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Montag, 6. November 2023

Sambia ist online…!




Vorspann für Sambia

Es war einmal vor vielen Jahren, bevor ich Landstreicher und Pirat wurde, damals als ich noch ein Zuhause in der norddeutschen Tiefebene vor den Toren Hamburgs hatte und selber noch Gottesdienste in meiner Heimatgemeinde Doosthof hielt, da hatte ich an einem Pfingstgottesdienst der Neuapostolischen Kirche teilgenommen, der aus Lusaka, Sambia, per Satellit afrikaweit und europaweit übertragen wurde. Es war ein Open-Air Gottesdienst des Stammapostels Jean-Luc Schneider, der am Übertragungsort in einer Sportarena stattfand. Davon gibt Ausschnitte bei NAC.today und Youtube. Ich erinnere mich noch gut, mit welcher Energie und Begeisterung dort im Gottesdienst musiziert wurde. Die Begeisterung der Glaubensgeschwister dort hatte mich angesteckt und mitgerissen und dermaßen in den Bann gezogen, dass ich mir geschworen habe, dass wenn ich jemals Afrika heimsuchen sollte, dann würde ich auf jeden Fall das Gemeindeleben in Sambia, vorzugsweise in Lusaka, kennen lernen wollen. Und nun wird der Traum wahr! Ich bin in Sambia - yeah! Ich kann es selbst kaum fassen.

Der TAZARA überquert die Grenze von Tansania nach Sambia in der Doppelstadt, die in Tansania Tunduma und Nakonde in Sambia heißt, mitten in der Nacht. Ab der Grenze akzeptiert dieselbe Besatzung des Zuges nur noch den sambischen Kwacha zur Bezahlung und keine tansanischen Shillings mehr. 
Das stürzt mich in eine schwere Finanzkrise, da ich mich in Mbeya noch mit einigen Tausend Shillings eingedeckt hatte und die hier plötzlich völlig nutzlos sind. Wer hätte das gedacht? Urplötzlich bin ich ein Bettler geworden, als ich mein Mittagessen bezahlen will. Mitreisende haben mir aus der Patsche geholfen, mit der Abmachung, dass ich die Rechnung begleiche, sobald ein Geldautomat unsere Wege kreuzt. So geht die Reise in Sambia noch einen ganzen Tag lang weiter durch afrikanische Wildnis wie zuvor schon in Tansania, mit dem Unterschied, dass hier das Unterholz überall abgefackelt ist. Da diese ‘Brandrodung’ überhaupt kein Ende findet, schließe ich ein ‘normales Buschfeuer - was auch immer ‘normal’ sein mag - aus. Ist nicht hübsch, wenn der Boden weitgehend schwarz ist und nur höhere Bäume und Büsche den Feuerfraß überlebt haben.Oben alles grün, in der Mitte ist es braun und unten schwarz. Nicht so richtig hübsch! Trotzdem klebe ich am Fenster und lasse mir nichts entgehen. Die Fahrt geht auch ganz knapp an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo vorbei. Ich hab’s auf Google-Maps nachgemessen: 4,8 km sind es zwischen der Grenze und der Bahnlinie.
Die Zugbegleiter veranschlagen unsere Ankunft in New Kapiri-Mposhi, der Endstation des TAZARA für den späten Nachmittag. Tatsächlich erreichen wir die Endstation gegen 01:45 Uhr nachts sambischer Zeit, die eine Stunde Verschiebung gegenüber Tansania hat. Da heißt es jetzt bis zum Morgendämmerung warten, weil die Busse nach Lusaka aus irgendeinem Grund erst ab sechs Uhr fahren dürfen. Trotz mehrmaliger Nachfragen habe ich nicht verstanden, warum. Na, sei’s drum, ein Traveller kann warten.

New Kapiri-Mposhi


16.09.2023, 03:00 Uhr. Ankunft mit dem TAZARA Train in New Kapiri-Mposhi mitten in der Nacht. Gerne hätte ich die Zeit bis zum Erwachen des Tages im Schlafwagen verbracht, doch die Leute der Eisenbahngesellschaft wollen sich mit meiner Idee nicht anfreunden. Also sitze ich, wie alle anderen Fahrgäste, bis zum Anbruch des Tages in der Wartehalle des Bahnhofs. Ein paar Busfahrer stehen da und buhlen sich gegenseitig die Passagiere ab. Auch wenn deren Aufdringlichkeit etwas nervt, geben sie mir damit die beste Gelegenheit, von einem zum anderen zu gehen und den Fahrpreis auf ein akzeptables Maß herunter zu handeln. Für 150 Kwatcha (5,90€) geht die fünfstündige Fahrt ohne besondere Zwischenfälle - ein Plattfuß zählt nicht mehr als ’besonders’, von New Kapiri-Mposhi nach Lusaka.

Lusaka

Wenngleich sie für mich einen hohen Stellenwert hat, interessiert mich jetzt aber nicht nur die Neuapostolische Kirche und wie hier unser Glaube gelebt und praktiziert wird. Auf etwas anderes bin ich mindestens genauso gespannt, nämlich Constance. Vor meiner Reise war über ein Dating-Portal der Kontakt zu Constance entstanden und sie über die Zeit nach und nach etwas kennengelernt. Sambia-Deutschland, naja. Mit dem persönlichen Kennenlernen würde es wohl eher schwierig werden. Doch seit ich Afrika bereise und dadurch Sambia in greifbare Nähe gerückt ist, freue mich wie ein Schneekönig auf ein persönliches Treffen. Was zuerst nach einer Online-Spielerei aussah, nimmt von Land zu Land mit dem ich mich Sambia nähere, zunehmend konkrete Gestalt an. 

