Mittwoch, 22. Januar 2025

Horsts Enkel-Baby-Stippvisite

Prinz Samuel und ich

Baby im Anmarsch

Irgendwann im Frühsommer 2024 erreicht mich der Anruf meiner 'Möhre', wie ich liebevoll meine Tochter nenne. Sie vermeldet die Botschaft ihrer Schwangerschaft. Oha, jetzt wird sich bald mein gesellschaftlicher Status ändern, denke ich bei mir. Aber ich soll noch niemand davon erzählen!!! Es dauert nicht lange, bis sich herausstellt, dass dies eine ziemlich herausfordernde Bitte ist.

Noch viel herausfordernder ist allerdings eine Frage, die ich mir von nun an selbst stelle. Mein innerer Dialog geht so: "Fliege ich hin, oder nicht und bleibe auf meiner Reise? Hinfliegen würde meine dritte Reiseunterbrechung bedeuten, und das ist eigentlich nicht die Idee meiner Weltreise. Schon die beiden ersten Unterbrechungen waren von diesem Standpunkt aus gesehen zwei Unterbrechungen zu viel. Andererseits ist da aber auch die enge Beziehung, die ich zu meinen Kindern habe, was mir ein massives schlechtes Gewissen bereitet, wenn ich nur daran denke, meiner Tochter nicht nahe zu sein, wenn sie ihr erstes Baby bekommt."

Als ich meinen inneren Zwiespalt mit meinem Freund Klaus teile, wird mir schnell klar, wie viel mir die Nähe meiner Tochter bedeutet. Und schon steht die Entscheidung. Doch die Ticketbuchung ist eine weitere Herausforderung, denn es sind noch gut zehn Wochen bis zum vorausberechneten Geburtstermin, dem 2. Januar 2025. Und wie treffsicher mag die Vorhersage wohl sein? Also denke ich mir, es wäre klug, wenigstens zwei Wochen nach dem berechneten Termin einzuplanen. Für die Anreise könnte ich Weihnachten in Betracht ziehen, aber wer will mich zum Fest überhaupt haben? Üblicherweise werden in den Tagen um Weihnachten herum ja die Verwandten abgegrast. Also, eigentlich hat niemand Zeit für einen Globetrotter, so meine Gedanken.

Da kommt mir ein Geistesblitz!

Erfolgreich hatte ich meinen älteren Bruder Harald bei meinem letzten Deutschland-Break zu seinem Geburtstag überrascht (siehe hier). Warum sollte ich das nicht auch mit Holger, meinem jüngeren Bruder tun? Sein Geburtstag ist doch der 18. Dezember. Also genau im richtigen Zeitfenster! Wenn ich es schaffe, rechtzeitig dafür in Hamburg zu sein, dann komme ich auf rund vier Wochen Deutschland-Aufenthalt. Diese Idee gefällt mir so gut, dass Weihnachten nicht wirklich mehr relevant ist, selbst wenn ich mich für die Festtage irgendwo in einem Hostel einquartieren sollte.

Also, welches soll nun mein Flughafen sein, von wo aus ich nach Deutschland fliege? Es ist gerade Oktober und ich befinde mich in Punta Diablo, Uruguay. Wie soll ich für so lange zeit vorhersagen können, wo ich sein werde, um einen günstigen Flug nach Deutschland zu nehmen? Ohne lange zu fackeln, buche ich einfach meinen Flug von Santiago de Chile nach Frankfurt de Deutschland. Irgendwie kriege ich das schon hin! Ab sofort freue ich mich wie Bolle auf die bevorstehenden Begegnungen, die ich als Überraschungen plane. Deshalb...

Geheimhaltung!

Mit der untereinander gut vernetzten Bargsten-Verwandtschaft ist nicht zu spaßen, wenn es ums Dichthalten geht. Das funktioniert. Jeder gibt sein Bestes, das ist klar. Dennoch darf man das Feingespür dieser Familienmitglieder nicht unterschätzen, das bei jedem sofort hellwach ist, wenn auch nur eine  minikleine unschuldige Bemerkung fällt.

Ich entscheide mich, selber dicht zu halten. Mit einer einzigen Ausnahme: mein Sohn Alex muss eingeweiht werden. Denn auch meine Tochter mit ihrem Baby soll mein Auftauchen als Überraschung erleben.

Auf nach Deutschland

Iberia, der spanischen Fluglinie, wird mich am 14. Dezember 2024 über Madrid nach Frankfurt und am 15. Januar 2025 wieder zurück bringen. Das Besondere für mich ist, dass für den Transatlantikflug von Santiago nach Madrid der Airbus A350 eingesetzt wird. Für mich das erste Mal mit 'meinem Baby'.

