Moin! Geburtstag mit Pablo kurz nach der Morgendusche |
Wie bitte, ist heute schon der 25. Oktober? Mein Geburtstag!
An diesem Tag passieren wieder Dinge im Leben, die ich so weder vorausahnen, geschweige denn planen konnte. Es erstaunt mich immer wieder aufs Neue, was mir alles so zufällt – unglaublich schöne Dinge! Hier und heute ist es meine Unterkunft. Was ist daran so besonders?
Ich bin der Martin, ne!
Der Martin, den ich erstmals in Nouakchott, Mauretanien, traf und ihn dann Monate später in einem Hostel in Lusaka, Sambia, ein weiteres Mal wieder sah. Wir unterhielten uns, wie das unter Reisenden in Hostels eben so üblich ist. Man tauscht Erfahrungen aus, gibt einander Hinweise und Tipps, und so weiter. Auf diese Weise hatten wir uns verabredet, wenn ich es jemals bis Uruguay schaffen würde, dass wir ein Bier zusammen trinken wollen. In Montevideo geht unsere Geschichte weiter. Bis dahin möchte ich aber noch etwas mehr von Uruguay sehen...
Also fangen wir beim Grenzübertritt an. Das passiert am 15. Oktober 2024. Hätte mich jemand vor dem Treffen mit Martin gefragt, wo Uruguay liegt, hätte ich mit Achselzucken geantwortet. Aber die Bekanntschaft machte mich natürlich neugierig, wo wohl das Bier zu trinken sei. Seither weiß ich, wo Uruguay liegt und dass das Land an Brasilien und Argentinien grenzt.
Mein fliegender Finger landet ein paar Mal auf der Landkarte und damit steht die Route durch's Land einigermaßen fest.
Da ich aus Paraguay komme, muss ich ein paar Kilometer durch Argentinien fahren, um nach Salto zu kommen, die Grenzstadt in Uruguay, auf der Karte mit (A) gekennzeichnet. Die Busfahrt geht weiter über Tacuarembó (B) nach 33 (C).
Treinta Y Tres
Wenn ich gerade 33 als Ort angegeben habe, dann ist das kein Tipp oder sonstiger Fehler, sondern tatsächlich der Name einer Stadt, denn "Treinta y Tres" ist spanisch und bedeutet "Dreiunddreißig". In der Stadt selbst wird alles was geht mit den zwei Ziffern 33 abgekürzt.
Dieser Name geht auf einen Aufstand gegen Brasilien zur Unabhängigkeit des Landes zurück, den 33 Unabhängigkeitskämpfer für sich entschieden haben und an die man sich mit diesem Städtenamen erinnert.
Mit durchfragen bei Locals bekomme ich als Unterkunft ein ganzes Haus, wenn auch nur ein kleines Haus, von Privatleuten zum unschlagbaren Preis von 800,- Uruguay Pesos (17,- €).
Stillgelegter Bahnhof in Treinta y Tres |
Punta Diablo
Von Landsleuten, die ich um Reisetipps gefragt hatte, bekam ich - nachdem ich Punta del Este ausgesondert hatte, weil es der touristische Hotspot in Uruguay ist, Punta Diablo und Cabo Polonio vorgeschlagen.
In Punta Diablo finde ich das günstigste Hostel über Booking.com, das zehn Minuten Fußweg zum Ufer des unbebauten Strandes auf der einen Seite und zum Ortskern mit den Fischerbooten und seinen lebendigen Strandbars auf der anderen Seite liegt. Es ist ein Ferienort, der durch einfache kleine Häuser ein sehr angenehmes Flair gibt.
Der 'andere' Strand – kommerzbefreit |
Cabo Polonio
Und anschließend folge ich dem Tipp, nach Cabo Polonio zu fahren. Das sei dort mega cool. Es gibt dort einen Leuchtturm, den man besuchen könne und Seelöwen, die man beobachten kann. Na, das klingt doch mal ganz interessant!
Der Bus lädt mich mit eineiigen anderen Mitreisenden an einem Gebäude, das mitten in der Walachei steht, ab. Von Wasser und Leuchtturm ist weit und breit nichts zu sehen. In diesem Gebäude kann, bzw. muss ich ein weiteres Ticket für die Fahrt von hier nach Cabo Polonio. Na sowas! Davon hat man mir aber nichts erzählt. Habe ich eine andere Wahl? Ein kurzer Check bei Google Maps zeigt mir, dass es mis zu dem Ort noch 6 km sind. Laufen wäre eine Option, die ich in vielleicht einer oder eineinhalb Stunden erledigt hätte. Da meldet sich das Faultier in mir. "Habe ich da gerade "LAUFEN" gehört?" und "Mit dem 20-Kilogramm-Rucksack??? Hast du sie noch alle...?" höre ich mein inneres Faultier motzen.
Also kaufe ich das Ticket und schaue mir den "Bus" an, der mir für den Transport gezeigt wird. Ich werd' verrückt. Da steht ein IFA aus DDR-Beständen als Etagenbus, das heißt, auf die Ladefläche sind durchgesessene Sitzbänke geschweißt und aus Metallrohren wurde ein Obergeschoss mit zwei Sitzbänken über der Fahrerkabine zusammengeschweißt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich der Konstruktion trauen soll. Aber eine halbe Stunde später heult lautstark der Motor auf und die paar umstehenden Leute klettern von hinten auf die Ladefläche. Zwei ganz Verwegene machen es sich über der Fahrerkabine gemütlich.