Unterkunft in Lusaka

Von Constance kam auch der Tipp für eine günstige Unterkunft in Lusaka: Natwange Backpackers Hostel (eigene Website; en) Ich schaue bei Booking.com nach, um zu vergleichen. Es ist das preiswerteste Hostel der Stadt, 255 Kwacha (11$/10€) pro Nacht. Bingo, da geh ich rein! Es ist ein Traum von einem Hostel. 
Ein schöner schattiger Garten mit einem erfrischenden Pool, die Rezeption, die gleichzeitig als Bar dient, chillige Kuschelecken, Schaukelstuhl, Frühstückstische unter orange blühenden Bäumen. Ich bin so begeistert, dass ich gleich vier Tage buche, die ich später noch auf eine ganze Woche verlängere. Es gefällt mir so gut hier und finde die Ruhe und Muße über Kenia  zu bloggen, wo ich gerade mächtig im Verzug bin. Dieser Ort ist perfekt, um das nachzuholen. Zusätzlich lerne ich jeden Tag neue Leute aus allen möglichen Ländern kennen, dass es mir nicht langweilig wird, wenn ich gerade mal keinen Bock zum Schreiben habe. Für die, die es interessiert, ein Blog-Artikel braucht bei mir je nach Länge, mindestens zwei volle Tage und manchmal auch deutlich mehr.
Spaziergänger mitten in Lusaka

Lusaka als Stadt entdecken

Mit sicherer afrikanischer Beständigkeit nehme ich auch hier wieder Notiz von den Toyota-Minibussen, die eben auch in Lusaka das öffentliche Transportnetz bedienen. Weißhäutige Fahrgäste sind wie überall Mangelware in diesen Bussen, doch ich lerne diese Transportvariante sehr schätzen. Ist sie einerseits sehr kostengünstig und gibt mir andererseits die Chance, immer wieder festzustellen, wie kontaktfreudig, hilfsbereit und freundlich meine schwarzhäutigen Mitmenschen sind, gleich welcher Nation. 


Mit kleinen Exkursionen mache ich mich ein wenig mit der Stadt Lusaka vertraut. Bemerkenswert ist das Schild der deutschen Organisation GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), deren Präsenz mir zuvor in Marokko, Äthiopien, Kenia und Tansania aufgefallen war. Was machen die hier, frage ich mich und etwas später dann auch auf der Website www.giz.de (de/en). Dort erfahre ich, dass die GIZ sich als Dienstleister und Bundesunternehmen sein über 50 Jahren für nachhaltige Entwicklung und internationale Bildungsarbeit engagiert für eine lebenswerte Zukunft weltweit. Boah, was für Worte. Ich sehe auf der Internetseite, dass die GIZ in vierzig der fünfundfünfzig Länder Afrikas tätig ist. Hier in Sambia verfolgt sie drei Hauptprojekte: (1) Wasser und erneuerbare Energien, (2) gute Regierungsführung - wäre in Deutschland vielleicht auch eine gute Idee 😜, und (3) Landwirtschaft und Ernährungssicherung. Letzteres scheint nicht besonders erfolgreich zu laufen, wenn ich sehe, wie häufig ich auf der Straße von Menschen um eine Spende für Nahrung gebeten werde. Also - falls dies jemand von der GIZ lesen sollte - haut rein und macht was aus meinem Steuergeld.


Auch die UN läuft mir hier - wie in Äthiopien - sehr präsent über den Weg.


Sehenswert finde ich das Nationalmuseum und ‘The Village’. Am Nationalmuseum flitzen eine große Schar Schulkinder flitzen, als ich dort bin. Als sie mich sehen, wollen sie ein Foto mit mir machen - und ihre Lehrerinnen wollen eins extra 😅.


Anschließend geht es ins 'Village'. Hier leben Handwerker, die ihre Waren - alles Kunstgegenstände, direkt in oder vor ihren Hütten verkaufen. Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, wenn ich ihnen bei der Arbeit zusehe. Leider kann ich nur schauen, aber nichts kaufen. Wo sollten die Dinge in meinem Rucksack Platz haben…?
The Village - mitten in Lusaka

Völlig überrascht bin ich, als ich an einem Gestüt mit etlichen attraktiven PS vorbeikomme. Was es nicht alles gibt. 

Neuapostolische Kirche 

Dann wird es wieder Sonntag. Und an diesem Sonntag, dem 24.09.2023, bin ich in Lusaka. Ich freue mich auf meinen ersten Gottesdienst in dieser Stadt. Wo sollte ich denn am Besten den Gottesdienst besuchen, frage ich mich und schlage bei Google-Maps nach. Hoppla, mit einer solch bescheidenen Auswahl hätte ich nicht gerechnet.
Gestern, am Samstag, habe ich daher einen Rundgang gemacht, um den kürzesten Weg zur Hauptkirche zu finden. Der ist gar nicht sooo weit vom Hostel und ich weiß jetzt, wo und wie lange ich gehen muss. Mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen mache ich mich auf zur Kirche. Auf halbem Weg muss ich ein geschlossenes Tor passieren. Das war gestern aber nicht geschlossen. Was nun? Doch ein Security-Mann kommt schon und öffnet mir das Tor. Er grüßt freundlich und wir kommen kurz ins Gespräch, als er fragt, wohin ich so früh am Sonntagmorgen wollte. "Zur Neuapostolischen Kirche", sage ich. "Bist du Neuapostolisch?", will er jetzt wissen. "Na klar! Sonst würde ich dort wahrscheinlich nicht zur Kirche gehen", ist meine Antwort. "Ich bin Priester in der Zentral-Gemeinde. Aber heute muss ich arbeiten und kann nicht zur Kirche gehen", bekomme ich zu hören. Nach einer kleinen Weile verabschieden wir uns dann und ich marschiere weiter zur Zentralkirche. Als ich die Kirche betrete, stelle ich fest, dass der Gottesdienst längst begonnen hatte und dass ich zu spät dran bin. Ich hatte die gleiche Gottesdienstzeiten angenommen, wie in Kenia und Tansania, nämlich 10:00 Uhr. Aber die Gottesdienste in Sambia fangen tatsächlich schon um 9:00 Uhr an. Ich schaue mich um, dieses Gotteshaus ist gigantisch. Ich erfahre später, dass es eine Kapazität von 3.200 Sitzplätzen hat - wie der große Saal im CCH in Hamburg. So viele Gläubige sind hier jetzt jedoch nicht versammelt. Es sind vielleicht dreihundert oder vierhundert oder so. Schwer zu schätzen. Obwohl es sommerliche Temperaturen hat, habe ich mir in diesen Tagen irgendwie eine Erkältung eingefangen. Darum fühle ich mich nicht so recht fit und verzichte auf Gespräche und Kontakte, und gehe zum Hostel zurück. 
Rundumblick in der Zentralkirche Lusaka ca. eine Stunde vor Gottesdienstbeginn