Also finde ich mich rechtzeitig am Arturo Merino Benitez International Airport in Santiago ein. Rechtzeitig heißt in diesem Falle sechs Stunden. Die Wartezeit wird kurzweilig durch das Kennenlernen von Amandine, eine fröhliche junge Französin, die schon etliche Stationen in Südamerika abgereist hat und hier auf die Ankunft ihres Freundes wartet, mit dem sie Patagonien heimsuchen will.

Schreck lass nach

Und dann wird es plötzlich ultra-kurzweilig! Wir unterhalten uns gerade in der großen Halle für den Check-In, als das ganze Gebäude für einige Sekunden wackelt. Von der Decke rieselt Staub und kleines Zeug, wie abgeblätterte weiße Farbe. Da wir keinen Knall oder eine Explosion gehört haben, war mir klar, dass dies ein Erdbeben sein musste. Und noch nie habe ich mein Herz so tief aus der Hose wieder hervorkramen müssen. Da ich gerade stehe, fühlt es sich an, als hätte sich der Fußboden um zehn Zentimeter bewegt. Mir schien es, als hätte nicht viel gefehlt und ich wäre umgefallen. Tatsächlich mag es ein oder zwei Zentimeter gewesen sein, die sich der Boden bewegt hat. Die langen, gewaltigen Stahlstützen scheinen die Erschütterung gut abfedern zu können. denn ich finde nirgends Risse oder Beschädigungen.

Als ich später im Internet nachschaue, war dies durchaus ein Erdbeben mit einer Magnitude von 6,4 mit größerer Stärke. Dennoch gingen sämtliche Angestellte, die Erdbeben gewohnt sind, unmittelbar ihrer Tätigkeit nach, als wäre nichts gewesen. Nur ein paar Reisende sind schnell ins Freie geeilt. Amandine und ich gehören dazu. Doch ein Nachbeben gab es nicht, jedenfalls nicht so, dass wir es hätten gespürt.

Mein Screenshot kurz nach dem Ereignis

Für besonders Interessierte, hier weitere Informationen:
Zeit: 14. Dez. 2024, 20:38 (local), 23:38 (UTC)
Epizentrum: Nähe Molina, Chile, in ca. 114km Tiefe
Website The Watchers

Airbus A350

Zum ersten Mal fliege ich mein Baby – das Flugzeug, für das ich zwölf Jahre gearbeitet habe, den A350 der spanischen Iberia.

Mein Platz: 49L. Holzklasse! Enger geht's mit der Bestuhlung wirklich nicht. Da nehme ich mir doch lieber die Zeit von fünf Wochen und schippere mit einem kleinen Segelboot über den Atlantik. Allein damit hat Iberia bei mir leider alle fünf Sterne versemmelt, die ich zu vergeben habe. Schade um das schöne Flugzeug!

Andererseits kann ich feststellen, das das CCRC (Cabin Crew-Rest Compartment) und die U-shape Galley verbaut sind. Gut gefallen haben mir die Toiletten, sowohl Aft, als auch Center. Da gibt's deutlich mehr Platz und Bewegungsfreiheit als in der A320. Ich hätte mehr Fotos machen sollen!

A350 Iberia-Economyausstattung 

Die Verspätung von drei Stunden beim Abflug holen wir auch mit Nachbrenner nicht mehr rein, so dass ich in Madrid ein Hotelzimmer (nichtmal ein Hostel haben sie für mich!!!) und ein neues Ticket nach Deutschland bekomme – auf meinen Wunsch hin sogar nach Hamburg statt nach Frankfurt. Sehr gut! Dafür schiebe ich gerne drei Sterne nach.

Unterkunft in Hamburg

Endlich wieder mal in der schönsten Stadt der Welt angekommen, darf ich erneut bei Klaus, der mir schon letztes Mal Unterschlupf gewährte, einziehen. Allerdings ist er nun nicht mehr allein. Er hat in Rita eine wundervolle Freundin gefunden. Einen "Sechser mit Zusatzzahl", wie er sagt. Nun darf ich nachts nicht mehr schnarchen, wie mir der Schnabel gewachsen ist.

Überraschung Nr. 1

Holger hat Geburtstag

Es geschieht am Mittwoch, dem 18. Dezember 2024 um 7.38 Uhr. Ein Mann mit schwarzem Kopftuch steht mit einer Tüte Brötchen vor Holgers Haustür und spielt "Happy Birthday" auf der Mundharmonika. Die Tür öffnet sich und keiner erkennt mich. Wie auch! Erst als ich die Mundharmonika absetze, wird die Gesichtserkennung möglich.

