusammengestellt 
  • Email-Postfach aufgeräumt 
  • Neues Wertpapier-Depot eröffnet mit Umzug vom alten Depot 
  • Steuererklärung vorbereitet und abgegeben 
  • Autos recherchieren
  • CPF Nummer beantragt 
Aber ich gehe hier nicht weg, ohne nach Stadt, Strand, Fluss zu schielen. In der Shopping Mall werde ich unversehens zu einem Studienobjekt. Eine Gruppe Studenten forscht an Reisegewohnheiten und kommt bei mir natürlich voll die richtige Adresse mit ihrem Fragebogen. Meine Antworten werden per Video aufgezeichnet. 
Die Wissenschaftler
Beides leider nicht meins
Das Kloster Convento da Penha, erbaut 1568 
Musiker in Vitória

Bye-bye Vitória. 

Am 21. April spät Abends geht mein Bus von Vitória nach Porto Seguro, meiner zweiten Station auf meiner Brasilien-Rundreise. Mona lässt es sich nicht nehmen, mich mit ihrem kleinen roten Fiat 500 zum Busbahnhof zu bringen.




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