An einem anderen Sonntag, dem 15.10.2023 - jetzt fühle ich mich wieder fit wie ein Turnschuh, nehme ich wieder diese schöne große Kirche zum Ziel. Heute werde ich gleich an der Tür von einem Diakon ‘abgefangen’, weil ich mit meinem Kopftuch wohl ein bisschen wie ein Pirat aussehe. Er fragt nach meinem Woher und Wohin und scheint über meine Reise, von der ich ihm erzähle ganz begeistert zu sein. Ich bekomme einen schönen Platz im Mittelblock ziemlich weit vorn zugewiesen. Ich fühle mich ganz und gar als Teil dieser Gemeinde. Diese Art des Verbundenseins, deren Gemeinsamkeiten über den Glauben hinaus gehen, obwohl man sich nicht kennt, das ist das was ich so sehr schätze in dieser Glaubensgemeinschaft und was mir Geborgenheit gibt. Darum bin ich dankbar, neuapostolisch zu sein. Nachdem der Gottesdienst beendet ist, werden Ansagen und Bekanntmachungen gemacht, wie es wohl überall üblich ist. Hier in Lusaka jedoch werden die Bekanntmachungen audiovisuell vorgetragen, das heißt jemand liest aus einem Büchlein alles vor, was gleichzeitig mit einem Beamer an die großen Wände projiziert wird. Erste Bekanntmachung heute ist die Anwesenheit von Horst, einem Traveller aus Deutschland - ach du meine Güte! Dann soll ich auch noch aufstehen, damit jeder hier diesen verrückten Piraten sehen kann. Beim Verlassen der Kirche werde ich von etlichen Geschwistern angesprochen und ausgefragt.

Workaway in Siavonga



Ab Montag, den 25. September 2023 habe ich eine 'Position' als Workawayer bei Tom und Joanna in Siavonga, denen ich vor ein paar Wochen als Helfer auf ihrem Resort ‘Eagle’s Rest’ (eigene Website; en) zugesagt hatte. Ich google Siavonga. Da kommen zahlreiche Hotels und Fotos vom Kariba-Staudamm hoch. Es scheint ein netter Ort zu sein. Pierre, ein netter Franzose, der für ‘Electrical Maintenance’ am Kariba-Staudamm arbeitet und ebenfalls dieses Wochenende im Natwange Backpackers Hostel verbringt, bietet mir an, mit ihm nach Siavonga zu fahren. Um meinen freiwilligen Fahrer während der Fahrt vor der Ansteckung meiner lebensgefährlichen Männergrippe zu schützen, greife ich in die Tiefen meines Rucksacks und zaubere eine Covid-Atemmaske hervor.

Bei meiner Ankunft empfängt mich Tom, ein gebürtiger Westfale (Deutschland) und führt mich über das gesamte Anwesen des Resorts 'Eagle's Rest' mit seinen zahlreichen Cottages und wir lernen einander dabei näher kennen. Das Resort hat direkten Zugang zum Kariba-Stausee und Tom rät mir dringend, selbst an den heißesten Tagen, nicht darin zu baden. “Oooh…” entfährt es mir angesichts der aktuellen Temperatur von deutlich über dreißig Grad und meine Enttäuschung ist nicht ganz zu überhören. Tom erklärt, dass es Schädlinge im See gibt. Erstens - wie in allen stehenden Gewässern Afrikas, gibt es hier den Plattwurm Schistosoma, der durch die Haut in den Körper eindringt, ohne dass man es spürt. Es ist also ein Parasit, der die Wurmkrankheit Bilharziose auslöst, die unbehandelt tödlich enden kann und es auch für viele Afrikaner im ländlichen Raum mit schlechter medizinischer Versorgung auch tut. Der zweite Schädling ist etwas größer und dringt mit seinen Zähnchenen ebenfalls durch die Haut seines Opfers ein - was für einige Sekunden sehr gut  spürbar ist. Die Attacke führt in aller Regel zum schnellen, bzw. sofortigen Versagen lebenswichtiger Organe. Das war’s dann mit der erfrischenden Abkühlung. Wir haben es hierbei mit dem Erreger Crocodylus niloticus zu tun, besser bekannt als Nilkokodil, der sich lautlos unter Wasser nähert und einem kaum eine Chance lässt zu entkommen. Nicht viel besser läuft es mit den Nilpferden. Wenn ein Hippo zubeißt, bedeutet das in der Regel eine Körperteilung in zwei Hälften. Mit anderen Worten, jede Art von Wassersport machst du besser wo anders. Uff - ich habe verstanden! Nachdem wir diese gruseligen Informationen besprochen haben, widmen wir uns nun wieder erbaulicheren Themen, nämlich der Aufgaben für mich als Workawayer. 