Natürlich habe ich in Kauf genommen, dass Holger schon zur Arbeit wäre oder aber keine Zeit für mich haben würde. Sowas muss man bei Überraschungen – vor allem an einem Werktag – immer mit einkalkulieren. Holger ist auch bereits arbeitsfertig, entscheidet sich aber spontan zum Home-Office. So haben wir gut Zeit für ein gemeinsames Frühstück und Gedankenaustausch.

Überraschung Nr. 2

Wir schreiben den 20. Dezember 2024. Alex mit Freundin Nadine und Kathi mit dickem Bauch und schlankem Mann Mario sind zusammen bei Mama Sonja nach Salzgitter eingeladen. Und ich habe mir vorgenommen, dort kackfrech aufzutauchen und nehme mir für zwei Tage ein Zimmer in Braunschweig-Broitzem. Risiko pur!

Wiedersehen nach eineinhalb Jahren

Die Überraschung scheint gelungen. Kathi freut sich wie ein Schneekönig, Papa ist wegen ihres Babys gekommen. Selbst Sonja ist so überrascht, dass sie kaum weiß, was sie sagen soll. Und das will was heißen! Da aber Sonja ihre (unsere) Kids sonst kaum sieht und sie sie dieses Wochenende für sich haben möchte, mache ich mich auch bald wieder aus dem Staub. Kathi und Mario möchten mich dafür dann nach diesem Wochenende bei sich in Eichenzell haben.

Dadurch ergibt sich eine gute Gelegenheit für eine weitere Überraschung...

Überraschung Nr. 3

Neuapostoliche Kirche Braunschweig

Am Sonntag, dem 24. Dezember 2024 morgens um 9.15 Uhr sitze ich rechtzeitig für den Gottesdienst, der um zehn Uhr beginnt, auf meinem Platz in der Neuapostolischen Kirche zu Braunschweig. In diesem Augenblick bin ich noch ziemlich allein im Saal. Aber nach und nach füllt sich die Kirche, die in den Achtzigern für zwei Jahre mein geistliches Zuhause war, als ich hier in Braunschweig die Technikerschule absolvierte. Ich schiele in der Kirche umher und schaue, ob da vielleicht ein bekanntes Gesicht dabei ist. Jaaaa! Da links sitzt Gabi... und die Ute spielt im Orchester... und da kommt Herfred den Seitengang entlang und setzt sich in die Bank ganz vorne.

Als der Gottesdienst vorüber ist, schart sich eine kleine Menschentraube um den langhaarigen Globetrotter. "Bist du das wiklich?" Gabi kann es kaum glauben und stubst ihren Mann Dieter immer wieder in die Seite. Anja, Herfred, Michael... um nur einige zu nennen. Mann, da werden alte Zeiten wach!!! Es fühlt sich wirklich so an, als wäre ich nur für kurze Zeit mal weg gewesen.

Da ist es endlich...

Nun heißt es warten. Weihnachten steht an und Marios Eltern, Helmut und Lydia kommen auch. Es ist ein schönes kleines Fest zusammen. Die Zeit bei Kathi und Mario dehne ich aber nicht aus, sondern möchte den beiden Raum und Zeit für die Ankunft des neuen Erdenbürgers zu geben. Klaus und Rita gewähren mir weiter Unterschlupf, bis das Baby da ist.

Und dann ist das Baby da! Am 4. Januar 2025 wird Samuel Becker geboren. Mutter und Kind geht es sehr gut. Das ist schön zu hören. Zwei Tage später bin ich wieder in Eichenzell – das Deutschland-Ticket macht's möglich.

Drei Generationen

Das Gefühl ist schwer zu beschreiben, das Baby der nächsten Generation auf den Arm zu nehmen. Von überall hagelt es Glückwünsche zum "Opa". Obwohl ich das nun schon lange genug weiß, dass diese Bezeichnung über mich kommen würde, ist es mir eher unangenehm, so genannt zu werden. Mal abwarten, wie es sich anfühlt, wenn der Junge mich so nennen wird. 

Frankfurt am Main

Nun, Frankfurt ist etwas ungenau. Richtig wäre Friedrichsdorf-Seulberg. Aber für die Überschrift lasse ich es mal so. 

Es war ursprünglich geplant, dass ich meinen Freund Andreas bei meiner Einreise nach Deutschland am Sonntag in Friedrichsdorf-Seulberg bei Frankfurt besuchen würde. Wir hatten uns beide auf ausgiebige und tiefgründige Gespräche gefreut. Durch die Verspätung wurde die Begegnung am Sonntag obsolet und ich bekam den Flug nach Hamburg.