Die wilde Fahrt – wer sich nicht festhält, fliegt! |
Dann geht's los und wir werden wie die Eiswürfel im Mixbecher durchgeschüttelt. Die Fahrt geht durch einen sechs Kilometer breiten Streifen von mit Kiefern und dichtem Strandhafer bewachsenen Sanddünen. Da gibt es keine befestigte Straße, nur Reifenspuren im Sand. Die Schüttelei dauert bis an den breiten Strand und dauert bis in den Ort sage und schreibe 35 Minuten. Bei der Ankunft muss ich erstmal überprüfen, ob noch alle Gliedmaßen dran sind.
Meine Unterkunft 'Lobo Hostel Bar' |
Cabo Polonio ist etwas für Abenteurer. Er liegt vollständig für sich und ist mit einem normalen PKW nicht zu erreichen. Nur einige wenige Bewohner besitzen hier ein Fahrzeug (nur 4x4) mit Sondergenehmigung. Elektrischen Strom gibt es nur tagsüber, wenn man Solarpanels auf dem Dach hat, sonst überhaupt nicht. Der Ort ist ganzjährig von knapp 50 Menschen bewohnt. Die Häuser sind eher windschiefe Hütten, als wirkliche Häuser. Und fast jeder, der hier wohnt, vermietet, um am Touristenstrom teilzuhaben, der zwischen Dezember und März über Cabo Polonio hereinbricht.
Nachdem ich mir den Leuchtturm, die Seelöwen (auf den Fotos leider zu klein) und das Dorf angesehen habe, beschließe ich nach nur einer Nacht, nach Montevideo weiterzureisen.
Montevideo
22. Oktober 2024. Nun bin ich in Montevideo, der Hauptstadt von Uruguay und ziehe auch hier in das billigste Hostel ein, das ich bei Booking.com finden kann. Es liegt im Altstadtviertel unweit des Hafens. Von hier sind es 15v Minuten zu Fuß, um zum Rathausplatz zu kommen. Aber es hat zu regnen angefangen, so dass ich Schutz in einer unglaublich schönen Bücherei finde.
Innenarchitektur einer Bücherei in Montevideo |
Für meinen Geburtstag habe ich Martin und Pablo für den Abend in eine Brauerei in der Stadt eingeladen. Als Pablo die morgens erfährt, bereitet er sogleich ein spezielles Geburtstagsfrühstück für mich und verbietet mir, irgend etwas zu tun.
Martin, Travelhorst, Pablo, unbekannt (v.l.) |
Santa Lucia
Martin hat seine Arbeit in Montevideo, aber sein Zuhause in Santa Lucia. 'Zuhause' bedeutet für ihn, seine Familie, d.h. Mutter, Schwester und Bruder. Es bedeutet für ihn ebenso sein unverbautes Land, seine Schafe und seine Werkstatt. Hier kann er sein, wie er möchte und niemand redet ihm rein.
Im Gebüsch erkenne ich den Offroader wieder, mit dem mir Martin in Nuaskchott und in Lusaka begegnet war. Er Wagen benötigt jetzt einige Reparaturen, um wieder wüstentauglich zu werden.
Auf einem Tisch bereitet Martins Bruder Fleisch zum Grillen "Asado" vor. Die Grilltechnik hier ist recht ausgefeilt: man feuert ordentlich Holz in einem Feuerkorb, der nach unten hin so grobmaschig ist, dass Stücke glühenden Holzes herausfallen, während größere noch nicht durchgebrannte Holzscheite im Korg verbleiben, bis sie zerfallen und ebenfalls als glühende Kohle heraus fallen. So wird stets von oben neues Holz nachgelegt. Die herausgefallene glühende Kohle wird dann mit einer Stange oder einer kleinen Schaufel unter den mit Fleisch belegten Grill geschoben. Das ist ein pfiffiges System, wie ich finde.
Der Wüstenfuchs und Asado, das Grillen |
Martin und seine Familie, die alle in ihren eigenen Häusern auf Nachbarschaft wohnen, nehmen mich an, wie ein Familienmitglied. Tagsüber helfe ich beim Aufräumen und der Neuverdrahtung der elektrischen Weidezäune. Sein Hof misst mehrere Hektar. Für die zwei Tage ist es ein bisschen wie Workaway.
Nueva Helvetica
Auf Empfehlung von Martin nehme ich den nächsten Bus nach Nueva Helvetica, einem etwas groß geratenen Dorf, das in den 1860er Jahren von Schweizer Auswanderern gegründet wurde. Es wird auf spanisch auch 'Colonia Suiza', also Schweizer Kolonie genannt.
Was hier sofort ins Auge fällt sind das Einfahrtportal im Schweizer Stil, das Schokoladen-Spezialgeschäft "Tante Eva", der Maibaum und einige Kioske, die mit den Wappen der Schweizer Kantone geschmückt sind.
Colonia del Sacramento
Noch am selben Tag geht es weiter zu meiner letzten Station in Uruguay: Colonia del Sacramento, das überall mur 'Colonia' genannt wird. Hier gibt es Überreste einer alten Festung, welche die Siedler von Eroberern schützte, die den Rio de la Plata herauf kamen.
Diese Stadt wird von Touristen stark frequentiert, sodass die in Uruguay höher liegen als sonst im Land. Nachdem ich die Altstadt gesehen habe, zieht es mich nach Buenos Aires, dessen Hochhaustürme von Colonia aus über den Rio de la Plata hinweg erkennbar sind.
In viereinhalb Stunden bringt mich der Colonia-Express Katamaran ans andere Ufer.