Eagle’s Resort Strand
Workawayers Home

Tom ist der Boss des Anwesens. Er führt mich durch das ganze Resort und schließlich zum Strand. Hier steht das größte Sofa Afrikas! Es ist noch nicht ganz fertig. Es müssen die Armlehnen im bayerischen Charakter bemalt werden: weiß-blau. Das wäre doch ein guter Job für einen Workawayer. Als ich mich ein paar Tage später ans Werk mache, bin ich zwei Tage lang bei brennenden 38 Grad  damit beschäftigt, die Armlehnen von schwarz auf weiß-blau zu konvertieren. Joana stellt mir die Arbeitskleidung, die Workawayer Mode, die mir für bessere Schweißentlüftung fünf Nummern zu groß ist, zur Verfügung.
Bloß nicht frieren!
Workawayer-Werkstatt

Tom und Joanna haben neben dem 'Eagle's Rest' noch etliche andere Projekte am Laufen: ein chilliges Café in der Ortschaft einrichten, Unterstützung des lokalen Waisenhauses, Erweiterung des Resorts zur Transformation von ortsansässigen Leuten zu ambitionierten Handwerkern, und viele weitere tolle Ideen. Ich helfe mit, das zukünftige Café herzurichten. Da müssen alte Fliesen von den Wänden gekloppt werden, ein Durchbruch zum Hinterhof herausgeschlagen und die anschließend eingebaute Tür gestrichen werden. Mit den Jungs der Familie und mit King, dem Vorarbeiter, werden wir die Deckenpaneele von einer Arbeitsbühne aus übereinander gestapelten Paletten neu einsetzen. 

Ferner zimmere ich eine Besteckschublade aus P
alettenbrettern  für die Küche - sowas gab es hier bisher noch gar nicht. Das Besteck lag zuvor offen in einer Schachtel. Ich repariere die Deckenlampe in der Küche, installiere eine Steckdosenleiste für die Küchengeräte und repariere eine ‘Katzenlampe’ - das ist eine selbstgebaute Lampe in der Form eines Katzenkopfes, bei der zwei Glühbirnen die Augen repräsentieren und die wegen einer abgetrennter Litze nicht mehr funktionierten und gleichzeitig eine Stromschlaggefahr dargestellt haben. Ich tausche weiße Glühbirnen gegen Gelbe, weil gelbes Licht die Insekten weniger wie weißes Licht anzieht. Ich baue einen Ständer für die Küchenrolle. Ich helfe mit, die Kuschelecke, die sich unter einem Baum zwischen zwei Chalets befindet, mit einem ausgedienten Surfsegel zu überdachen, damit man ungesehen noch mehr miteinander tun kann und dabei einen schönen Blick über den See hat. Ich hänge kleine Gemälde a die Wände und manches mehr. Oft ist es aber auch so warm, dass ich immer wieder eine Pause einlege und im Resort umher laufe und den Schatten der Mangobäume genieße oder einen Spaziergang zum Einkaufen im nächstgelegenen Shop mache. 


Dorfidylle von Siavonga
Markt in Siavonga

Clean-up mit Fußballmannschaft

Als sich eine lokale Fußballmannachaft im Resort einquartiert, hat Tom eine Idee. Da die Jungs stets knapp bei Kasse sind, schlägt Tom ihnen einen Deal vor: für 50K die Zufahrtsstraße bis zum Dorf von Unrat zu befreien. Und es liegt viel Müll herum, zumeist leere und platt gefahrene Getränkeflaschen aus Plastik, alte Tragetaschen aus Plastik, alte Kartons, et cetera PP. Mein Auftrag: aufpassen, dass Jungs nicht schummeln und am Ende Geld für nix kassieren würden. Die Entsorgung erfolgt als Brandopfer - eine Lösung, die mich mit meiner deutschen Mülltrennungskultur allerhand Überwindung kostet. Es gibt zwar eine öffentliche Müllbeseitigung, aber wann die kommt, steht mehr dem Zufall als einem geplanten Fahrplan zu. Zweitens macht es der öffentliche Dienst nicht anders. So entzünden 'meine' Jungs alle fünfzig Meter ein kleines Plastikfeuer. Nach drei Stunden ist die Straße clean. Leider sieht es eine Woche später wieder genauso aus wie zuvor.  Sollte man nun darausschließen, dass Afrikaner schwer erziehbar sind??? Mir scheint das Müllproblem komplexer!

Trotz der manchmal fast unerträglichen Hitze genieße ich diese Zeit und die Gespräche mit Tom und Jo, fühle mich als Teil der Familie. Und dann ist auch diese Zeit nach drei Wochen zu Ende. Einerseits würde ich gerne noch länger bleiben und noch ein paar Dinge erledigen, die ich im Sinn habe, wie Einlegebretter unter den Arbeitstischen und eine Geschirrleiste in der Küche, Facebook- und Instagram-Logos ans große Sofa malen, Tom bei seinen weiteren Ideen unterstützen, und so weiter. Andererseits spüre ich, wie etwas in mir wieder auf Reise gehen will - und dieses Etwas ist sehr stark geworden. Ich nenne es Reisefieber. 
Workaway bei Tom & Jo in Siavonga
Ab Dämmerung werde ich permanent abgestochen, trotz Gelblicht und Mückenspray. Mein Blut muss super-lecker sein! Unter den Stukas* spricht sich eine solche Leckerei natürlich schnell herum. Bei einem meiner gelegentlichen Kontakten mit meinem hervorragenden Hausarzt - Grüße gehen raus an Dr. Parpart - bekomme ich den Rat, hin und wieder einen Malariatest zu machen. Gern geschehen. Das Ergebnis ist negativ… im medizinischen Sinne. 
Malaria Testkit

*) Stuka = Sturzkampfflieger

Erntedank-Gottesdienst in Siavonga

Während meines Workaway-Aufenthaltes besuche ich sonntags die Gottesdienste in der Hauptgemeinde der Neuapostolischen Kirche in Siavonga. Dort hin zu kommen ist ein Weg von 3 km entlang der Straße. Später finde ich noch eine Abkürzung. 
Neuapostolische Kirche Siavonga, Hauptkirche


Am Samstag, den 30. September, gehe ich zum ersten Mal den Weg zur Kirche, um auszuloten, wie lange ich wirklich brauchen würde. Mit gemächlichem Schritt lege ich die Strecke in 50 Minuten zurück und sehe, dass die Kirche geöffnet ist und viele Geschwister draußen umherlaufen. Die Kirche fasst schätzungsweise eintausend Besucher. Ich komme ins Gespräch und erfahre, dass am nächsten Tag Bezirksapostelhelfer Robert M. Nsamba den Gottesdienst durchführen würde. Folglich plane ich am Sonntag großzügig eine ganze Stunde ein, um den Weg zu Fuß zurückzulegen und eine weitere Stunde, um entsprechend frühzeitig da zu sein. 