Nun konnte ich den Besuch nachholen, bevor mein Flug zurück in den Reisealltag nach Chile geht.

Abflug

So einfach wegfliegen, ohne noch irgendwas Verrücktes zu erleben, das gibt es einfach nicht.

Während ich auf meinen Flug nach Madrid warte – hoffentlich ohne Verspätung, setzen sich zwei junge Frauen neben mich. "Wo soll's hingehen?" frage ich, um ein kleines Gespräch in Gange zu bringen. "Tansania" lautet die Antwort. Yeah! Und schon gibt's viel zu erzählen. Lisa und Carolin, wie die beiden heiße, werden dort in einer Pflegeeinrichtung ein Praktikum machen. Dann wollen sie von meinen Erlebnissen hören. Und jetzt kommt der Hammer, als ich nach ihrem Wohnort frage: Agathenburg und Harsefeld! "Hä?" entfährt es mir. Diese beiden Orte liegen in der Nähe von meinem Heimatdorf Ahlerstedt. Die Welt ist ein Dorf!!!

Ohne weitere 'Zwichenfälle' geht es bis nach Santiago de Chile.

Bin wieder zurück!


Selbstverständlich...

Mama

...habe ich in dieser Zeit mehrmals meine Mutter im Pflegeheim besucht. "Oh, du!" ruft sie laut, als sie mich nach eineinhalb Jahren wiedersieht. Es dauert ein paar Minuten, dann wird sie ganz gesprächig. Doch das Sprechen fällt ihr deutlich schwerer, als wie es beim letzten Besuch war. Die Pflegekräften sagen mir, dass meine Mutter viel fröhlicher ist, während ich bei ihr bin. 

Auch meinen Onkel Hans-Jürgen, meinen "OHJ", besuche ich zweimal. Er ist ganz der Alte, hat immer einen im Sinn.

Erledigungen

Die Gelegenheit in Deutschland zu sein, habe ich auch dafür genutzt, ein paar Dinge zu erledigen, die unterwegs schwieriger oder gar nicht möglich sind:

 Rucksackschnalle – Die Kunststoffschnalle meines Hüftgurtes von Rucksack war mir in Botswana in eine Fahrzeugtür geraten und gebrochen. Mit einem Karabiner habe ich mich solange beholfen. Bei Globetrotter in Hamburg gibt es eine Ersatzschnalle.
 Notebook – Das Schreiben des Blog auf dem Handy ist mir leid geworden. So hat mir Alex schon bevor ich angekommen bin, ein kleines Notebook beschafft. 
✅ Brille – Beim Baden im Mittelmeer in Alexandria ist meine schöne blaue Brille baden gegangen. Ein Sprung ins Wasser und weg war sie! Die Ersatzbrille, die ich mir in Ägypten habe anfertigen lassen, hatte zu dicke Bügel, die meinen Hörgeräten ständig den Platz hinter meinen Ohren streitig gemacht haben. Nun habe ich eine neue Brille mit dünnen Bügeln.
 Reisepass – Wie kann man Länder besuchen, die die Einreise nicht erlauben, wenn man den Einreisestempel eines verfeindeten Landes im Reisepass hat? Man braucht dafür eine zweiten Reisepass. Diesen habe ich mir ebenfalls ausstellen lassen (für 130 Euro – grrr!).
 Wasserdichte Hülle – In Uruguay hat es geregnet. Na, das ist etwas ungenau ausgedrückt. Es war ein Wolkenbruch! Und nichts ist trocken geblieben. Reisepass, Internationaler Führerschein, Impfpass – alles nass. Nach dem Trocknen alles wellig! Damit mir das nicht mehr passiert, besorge ich mir waaserdichte Kunststoffhüllen bei Globetrotter. Teuer!
 Auslands-Krankenversicherung – Meine Auslands-KV, mit der ich meine Reise begann, war schon lange abgelaufen. Also habe ich erneut abgeschlossen. Denn man darf nicht vom Ausland her abschließen, man muss es vor Grenzübertritt abgeschlossen haben. So ist das in Deutschland.
 Generalvollmacht – Ich will, dass meine beiden Kinder Vollmacht für alle meine Angelegenheiten haben. Auch erledigt.
 Hörgeräte – Eine kurze Überprüfung kann nicht schaden. Meine Nichte Thesi ist die Expertin und meine persönliche Beraterin in dieser Angelegenheit.

Verlust

Bei der Bahnfahrt von Eichenzell nach Hamburg am 27. Dezember 2024 ist mein Hut versehentlich im Zug liegen geblieben. Weg ist er. Schade! Aber in Südamerika finde ich sicher einen Ersatz.




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