Es ist Sonntag und ich stehe um sechs Uhr auf, mache mich fertig und frühstücke. Kurz nach sieben Uhr mache ich mich auf den Weg und erreiche die Kirche um Punkt 8 Uhr, also genau eine Stunde vor Gottesdienstbeginn. Ich höre draußen schon den Chor mit Posaunenunterstützung singen. Das ist schön, ich freue mich auf mehr davon. Als ich die Kirche betrete und hineinschaue trifft mich fast der Schlag. Ich hätte mindestens eine halbe - besser eine ganze Stunde früher eintreffen müssen! Die große Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Ich schaue mich um, ob ich hinten an der Wand vielleicht einen Stehplatz ergattern könnte. Ein Bruder vom Ordnungsdienst kommt zu mir und fragt mich kurz, woher ich komme und notiert meine Angaben in ein Notizbuch. Dann bittet er mich, ihm zu folgen. Durch den Mittelgang werde ich bis ganz nach vorn in die zweite Bank geführt. Auf deren Lehne steht großen Buchstaben geschrieben ‘VISITORS’. Oh je, man gibt mir einen Ehrenplatz. Womit habe ich das nur verdient. Nun habe ich die besten Platz, den ich mir nicht hätte erträumen können, mit freiem Blick auf den Altar, das Orchester und den Chor. Hammer!
Erntedank-Gottesdienst
Bruderschaft in Siavonga
Gemeindevorsteher mit seinen Musikern

Wir schreiben den 13. Oktober. Eine heiße, lehrreiche, aufregende und spannende, und in jeder Hinsicht wundervolle Zeit in Siavonga geht heute zu Ende.

Bustour nach Livingstone

Bus von Siavonga nach Lusaka
Bus von Lusaka nach Livingstone

Von Siavonga geht meine Reise über eine weitere kurze Zwischenstation in Lusaka nach Livingstone, um die Victoriafälle zu sehen. Die Busfahrt von Siavonga nach Lusaka von 190 km mit einem der bekannten Toyota-Minibusse dauert über sechs Stunden und zwei Tage später von Lusaka (7.00h Abfahrt) 800 km nach Livingstone (16:00h Ankunft) mit einem Reisebus neun Stunden. Total witzig wird es, als ich ab und zu auf Google-Maps nachschaue, wo wir uns gerade befinden. Fast jedes Mal wird mir der Standort einer Neuapostolischen Kirche angezeigt. Ich bin fasziniert, wie stark meine Glaubensgemeinschaft hier in Sambia verbreitet ist. Doch ich bin stets zu langsam, mein Handy auf Kameramodus umzuschalten, um die Kirchen im Bild einzufangen. Ich mache mir einen kleinen Sport daraus, zu schauen, wo die nächste Kirche auftaucht. Ich nenne mein Spiel “Kirchen jagen” 😂.
Kirchen jagen

Straßenverkauf von Holzkohle

Livingstone

Der Busbahnhof liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums. Die zweieinhalb Kilometer zu meinem Couchsurfing-Gastgeber Ethan gehe ich zu Fuß und spare mir das Taxi.

Mit den kolonialen Gebäuden im Stadtzentrum präsentiert sich Livingstone sehr weltoffen. Und ich habe nicht den Eindruck, dass übrig gebliebene Kolonialisten hier noch Einfluss haben. Im Gegenteil, die Bevölkerung ist schwarz und stolz auf ihre Stadt - soweit ich das beurteilen kann. Das merke ich am Engagement von Leuten wie Ethan, die mir außer die Victoriafälle, alles andere noch zeigen wollen, wie den Künstlermarkt, das Museum, die Luxuszüge, den Livingstone City Market, der auch Zimbabwe Market genannt wird, und manches mehr. “Deine Kirche steht mitten im Zentrum, gleich hinter dem Zimbabwe Market” verkündet Ethan stolz, als er von meiner Religionsgemeinschaft erfährt.
Vor dem Rathaus haben Künstler abgestorbene Bäume zu Kunstwerken des Kontinents verwandelt.
Baumkunst in Livingstone
Wenn man es am wenigsten gebrauchen kann - und das ist ja eigentlich immer (!) - kommt eine Erkältung oder ein nicht enden wollender Husten. Bei diesen sommerlichen Temperaturen kann sich ein Husten schlecht halten, rede ich mir ein und ware ab. Und warte ab…und warte und warte. Irgendwann ist’s mir zu blöd und ich gehe in eine Apotheke. Die wissen Bescheid, das hatte ich in Siavonga schon gesehen. Ich bekomme einen Hustensaft mit der Maßgabe, die Pulle bis zum letzten Tropfen zu leeren - natürlich nicht auf einmal, sondern in vorgeschriebenen Dosen. Das hilft schneller als die Polizei erlaubt. Ich bin begeistert!

Couchsurfing bei Ethan


Mein Ankunft in Livingstone ist am Montagnachmittag, dem 16.10.2023 an meiner Couchsurfing-Unterkunft bei Ethan, bei dem ich mich für vier Tage einquartiert habe. 
Ethan ist ein an allen Dingen interessierten und eloquenten jungen Mann. Wir führen von der ersten Minute an superinteressante und lange Gespräche auf Augenhöhe und besprechen die Aktivitäten meines fünftägigen Aufenthaltes. Für mich steht im Prinzip nur die Besichtigung der Victoriafälle und der Stadt Livingstone auf dem Zettel. Er meint, das sei in zwei Tagen erledigt, da muss uns noch mehr einfallen. Dann bringt er den Vorschlag, ich könne, wenn ich wollte, mit ihm zusammen Halloween feiern. Das sei am Samstag, den 21. Oktober. Ich überlege, meine Anfrage als Couchsurfer bei ihm läuft nur bis zum 20. Oktober. Was meint Ethan damit, dass er etwas vorschlägt, dass zeitlich über meine Anfrage hinausgeht? Ich frage ihn direkt und er antwortet, es sei kein Problem für ihn, wenn ich am 21. Oktober erst abreisen würde. “Ach, da fällt mir noch was anderes ein”, unterbricht er sich. “Am 24. Oktober feiert ganz Sambia den Unabhängigkeitstag. Bleib doch hier und feiere mit uns diesen besonderen Tag. Da gibt es Umzüge und alle Leute sind gut drauf”. Dann wird Ethan energisch und nachdrücklich. “Ich möchte, dass du mit dabei bist. Ich lade dich ein, beim Umzug mit meiner Gruppe dabei zu sein. Ich besorge dir etwas zu Anziehen, damit jeder sieht, dass du zu uns gehörst” - etwas flehend fühlt er hinzu “bitte, sag nicht Nein!” Ich fühle mich vollkommen entwaffnet und weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Meinen Einwand, dass ich damit fünf Tage länger bei ihm sein würde, wischt er mit einer Handbewegung aus der Diskussion und sagt “das ist mir klar!” Mir wird diese großartige Gastfreundschaft langsam etwas unheimlich. Um mich herauszureden, sage ich vorsichtig, dass am 25. Oktober mein Geburtstag sei und das für Botswana geplant hätte. Da springt Ethan auf und jubelt “wie cool ist das denn…? Den Geburtstag feierst du mit uns und ich organisiere eine Geburtstagsparty für dich, wie du sie noch nicht erlebt hast!!!” Jetzt bin ich komplett sprachlos. Was ist das denn für ein verrückter, fröhlicher Typ? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich erkläre ihm, dass man in Deutschland seine Geburtstagsparty selber organisiert und bezahlt. “Na gut, dann machen wir das eben zusammen…”, ist sein ganzer Kommentar. Für ihn ist das alles schon abgemacht, wohingegen ich noch am Überlegen bin, ob das alles real ist, was ich die letzten Minuten gehört habe.

Victoriafälle

Mittwoch, 18. Oktober 2023. Da sich Ethan wegen des bevorstehen Nationalfeiertags in dieser Woche ein paar Tage frei genommen hat, hilft er mir, auf die günstigste Weise, nämlich mit einem der den lokalen Minibusse anstatt mit einer organisierten Tour eines Hotels in der Umgebung die paar Kilometer zu fahren. Er selbst ersetzt den Tourguide und zeigt mir zuerst die ‘Boiling Bowl’, einen Knick in der Schlucht, wo das abfließende Wasser wie in einem Kochtopf schäumt und sprudelt. Dazu müssen wir vom Plateau ungefähr hundert Meter in die Schlucht hinunter. Dort ist man sehr nah am ‘Kochtopf’, wo die Insassen zweier Rafting-Schlauchboote - natürlich erfolglos - gegen die Strömung ankämpfen. Über der ‘Boiling Bowl’ hinweg verläuft die Stahlbrücke, von der ich die Möglichkeit hätte, Bungee-Jumping zu machen. Anschließend müssen wir die hundert Meter wieder die steile Schlucht hinauf. Puuuh… das kostet Schweiß.

Hüben Sambia, drüben Simbabwe

Dann schauen wir uns die Wasserfälle von der Ebene des Plateaus an. Ich bin beeindruckt von den geologischen Gegebenheiten, die die Struktur der nur bis zu 50 Meter schmalen Schlucht in den Basalt gefräst haben, und der Breite von 1,7 Kilometer, die das Wasser über eine scharfe Kante 107 Meter hinunterstürzen lässt. Leider tut es das nicht heute nicht so richtig, und morgen auch noch nicht, so dass ich nur eine Ahnung davon bekomme, wie es ist, wenn ‘Hochwasser’ herrscht. In den vergangenen Wochen und Monaten war Trockenzeit und der Fluss führt nur wenig Wasser. Bis zum richtigen, ohrenbetäubeden Donnern und vom Sprühnebel rauchenden Fallwasser des Sambesi müsste ich warten, bis die Regenzeit ordentlich Wasser in den Fluss gekippt hat, das sich dann mit aller Wucht über die Nordkante der Schlucht in die Tiefe stürzt. Die Viktoriafälle (Zambia Tourism, en) liegt zur einen Hälfte in Zambia und zur anderen Hälfte in Simbabwe, und dort fällt aktuell das bisschen Wasser, das im Sambesi gerade unterwegs ist, in die Schlucht runter. Die Sambische Seite ist größtenteils trocken. Auf Postkarten, die an den Kiosken verkauft werden, ist zu sehen, wie gewaltig der Wasserfall zur Regenzeit ist. Aus Kostengründen verzichte ich darauf, eine Besichtigung auch auf der simbabwesischen Seite zu machen. Das Tagesvisum kostet 30 US-Dollar und der Eintritt zum Nationalpark Victoriafälle 50 US-Dollar. Das ist mir einfach zu viel Geld, denn auch von der Seite Sambias ist es beeindruckend, wenn man von einem Ende der Schlucht zum andren hinüber schaut. Ich glaube, hierher komme ich zu einem anderen Zeitpunkt in meinem Leben noch einmal zurück.

Maßstabsgetreues Modell der Schuchtenstruktur im Museum

Livingstone Museum

Als ich mich alleine aufmache, die Stadt Livingstone auf meine Weise zu entdecken, komme ich am Livingston Museum vorbei und bin sofort neugierig, was es dort wohl zu sehen gibt. Es widmet sich sehr ausführlich dem Namensgeber dieser Stadt und zeichnet dessen Lebenslauf und Wirken in Afrika nach. David Livingstone (Wikipedia) war Arzt, Forscher und Missionar in einer Person und hat sich darüber für die Beendigung der Sklaverei eingesetzt. Unter anderem sind viele seiner Briefe im Original zu sehen.

Des Weiteren stellt das Museum sehr plastisch das Leben der afrikanischen Völker vor der Kolonialisierung dar, aber auch die Auswirkungen des Einflusses dieser auf ihre Kultur. Es macht mich sehr betroffen und wütend, wie radikal, rücksichtslos und barbarisch die Vorfahren meiner europäischen Mitmenschen um eigener, zumeist wirtschaftlicher Vorteile Willen mit den Ureinwohnern umgegangen sind. 
Eisenbahnverbindungen in Afrika gibt es viele. Genutzt werden davon nur wenige. Und wenn, dann vorwiegend für Güterverkehr. So wird zum Beispiel das Kupfer aus dem Copperbelt in Sambia nach Dar Es Salam in Tansania zur Verladung auf Schiffe transportiert. Regelmäßiger Personenzugverkehr findet nur auf wenigen Strecken statt. Wer reichlich Geld in der Tasche hat, kann den Luxuszug von Livingstone nach Südafrika buchen.

Feiern bis der Arzt kommt

Ethan hat alles geschickt eingefädelt, um mich Halloween auf sambisch erleben zu lassen. Wir tingeln von einer Bar zur anderen, wo er mich mit verschiedenen Freunden bekannt macht. Leider verstehe ich nur Bahnhof, wenn er mit ihnen Nyanja spricht. Er bringt mir schnell ein paar wichtige Ausdrücke bei: Muli bwanji? = Wie geht’s?; Bwino = Mir geht’s gut;  Mwalibiiha buti = Guten Abend; Mutinta = Mädchen. Damit lässt sich schon eine kleine Unterhaltung hinkriegen.
Der Pirat mischt sich unauffällig ins Volk der Tonga

Seit sich Sambia am 24. Oktober 1964 vom Britischen Commonwealth gelöst und ein selbständiges Land mit unabhängiger Regierung geworden ist, hat Sambia diesen Tag als Nationalfeiertag ausgerufen und begeht diesen als Unabhängigkeitstag, mit Straßenumzügen und mit viel Musik und Spaß. Das Fest beginnt schon am Abend zuvor mit einer Rede des Bürgermeisters und allerlei Darbietungen verschiedener Gruppen, wie zum Beispiel traditionelle Lozi-Tänze. Am Morgen des 24. Oktober habe ich den Eindruck, dass alle Sambianer auf der Straße sind. Es ist ein einziges Gewimmel. Richtig hübsch sind die Kinder und auch etliche Erwachsene anzusehen, die Trachten in den Farben der Nationalflagge, saftiges Grün, feuriges Rot, leuchtendes Orange und zum Kontrast mit schwarzen Streifen tragen. Auch Straßenbäume sind so geschmückt. Es wird Musik gemacht - hauptsächlich mit Trommeln und viel nach den Rhythmen getanzt. Durch Ethans Vermittlungskünste bekomme ich sogar ein Fotoshooting mit Miss und Mister Independence von Livingstone. Wooow!

Bäume in Nationaltracht

Musik, Tanz und Spaß

25. Oktober, Horst hat Geburtstag. Ethan hat Freunde und Arbeitskollegen aktiviert, um mir einen schönen Tag zu bereiten. Ich hingegen habe eine Pulle Gordon's Dry Gin mit Sprite und eine Flasche Grant's Whiskey mir Coca-Cola auf den Tisch gestellt. Die beiden Hauptflaschen haben wir erfolgreich entleert. Anschließend geht es in Limpo's Pub, Bier trinken und zur Musik einer Liveband tanzen. Irgendwer spielt denen den Hinweis zu, dass einer der Gäste gerade Geburtstag hat. Prompt wird ein Geburtstagsständchen intoniert und ich muss auf die Bühne. Nach dem Geburtstagsständchen werde ich dort vom Lead-Sänger festgehalten, damit ich nicht weglaufe. Jetzt werden afrikanische Klänge gespielt und ich muss zeigen, wie gut ich dazu tanzen kann. Lange nicht mehr habe ich so viele Leute auf zugleich lachen sehen. 

Pretty, Lilada, Pentos, Ethan, Reuben (v.l), Pirat (oben drauf)
Mit großem Spektakel werde ich auf meinen neuen Namen getauft: Cholwe, as bedeutet ‘der Glückliche’ in der Nyanja-Sprache. Tatsächlich fühle ich mich durch die mir erwiesene Freundschaft willkommen und gesegnet. Ja, ich kann bestätigen, dass ich seh glücklich bin. Das aber nicht nur durch meine Erlebnisse 
Vor Ort. Ab 01.00 Uhr steht mein Handy nicht mehr still. Ständig kommt eine neue WhatsApp- oder Messenger-Nachricht herein. Ich bin völlig von den Socken, wer da alles an meinen Geburtstag denkt und gratuliert.

NAC Musi-o-tunya Central Church

Wo immer ich auch bin und meine Kirche aufsuche seit Kenia, finde ich gigantisch große Gebäude vor. So auch hier in Livingstone. Diese Kirche bietet Platz für 1.700 Menschen, und sie ist am Sonntag zwar nicht bis auf den letzten Platz, so doch immerhin mit 200-300 Geschwistern gefüllt. Teilnehmerzahl dagegen am Mittwoch, dem 25. Oktober 2023: 24 in den Bänken + 3 am Altar = 27 Seelen. Doch die Menge der Sänger im Chor spielt nur eine untergeordnete Rolle, wie ich es zuvor schon in Lusaka, Siavonga oder Mombasa erlebt habe, der Chor und das Orchester sind eine Wucht. Ich könnte endlos zuhören. Ethan möchte wissen, was das für eine Kirche ist und begleitet mich dorthin - tausendmal besser angezogen als ich in meiner Piratenkluft. Ich werde bei den Announcements vor dem GD erwähnt, verstehe es trotz meiner Hörgeräte nicht, sodass man mir einen Wink geben muss, damit ich aufstehe und von des Anwesenden gesehen werden kann.
Wie so oft komme ich auch hier schnell mit Glaubensgeschwistern ins Gespräch. Eine junge Frau, Molly, erzählt mir, dass ihre Schwester den Gottesdienst für ihre tauben Kinder in die Gebärdensprache übersetzt hat. “Ja stimmt, das war mir aufgefallen, dass da jemand für gehörlose Menschen übersetzt”, bestätige ich ihr. Dann berichtet sie, dass sie sechs taube Kinder zuhause habe, vier eigene und zwei Adoptivkinder. Für sie sei das kein Problem, mit dem sie nicht fertig werden würde. Molly sagt, es sei ihre persönliche Aufgabe. “Und dein Mann, macht ihr das nicht zusammen?” Will ich wissen. “Ich habe keinen…”, lautet ihre Antwort. Ich muss schlucken. Aus meiner Sicht ist das ein Meisterstück, sich dem mit dieser Haltung zu stellen. Sie sagt, “es kommt der Tag, wenn die Kinder goß sind. Dann können sie für sich selbst sorgen - trotz ihres Handicaps. Das ist meine Aufgabe, ihnen dabei zu helfen. Dann aber werde ich frei sein und reisen so wie du!” Woow, was für eine Einstellung. Diese kleine Frau ist in meinen Augen ganz groß. Später erfahre ich noch manches mehr aus ihrem wechselvollen Leben.

Sie erzählt mir von ihrer Mission, tauben Kindern eine Schulausbildung zu ermöglichen und lädt mich zum ‘DeSanto Centre for the Deaf’ ein. “Du musst unbedingt kommen und es dir anschauen!” drängt sie mich. Es dauert eine Weile, bis ich geschnallt habe, wovon sie gerade spricht. Bin ich doch emotional noch sehr mit ihren Kindern beschäftigt. Dann aber, als ich im Bilde bin, nehme ich ihre Einladung spontan an. Ich erfahre, dass das Centre for the Deaf eine Nichtregierungsorganisation ist, die von Spenden aufrecht erhalten wird und den tauben Kindern adäquaten Schulunterricht und ermöglicht. Da behinderte Menschen in der Gesellschaft Sambias einen sehr niedrigen sozialen Status haben, wird auf die Stärkung ihres Selbstbewusstseins, Resilienz und Integration ein besonderer Schwerpunkt gelegt. Ich freue mich schon auf die Begegnung dort…

Centre for the Deaf

”Am nächsten Morgen mache ich mich rechtzeitig zu Fuß auf den Weg zur Mose Street. Es ist nicht weit, vielleicht zwei Kilometer. Ich will dort sein, wenn die Kinder um 7.00 Uhr erscheinen. Okay, sie werden allesamt mit einem Toyota-Minibus angeliefert. Auch gut. Molly ist mit an Bord des Busses und empfängt mich. 

“Hallo” in Gebärdensprache

Schöne und erschütternde Geschichten bekomme ich zu hören. Die verstörendste ist, dass manche Kinder aus ihrer Familie verstoßen werden, weil weder Eltern noch sonst irgendwelche Menschen aus dem Umfeld nicht wissen, wie sie ihrem tauben Kind etwas beibringen können, nicht wissen, wie sie mit ihrem Kind kommunizieren können, es niemand anderes aus den gleichen Gründen aufnehmen will und dann sich selbst überlassen wird.
Ich habe tausend Fragen und Molly hat auf jede Frage eine Antwort. 
  • Erhält die Schule staatliche Förderung? Nein.
  • Wieviel kostet die Schule mit allen Ausgaben in Monat? 130.000 Kwacha, umgerechnet 5.700€ oder 6.000US$.
  • Was muss alles bezahlt werden? Gebäude, Einrichtung, Fahrdienst, Uniformen, Schulmaterial, Lehrer (einige arbeiten sogar ohne Entlohnung, weil sie noch andere Einkünfte haben), Essen (das Frühstück und Mittagessen sind für viele Kinder die einzige sichere Nahrungsversorgung).
  • Woher kommt das Geld? An der Gründung war Herr Gary DeSanto, ein Investor in den USA, beteiligt und hat das Projekt einige Jahre allein unterstützt. Leider ist DeSanto mit dem Ablauf des Jahres 2022 mit seinem Engagement aus dem Projekt ausgestiegen und das vorhandene Geld reicht noch bis Ende 2023. Dann ist Schluss, wenn nicht woanders Geld herkommt. Die Schule sucht jetzt händeringend Sponsoren.
  • Wann wurde die Schule gegründet? 2015 - Ich rechne kurz: Acht Jahre. Da könnte es doch schon Absolventen geben…
  • Gibt es Schulabgänger, die sich mit ihrer Taubheit erfolgreich in der Gesellschaft integrieren konnten? Ja, drei Schüler. Sie sind jetzt alle beruflich angestellt.
  • Wie funktioniert das mit der gesellschaftlichen Integration, wie macht ihr das? Die Kinder lernen nicht nur hier im Centre, sondern besuchen auch andere, ‘normale’ Schulen, um einerseits die Integration zu fördern und andererseits ein gleichwertiges Bildungsniveau sicherzustellen. Und hier im Centre sind sie unter Gleichen. Das ist genauso wichtig, wie die Integration.
  • …und so weiter.


Molly vorm Klassenzimmer




Das Essen…
…machen wir selber!
Es braucht keiner langen Überlegung für mich. Diese Schule muss am Leben bleiben und möglichst vielen, am besten allen betroffenen Kindern des Einzugsbereiches die Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen und damit eine Lebensperspektive zu geben. Gerne würde ich den Part von Gary DeSanto übernehmen, doch stehen mir entsprechende Mittel nicht zur Verfügung.Was ich tun kann, das werde ich tun, nämlich regelmäßig 100,- EUR monatlich spenden, und ich werde zum ersten Mal in meinem Leben eine Spendenaktion starten in der Hoffnung, dass sich mindestens einhundert Menschen meinem Beispiel anschließen. Das würde 100 Personen x 100 EUR = 10.000 EUR pro Monat der Schule einbringen. Damit wäre es möglich, die beteiligten Lehrer vernünftig zu bezahlen, auch Klassenfahrten und andere Dinge werden dann möglich. Hier geht’s zu meinem Blogartikel mit der Spendenaktion.

 

Grenze und Exit


Die neue Sambesibrücke zwischen Sambia und Botswana

Ausreisestempel am 31.Okt.2023


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